Erstellt am: 12. 11. 2012 - 10:52 Uhr
Die neuen Waffen Barack Obamas
Seit dem scharfen Einbruch nach dem Wahlausgang am Dienstag sind die Kurse aller großen Rüstungsunternehmen weiterhin auf dem Weg nach unten.
Die vom Pentagon seitdem neu vergebenen Aufträge im Bereich Rüstung aber zeigen eine deutliche Linie. Frisches Geld gibt es in erster Linie für Sensor- und Kommunikationstechnologien - meist Nachrüstungen oder Teilsysteme - und Drohnen.

United States Air Force (gemeinfrei)
Waren es in den vergangenen Jahren (werk)täglich Summen von deutlich über 200 Millionen Dollar aufwärts - auch eine halbe Milliarde war keine Seltenheit - die neu vergeben wurden, so gingen diese Aufträge in der vergangenen Woche sehr zurück.
Untypisch zivil
Zwar wurden von Mittwoch bis Freitag vom Pentagon weit über 600 Millionen Dollar in die Hand genommen, diese Summe täuscht jedoch. Der Löwenanteil von 380 Millionen, die in Tranchen bis 2018 fällig werden, geht untypischerweise an eine Firma, die nicht zum militärisch-elektronischen Komplex gehört.
Boeing strich in der vergangenen Woche ein Drittel der Managementposten der Militärsparte. Es ist der erste schwere Einschnitt in der Rüstungsindustrie seit dem Ende des Kalten Kriegs.
Pierce LLC stellt Feuerwehrtrucks für den zivilen Einsatz her. Das ist es, was die Militärzulieferer wirklich fürchten müssen: Dass die Militärs, wo immer es geht, nun bei zivilen Lieferanten einkaufen werden, statt bei Militärausrüstern eigene Entwicklungen bestellen, die teuer und langwierig sind.
Smartphones, Sensoren, Kampfjets
Die einzigen aktuellen Aufträge des Pentagon, in denen neue Technologien im Zentrum stehen, sind Nachrüstungen bestehender oder erst in Auslieferung befindlicher Systeme mit neuen Generationen von opto-elektronischen und anderen Sensoren.
In jedem Smartphone befinden sich in der Regel weitaus modernere Gyroskop- bzw. Beschleunigungssensoren, als in der Überzahl der aktuell eingesetzten ballistischen Raketen oder Kampfjets der weltgrößten Militärmacht.
Die massenhafte Fertigung dieser ursprünglich militärischen Technologie für den Einbau in Mobiltelefone hatte einen ähnlichen Verlauf genommen, wie schon zuvor die Entwicklung digitaler Kameras. Immer bessere Auflösungen bei immer höherem Miniaturisierungsgrad, damit einhergegangen war ein massiver Preisverfall der Sensorik-Hardware.
Vor Betrieb veraltet
Die letztlich geplatzte Fusion der britischen BAE-Systems mit dem europäischen Rüstungskonzern EADS hätte für beide Unternehmen Sinn gehabt. Anders als EADS ist BAE rein militärisch ausgerichtet, ein Großteil ihrer Umsätze kommt aus den USA. Durch den Zusammenschluss mit der vorwiegend zivil ausgerichteten EADS würde BAE die US-Budgetkürzungen besser überstehen, so das Kalkül der Briten. EADS wiederum wäre auf einen Schlag der größte ausländische Militärzulieferer der USA geworden. Genau deswegen aber war der Deal geplatzt.
Paradoxerweise resultiert ein aktuelles Hauptproblem der US-Militärs direkt daraus. Noch nicht ausgelieferte Waffensysteme sind bezüglich Sensoren und Funkeinrichtungen bereits so veraltet, dass sie im aktuellen Konzept der vernetzten Kriegsführung nicht mehr funktionieren würden.
So müssen bei der gesamten Flotte von zu Marineaufklärern umgebauten Boeing 737 derart obsolete Sensoren und die zugehörigen Kommunikationsysteme ausgetauscht werden. Die Flieger sollen 2013 erstmals in Dienst gestellt werden.
Die vernetzte Kriegsführung
In den aktuellen Auftragsvergaben ist der rasante Fortschritt der zivil getriebenen Sensortechnik direkt abzulesen. 31 Millionen Dollar gingen an Alliant Techsystems für ein neues sensorgestütztes Raketenwarnsystem für Kampfjets samt neuen Kommunikationseinheiten.
Die Sensoren sind ja nicht nur für die Crew im Flieger da, sondern kommunizieren nach den Regeln der vernetzten Kriegsführung direkt mit dem nächsten Command & Control Center.
Drohnen und Seesäcke
Der Rüstungskonzern General Atomics bekam für die Nachrüstung eines neuen sensorgestützten "Look/Attack"-Systems für die Killerdrohne Predator (7 Mio). Northrop Grumman erhielt davor zwei Aufträge für die hochfliegende Aufklärungsdrohne Global Hawk.
Auch bei den übrigen Aufträgen sind die "klassischen" Waffengattungen kaum repräsentiert. Neben Aufträgen zur Lieferung von Seesäcken, Pharmazeutika oder Ersatzteilen für Hubschrauber finden sich nur vergleichbare elektronisch-sensorische System-Upgrades für Kampfschiffe.
Die Liste aller Aufträge des Pentagon im Wert von mehr als fünf Millionen Dollar wird (werk)täglich vom "U.S. Department of Defense Office of the Assistant Secretary of Defense" veröffentlicht. Die zitierten drei Tranchen nach der Wiederwahl Obamas sind hier, sowie hier, und da.
Bill Clinton, x386 PCs
Hier wiederholt sich eine Entwicklung, die in den frühen 90er Jahren erstmalig zu beobachten war. Als Präsident Bill Clinton nach Ende des Kalten Krieges die überbordenden Rüstungsausgaben der Reagan-Ära zurückfuhr, setzte man seitens der Militärs erstmals auf sogenanntes "Customized Over The Shelf"- Equipment (COTS).
Das sind zivile Produkte, die für militärische Zwecke adaptiert werden. Die Hauptrolle spielte damals eine technologische Entwicklung aus dem zivilen Sektor namens "Personal Computer". Die waren 15 Jahre nach den ersten in Garagen zusammengeschraubten Kleinrechnern plötzlich "disruptiv" geworden.
Sensoren, Handys
Die riesige Nachfrage bei zivilen PCs der nächsten Jahre hatte für einen Entwicklungssprung gesorgt, der die Weiterführung eigener, militärischer PC-Programme weitgehend obsolet machte.
Gewöhnliche PCs zogen in die Militäroffices ein und wurden dort sofort zur Selbstverständlichkeit wie überall sonst in der Gesellschaft. Eine zumindest vergleichbare Entwicklung spielt sich gerade jetzt mit der Miniaturisierung von Sensoren durch den zivilen Mobilfunk ab.
Drohnenmarkt Zivilgesellschaft
Dabei ist auch eine Bewegung in die umgekehrte Richtung sichtbar. Seit 2009 drängen auch in Europa die großen Rüstungsfirmen vehement darauf, dass Drohnen auch im zivilen Luftraum eingesetzt werden können. Hier geht es um neue, sichere Umsätze im zivilen Sektor, denn dafür braucht es natürlich auch die adäquaten Kommunikationssysteme, Command & Control Center samt zugehörigen Datenbankstrukturen.

U.S. Air Force (gemeinfrei)
Angelegenheiten der Feuerwehr
Die Aufträge dieser ersten drei Tranchen aus dem Verteidigungsbudget nach Wiederwahl Obamas sind freilich nicht in absoluten Zahlen einfach auf das Budget hochrechenbar.
Sie sind vielmehr ein Zeichen der Präsidentschaft, was auf der Rüstungsagenda für die nächsten Jahre stark präsent sein wird. Hinreichend plakativ ist auch, dass der erste Großauftrag des Pentagon an einen Hersteller von zivilen Feuerlöschfahrzeugen gegangen ist.