Erstellt am: 19. 11. 2012 - 17:05 Uhr
The Haunted Man
Natasha Khan aka Bat For Lashes schultert auf dem Cover ihres neuen Albums einen nackten Mann. Ist er der haunted man? Auch Natasha - wie eine Feuerwehrfrau, die einen Verletzten aus einem Gebäude trägt - hat keine Kleider am Körper, nur zarten Schmuck, auf diesem Foto, das an die Kunst von Robert Mapplehorpe erinnert. Das Bild kommt übrigens vom US-Fotokünstler Ryan McGinley, der auch schon für Sigur Ros oder Morrissey fotografiert hat.
Natasha Khan: "I really wanted to strip things back in honour of women like Patti Smith; just these raw, honest women. I had no make-up on, it´s just me and my haunted man."

Bat For Lashes
This Sensual World
Gehen wir ganze sechs Jahre zurück, ins Jahr 2006. Das Debutalbum von Natasha Khan erscheint: "Fur And Gold": Pelze und Gold, Freak-Folk und Ethno-Accessoires. Bat For Lashes wird schließlich für den britischen Mercury Music Prize nominiert, verliert aber gegen die Klaxons. Ja, so lange ist das schon wieder her. Die Britin mit englischer Mutter und pakistanischem Vater, die damals in Interviews erzählt, dass sie in der Schule mit Rassismus zu kämpfen hatte und "Fucking Paki" genannt wurde, legte drei Jahre später das zweite Album nach: "Two Suns". Davor hatte sie eine Auszeit in der kalifornischen Joshua Tree Wüste genommen, ein gewissermaßen mystischer Ort samt Rock-History-Bezügen wie dem Grab von Gram Parsons.
"Two Suns" war ein Konzeptalbum. In der Wüste hatte Natasha Khan ein alter-Ego namens Pearl gefunden und dieses mit nach New York genommen. In Brooklyn war Natasha Khan begeistert von Bands wie TV On The Radio oder Yeasayer, und Letztere waren dann auch am Album mit dabei. "Travelling Woman" hieß ein Song, "Pearl´s Dream" ein anderer, "Siren Song" ein weiterer, "Daniel" war der Hit, und da gab es noch dieses Duett mit einem der geheimnisvollsten Männer der Popgeschichte überhaupt, mit Scott Walker: "The Big Sleep". Zuhause im UK gab es wieder eine Mercury Nomination, und eine für den Brit Award, und wie all diese Popindustrie-Auszeichnungen auf der Insel noch heißen. Wer gewann aber diesmal den Mercury Prize? Ja, nicht Natasha, sondern eine andere Musikerin: Speech Debelle. Macht nichts, sagte sich Natasha Khan und ging mit Coldplay auf Tour, in Südamerika, und machte dann zusammen mit Beck das Stück "Let´s Get Lost" für den "Twilight: Eclipse"-Soundtrack. Eine Gucci-Werbung wollte auch etwas von Bat Lashes: Natasha lieferte eine Coverversion vom Depeche Mode Stück "Strangelove". Dann: writer´s block. Schreibblockade.

Bat For Lashes
Ich hatte schon gedacht, es würde kein drittes Bat For Lashes Album mehr geben, sagte Natasha Khan kürzlich in einem Interview. Sie dachte, das war es jetzt, und sie hatte Gedanken, ein Baby zu bekommen. Ja, ein echtes, ein Menschenkind, kein Plattending.
Nichts gegen die Mutterschaftsgedanken der Natasha Khan, aber dieses Baby namens "The Haunted Man", da bin ich ich schon sehr froh, dass es dann doch das geworden ist. Kommt doch mit "The Haunted Man" noch in diesem späten Abschnitt des Jahres ein potenzielles Album-des-Jahres daher. Und was für eines. Schon eines, das in den beiden Vorgängern wurzelt, vor allem in "Two Suns", aber gleichzeitig eines, das eine neue Bat For Lashes präsentiert. Weg mit dem schweren Schmuck, der Goldhaube - oder was das genau war, weg mit dem Hippie-Krims-Krams - den Schellen und den Haarbändern, her mit der Patti Smith/Robert Mapplethorpe Ästhetik. Das heißt aber nicht, dass es auf "The Haunted Man" keine pakistanische Dhol-Drum mehr gibt - auf "Horses Of The Sun", bei dem auch Arian Utley von Portishead mitmacht - oder andere "exotische" Einflüsse, wie etwa Ägyptisches auf "All Your Gold", einem souligen Stück, das dem Debutalbum näher ist als dem letzten Longplayer. "I was a dead girl walking, city light burnt through the tears", singt Natasha Khan in "All Your Gold", das ein wenig an Gotye erinnert.
Mit dabei auf "The Haunted Man" ist Dave Sitek von TV On The Radio, ein Mann der zur Zeit ja wirklich nichts falsch machen kann, rein gar nichts, egal ob er mit Amadou et Mariam, dem ultracoolen Paar aus Mali Musik macht oder eben mit Natasha Khan. Die stärkere Entwicklung hin zum Elektronischen steht Natasha Khan gut. "The Haunted Man" ist ein Pop-Album. Pop muss kein Schimpfwort sein. "The Haunted Man" ist zugänglich wie ein gutes Pop-Album. "Laura", die erste Single von "The Haunted Man", ist so ein Popsong: Stimme, Piano, Bläser, Streicher. A girl and her piano. A little anxiety. Superschön. Von wem singt Natasha Kahan hier? Von einer Freundin, sagt sie.Im Text heißt es "You say that they´ve all left you behind, your heart broke when the party died. Your name is tattooed on every boy´s skin.You´re the glitter in the dark, Laura, you´re more than a superstar."
"Marilyn" ist das vielleicht schönste Stück am Album: "I´m touching a star turning into a Marilyn. You´re a silver screen, visual balladry." Beck spielt mit, und Charlotte Hatherley (ex-Ash).

Parlophone
"Lilies" ist ein wunderschöner Album-Opener, samt Streichern. Dave Sitek sitzt am Steuer.
"Oh Yeah": Tolle Samples. Rob Ellis (PJ Harvey) spielt mit.
"A Wall": "Where you see a wall, I see a door." Eine - wieder von Dave Sitek geführte - an Kate Bush erinnernde Baroque-Synth-Pop-Hymne.
"Winter Fields": Frostige Synths. "Scaredy rabbits make good paper ghosts that lick the salt off the Sussex coast and fall into winter fields."
"The Haunted Man": Der Björk-eske Titelsong, samt Männerchor.
"Deep Sea Diver": Superhübsches Piano. "Baby, let your hair down. It´s time to get enchanted."