Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Aufmarsch der Wendehälse"

Michael Fiedler

Politik und Spiele, Kultur und Gegenöffentlichkeit.

9. 1. 2013 - 11:43

Aufmarsch der Wendehälse

Wir können bestimmen, ob Österreich ein Berufsheer bekommt oder bei der Wehrpflicht bleibt. Wie sollen wir uns nur entscheiden? Die Diskussion zum Nachhören.

Jahrzehnte dauert die leidige Debatte um Wehrpflicht und Berufsheer jetzt schon an. Die Wehrpflicht wurde von den BefürworterInnen mit stabiler Demokratie und der immerwährenden Neutralität verknüpft und geschadet hat es auch noch keinem, wie die ältere Generation zum Thema Grundwehrdienst gerne anmerkt (ich kann mich sogar an gut gemeinte Warnungen erinnern, dass sich der Zivildienst im Lebenslauf eher schlecht machen würde).

GegnerInnen der Wehrpflicht argumentieren, dass nur eine Berufsarmee zeitgemäß sei, die Neutralität wäre ja ohnehin nur mehr ein Scheinargument, unterlaufen von Auslandseinsätzen und Waffenexporten.

Jynx torquilla

CC

Jynx torquilla, der Wendehals

Bisher sind diese beiden Argumentationsketten in einem Patt verharrt - Geplänkel gab es nur über Randbereiche der Thematik, über die Dauer des Wehrdienstes etwa oder die Einführung des Zivildienstes.

Nun soll entschieden werden: Beibehaltung der Wehrpflicht oder Einführung eines Berufsheers, und, damit verknüpft und ebenso wichtig, Zivildienst oder freiwilliges soziales Jahr. Denn den Zivildienst gibt es nur mit der Wehrpflicht, fällt sie weg, gibt es auch keine Zivildiener mehr.

Fliegender Wechsel

Die Diskussion ist an sich logisch, kaum ein Land kann sich eine derartige Entscheidung ersparen. Doch Österreich hat sich etwas Spezielles einfallen lassen: Bis vor Kurzem noch hatte die SPÖ die Wehrpflicht verteidigt, während die ÖVP für ein Berufsheer eingetreten ist. Doch 2010 hat der Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl im Wahlkampf eine Volksabstimmung über die Wehrpflicht gefordert und die ÖVP hat dieser Forderung zugestimmt.

Die beiden ehemaligen Großparteien haben binnen zweier Jahre ihre Positionen in der Frage miteinander getauscht und haben dabei auch die Argumentationslinien des politischen Gegners übernommen. In Stenoform läuft die Diskussion dann etwa so: "Sechs Monate Dienst an der Waffe sind zu wenig, um auch nur halbwegs gut ausgebildet zu werden, reine Zeitverschwendung für Tausende junge Menschen, die nebenbei auch noch irre viel Geld verlieren, weil sie nicht arbeiten oder studieren können.
Außerdem haben die meisten EU-Staaten bereits ein Berufsheer und das funktioniert. - Aber es schärft das staatsbürgerliche Bewusstsein, wenn junge Männer ihrem Land ein paar Monate schenken, ohne sie stehen wir bei der nächsten Jahrhundertflut schlecht da und die Ausbildung lässt sich verbessern. Die meisten EU-Staaten sind ja auch in einem Militärbündnis, Sie wollen also das Ende der Neutralität! Und in Deutschland funktioniert die Rekrutierung fürs Berufsheer nicht gut. ..."

 Illustration zum Thema "Volksbefragung über die Wehrpflicht": Die Stimmzettel für die Volksbefragung über die Wehrpflicht am 20. Jänner werden bereits gedruckt.

APA/Helmuth Fohringer

Rund 6,3 Millionen ÖsterreicherInnen über 16 werden am 20. Jänner zur Volksbefragung gebeten.

Die Haltung der anderen

Die anderen Parlamentsparteien haben zur Diskussion ebenfalls etwas beizusteuern: Die FPÖ ist für die Wehrpflicht, die Grünen für ein Berufsheer (beziehungsweise teilweise auch für die gänzliche Abschaffung der Armee), ebenso das BZÖ, und das Team Stronach will keine Wahlempfehlung abgeben, ist aber laut Grundsatzprogramm (über das man mal die Rechtschreibprüfung laufen lassen sollte) für ein Freiwilligenheer.

Die Abstimmungshilfe der Bundesjugendvertretung gibt es hier, sie bietet gleich auch allgemeine Infos zu Volksbefragungen und dem Ablauf am 20. Jänner.

Aber das alles ist eigentlich egal, denn SPÖ und ÖVP konnten die anderen Parteien aus der Diskussion praktisch ausschließen - wenn das geplant war, dann hat es gut funktioniert. Und falls so etwas ähnliches bei der Nationalratswahl noch einmal klappt, können sich Opposition und vor allem die vielen neuen Parteien warm anziehen.

Im gestrigen Bürgerforum ist ein bisschen diskutiert worden: hier die Zusammenfassung in wenigen Sekunden.

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Was ihr wollt!

Nichtsdestotrotz ist die Entscheidung wichtig und spätestens seit dem gestrigen Bürgerforum ist die Intensivphase des Volksbefragungswahlkampfes angebrochen. Ihr stellt die Weichen für das Bundesheer und das Zivil- bzw. Sozialdienstmodell der Zukunft.

Werner Faymann und Michael Spindelegger

APA/Herbert Pfarrhofer

Die Kontrahenten im gestrigen Bürgerforum

Auf FM4 waren am 10.01.2013 Johanna Zauner und Mourad Mahidi von der Bundesjugendvertretung zu Gast. Die BJV hat nämlich zur Entscheidungshilfe eine Broschüre zusammengestellt, die sich - und das ist bei politisch besetzten Organisationen ungewöhnlich - objektiv mit den Argumenten für und wider Wehrpflicht samt Zivildienst und Berufsheer samt freiwilligem sozialem Jahr beschäftigt.

Diskussion zum Nachhören

Johanna Zauner und Mourad Mahidi von der Bundesjugendvertretung im Gespräch mit Claudia Unterweger - und natürlich mit euch.

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