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David Pfister

Rasierklingen, Schokolade, Zentralnervensystem, Ananas, Narzissmus und Ausgehen.

20. 11. 2012 - 10:49

Black Holes, Origin Of Symmetry & Sachen

Die Neo-Prog-Rocker Muse mit der extra Portion Twilight feiern Fasching in der Stadthalle Wien.

Weil du aber lau bist und weder kalt noch warm, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde.

Aus dem Brief des Apostel Johannes an die Versammlung in Laodicea. Offenbarung 3, 16

Der Apostel Johannes mochte keine lauwarmen Sachen. Er war ein Mann der Eindeutigkeit. Entweder schwarz oder weiß, heiß oder kalt, Merzbow oder Lady Gaga. Aber nur nichts dazwischen. Muse-Platten könnte sich die Versammlung in Laodicea also problemlos anhören.

The 2nd Law: Isolated System

Gleich beim Intro machen Muse eine eindeutige Standortbestimmung. Es knattern die Breaks als hätte Skrillex einen Albtraum. Muse haben es in ihrer 13-jährigen Karriere geschafft, von der Indie-Glam-Rock-Band in eine potente Stadionmacht zu entwachsen. Placebo und Green Day haben es ihnen vorgemacht, Muse allerdings vollführen ihre Mutation raffinierter.

Über die Verlängerung Emo und die Twilight-App verfügen sie momentan über ein extrem vielfältiges Publikum. Muse sprechen den Progrock-Papa und den Nachhilfe-Burli gleichermaßen an. Das ist durch viele glückliche Zufälle so gewachsen, aber Muse haben halt auch das unverschämte Talent Matthew James Bellamy. Dem Multitalent purzeln die Melodien zuhauf in das Gehirn und ganz blöd ist der Mainstream ja auch nicht. Was nicht gut schmeckt, wird sofort vom Freizeitdarwinismus gefressen. Und da sitzen Muse einfach am längeren Ast. Bei ihrem Konzert in der Wiener Stadthalle spielen sie 21 Lieder aus ihren sechs Studioalben und trotzdem fehlen jede Menge Hits. Und selbst das etwas lahme neue Album The 2nd Law, liefert trotzdem noch eine Reihe geschickter Melodien ab, wie es Mumford & Sons in ihrem ganzen Leben einfach nicht schaffen werden. Das muss man mal aussprechen.

Da Muse nicht die Band der sanften Andeutungen und Zwischentöne sind, sondern sich immer für das geilste Riff und den dicksten Gitarreneffekt entscheiden, wird ihr Auftritt konstant bejubelt. Ein unablässiger Strom der Freude umspielt die vollgefüllte Stadthalle, eine feiste Hymne nach der anderen. Wobei die Band besonders bejubelt wird, wenn sie ihre Hardrock-Steaks auspackt.

Und da sind wir auch bei einer möglichen Irritation, wenn es um die Muse-Zukunft geht. Die vermehrte Zuwendung zu zeitgeistiger Elektronik hat Muse auf den Thron gehoben, von dem sie nun herrschen. Muss der monolithische Neo-Progrock aber in den nächsten Jahren noch mehr Platz für Funk und elektronische Tanzmusik machen, könnte sich das irgendwann einmal gegen die Band wenden.

Aber auch diese modischen Versuchungen werden Muse überstehen. Muse sind wie die Killers. Sie verfügen über ein riesiges Reservoir an Ohrwürmern und mit der Twilight-Army im Genick wird man die nächsten zwei Jahrzehnte ein Auskommen finden.

Ich empfinde Muse bei weitem weniger zweifelhaft als die grässliche Entwicklung der schon erwähnten Placebo hin zur anbiedernden Belanglosigkeit. Weil Muse von Anfang an klargemacht haben, dass sie in glitzernden Sakkos auf einem Vulkan reiten möchten. Weil Muse die Geilheit nach der großen Show schamlos auf der Stirn geschrieben steht. Weil Muse immer Fasching feiern möchten und weil sie die größten Schnitzel und die buntesten Torten haben wollen.

Muse covern sogar beinhart das Lied vom Tod von Ennio Morricone als Intro für die noch immer eindrucksvoll durchgeknallte Sci-Fi-Odyssee Knights Of Cydonia.

Geschmackvoll ist das wahrlich nicht. Aber scheiß der Hund drauf. Die Partys mit den Schnitzeln, den Torten und den besoffenen Eltern waren mir immer schon lieber als Spiele-Abende mit Limonade ohne Kohlensäure und Kastanien-Igel.