Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Der Protest geht weiter"

Daniel Grabner

Geschichten aus on- und offline, zwischen den Zeilen und hinter den Links

29. 12. 2012 - 18:37

Der Protest geht weiter

Nach der Räumung des Refugee-Camps im Wiener Votivpark bleiben rund vierzig Asylwerber in der Votivkirche zurück. Sie protestieren weiter, teilweise unter Hungerstreik.

Es ist ein befremdliches Bild, das sich bietet, wenn man, vorbei am Sicherheitspersonal (die Pfarre gewährt nur Presse, Rettung, Caritasmitarbeitern und wenigen Aktivisten Zutritt), durch den Seiteneingang der Votivkirche das Innere betritt. Erst nach ein paar Schritten wird der Blick auf ein Matratzenlager frei, auf dem, eingewickelt in Decken und Schlafsäcken, rund vierzig Menschen eng aneinander liegen. Um sie herum zwei Mitarbeiter der Caritas und zwei Aktivistinnen, die die Protestbewegung von Anfang an begleitet haben. In der Kirche ist es kalt, Heizstrahler gibt es keine.

Flüchtlinge in der Votiv-Kirche mit Decken am Boden liegend

APA / HERBERT P. OCZERET

Kälte und Hungerstreik

"Derzeit befinden sich 14 Menschen im Hungerstreik.", sagt Caritasmitarbeiter Martin Haiderer. Derzeit übernimmt die Caritas folgende Aufgabenbereiche in der Votivkirche: Regelmäßige Gesundheitschecks der Asylwerber, die Versorgung mit warmer Kleidung und das Bereitstellen von Suppe, Tee und Medikamenten gehören dazu. Sechs Personen mussten gestern ins Krankenhaus gebracht und notversorgt werden. Sie sind mittlerweile zurück in der Kirche, doch viele andere zeigen laut Haiderer bereits Anzeichen einer Unterkühlung.

Sanitäter in der Votivkirche

APA / Georg Hochmuth

Keine Heizstrahler

Unverständlich bleibt die Tatsache, dass weder Caritas noch die Pfarre Heizstrahler in der Kirche installieren. Haiderer meint dazu nur, die Kirche lasse sich nicht heizen, Heizstrahler hätten im hohen Kirchenschiff keine Wirkung. Dass es keine Möglichkeit geben soll, die Kirche zu heizen, stößt auch bei den anwesenden Aktivisten auf Unverständnis.

"Please support us"

Khan Adalat ist seit sieben Monaten in Österreich. Vor Jahren ist er vor den Taliban aus dem Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan geflüchtet. Zuerst landete er in der Erstaufnahmestelle von Traiskirchen, später für mehrere Monate in einem Asylheim im Waldviertel. Nun sitzt er inmitten anderer Flüchtlinge auf einer Matratze und erklärt die Forderungen der Asylwerber. Es gehe ihnen um das Recht auf Arbeit, um das Recht auf menschenwürdige Behandlung in den Unterbringungen, um das Recht in Österreich bleiben zu dürfen. Als Flüchtling wurde er isoliert, teilweise unter hygienisch katastrophalen Bedingungen untergebracht. Auch gebe es zu wenige, oder schlecht ausgebildete Übersetzer.

Flüchtling in der Votivkirche

FM4 / Daniel Grabner

Aufmerksamkeit und Dialog

Die Asylwerber wollen in Dialog mit verantwortlichen Politikern treten, und sie wollen eine breite Öffentlichkeit auf die Missstände im Asylsystem aufmerksam machen. Unterstützt werden sie dabei von zahlreichen Aktivisten, die sie mit Medikamenten, Kleidung und Nahrungsmitteln versorgen. Den Vorwurf von Innenministerin Mikl-Leitner, die Flüchtlinge würden von den "Aktivisten instrumentalisiert" weisen sie zurück. Mit dieser Aussage nehme man den Flüchtlingen die Autonomie ihres Protests.

Eine Unterstützerin bietet sich als Übersetzerin für einen französisch sprechenden Asylwerber an, eine andere verteilt Hustensaft und Lutschtabletten unter den Asylwerbern. "Die größte Schwierigkeit hier in der eiskalten Kirche ist das Schweigen der Politiker, das Schweigen, das die Menschen hier nicht verstehen können.", erzählt die Aktivistin.

Flüchtlinge in der Votivkirche

APA / Georg Hochmuth

Vorerst keine Räumung geplant

Martin Haiderer von der Caritas weiß nichts von einer geplanten Räumung der Kirche. Die Caritas versuche auch eine Vermittlerrolle zwischen der Kirche und den Asylwerbern einzunehmen. Findet in der Kirche eine Andacht statt, gehen die Asylwerber hinaus, um diese nicht zu stören. Das funktioniere bisher ganz gut. Die Caritas setze sich auch für den Dialog zwischen Asylwerbern und Politik ein.

Martin Haiderer: "Die Menschen sind nicht aus Jux und Tollerei bei Minusgraden hier, das ist eine Verzweiflungstat. Die Menschen brauchen ein Signal, das ihnen Hoffnung gibt, und das wird nicht durch die Räumung eines Camps erreicht, sondern nur, indem sich verantwortlich Politiker, NGOs und Betroffene an einen Tisch setzen."