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Christiane Rösinger Berlin

Ist Musikerin (Lassie Singers, Britta) und Autorin. Sie schreibt aus dem Leben der Lo-Fi Boheme.

13. 10. 2012 - 06:23

Hassen dürft ihr uns, aber zuerst wird gevespert

Zwei Exilschwaben umarmen den Feind und gründen das Kulturfestival "7 Tage 7 Schwaben". Dort gibt es Theater, Kunst und Musik aus dem Musterländle zu erleben. Auf das Doppelouting "schwäbischer Hipster" muss dennoch gewartet werden.

In Berlin hasst ja bekanntlich jeder jeden und doch ist der Hass bestimmten Gesetzmäßigkeiten unterworfen, er flaut ab und kommt bei Gelegenheit wieder hoch. Die großen Zeiten des Schwabenhasses sind eigentlich vorbei. Es war im Jahre 2009, als erstmals schwabenfeindliche Plakate im Berliner Prenzlauer Berg auftauchten, und die Schwaben
für alles verantwortlich gemacht wurden: Mietsteigerung, Gentrification, Verdrängung, Preistreiberei, Clubsterben (wir berichteten darüber).

Wenn man aber Bekannte vom Prenzlauer Berg befragte, so hörte man, dass es weniger Schwaben als dänische und spanische Immobilenfirmen waren, die Wohnungen dort en gros aufkauften. Auch die zu Recht gefürchteten Latte Macchiato-Mütter vom Prenzlauer Berg haben zwar alle einen Kinderwagen-Hintergrund, aber nicht unbedingt eine schwäbische Migrationsgeschichte.

Maultaschen

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Die Maultaschen, Symbol des Schwabentums

Der menschliche Kleingeist funktioniert ja leider ganz schlicht, und es sind einfach immer die Anderen, Fremden, Zugezogenen, Ausländer dafür verantwortlich zu machen, was in Gesellschaft und Politik schief läuft. Der Kapitalismus ist keine schwäbische Erfindung und daran, dass die zugezogenen Neuberliner größtenteils dem Club der Erben angehörten, sich deshalb mit Eigentumswohnungen eindecken konnten und die vorherigen Bewohner aus dem Bezirk vertrieben wurden; daran könnte die Politik was daran ändern, aber nicht der Schwabenhass.

Wobei gesagt werden muss, dass die Schwaben in ganz Deutschland nicht besonders beliebt sind. Trotzdem sind sie den ebenfalls in Deutschland eher unbeliebten Preußen gar nicht so unähnlich und haben durchaus auch Gutes nach Berlin gebracht. So wäre die Hausbesetzerbewegung der frühen Achtziger Jahre ohne die Schwaben und ihre Philosophie ("Schaffe, Schaffe, Häusle baue") niemals zur Instandsbesetzungsbewegung geworden. Nicht jeder Schwabe ist spießig und kleinlich, Schwaben können sogar selbstironisch sein, haben sie doch das schöne Bonmot "Wir können alles außer Hochdeutsch" zum Werbeslogan ihres Bundeslandes gemacht. Dass sie nicht so duckmäuserisch sind wie immer behauptet, haben Sie ja beim Protest gegen das Bahnhofsprojekt Stuttgart 21 bewiesen.

Wie dem auch sei, den Berlinern mit schwäbischem Migrationshintergrund reicht es so langsam mit dem Schwabenbashing und sie rufen in diesen Tagen zur "Schwabiennale", einem schwäbischen Kulturfestival in Berlin. Im Rahmen einer groß angelegten Charmeoffensive beschlossen zwei Exilschwaben aus dem Theaterumfeld den Feind zu umarmen und erfanden das schwäbische Kulturfestival "7 Tage 7 Schwaben".

Bei der ersten "Schwabiennale" können die Besucher nun bis zum 15. Oktober Theater, Kunst, Musik, Lesungen, Speisen und Getränke aus dem Musterländle erleben. Unter dem Motto "Hassen dürft ihr uns, aber zuerst wird gevespert" wollen sich die Schwaben sieben Tage lang von ihrer besten Seite zeigen.

Straßenschild mit Aufschrift "Schwaben raus"

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So wurde zur Hochzeit des Schwabenhasses in Berlin-Prenzlauer Berg plakatiert

Neben einer Kunstschau im ARD-Hauptstadtstudio ist die Uraufführung des Theaterstücks "Schwabenhatz" geplant. Der Erfinder des Stuttgarter "Tatort"-Kommissars Bienzle lädt mit Krimigeschichten zur "spannenden und heiteren" Matinée. Die kabarettistische "Schwaben-Offensive" präsentiert sich 25 Jahre nach ihrer Gründung in Originalbesetzung mit der Inszenierung "Komm du bloaß hoim!". Und musikalisch will die süddeutsche Kapelle "Herrn Stumpfes Zieh und Zupf Kapelle" nun auch Berlin überzeugen.

Ein klein wenig bieder kommt das Programm natürlich schon daher, aber es sind schließlich die nicht mehr ganz jungen, sondern die vor über 30 Jahren zugereisten Exilschwaben, die die Schwabiennale ins Leben gerufen haben.

Und so weit, dass sich auch das junge, hippe Berlin als schwäbisch outet, so weit ist es noch nicht. Schießlich ist der Hipster ja das neue Feindbild, und fürs Doppelouting "schwäbischer Hipster" ist die Zeit noch nicht reif.