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Phekt

Geschichten aus dem Hip Hop-Universum und benachbarten Galaxien.

2. 10. 2012 - 16:22

Rebirth of Detroit

Vor kurzem war Maureen "Ma Dukes" Yancey, die Mutter des verstorbenen Hip Hop-Produzenten J-Dilla, bei uns im FM4 Studio. Mit im Gepäck hatte sie die neue Compilation "Rebirth of Detroit".

J Dilla

Maureen Yancey

Über das atemberaubende Werk des Produzenten James "J-Dilla" Yancey aus Detroit wurde hier schon öfter geschrieben. Leider viel zu früh 2006 an der Lupus-Krankheit verstorben, hat sein Sound eine ganze Generation von Produzenten geprägt und ist nach wie vor omnipräsent in Clubs, Radiosendungen und bei Konzerten der vielen Künstler, die mit J-Dilla zusammengearbeitet haben.

Kurz zusammengefasst kann man sagen, dass es sein unheimliches Gespür für Sounds, Samples, Beats und Melodien war, das Dilla unsterblich gemacht hat. Befreundete Künstler wie Questlove von den Roots schwärmen noch heute von gemeinsamen Sessions mit J-Dilla und über seine Fähigkeit, innerhalb kürzester Zeit aus vertrackten Soundschnipseln diverser obskurer, alter Platten einen neuen Ohrwurm zu kreieren.

Die frühen Tage

Musik war im Leben von J-Dilla bereits früh ein wichtiger und integraler Bestandteil. Seine Mutter Maureen "Ma Dukes" Yancey ist ausgebildete Opernsängerin, der Vater Jazz-Bassist.

Ma Dukes J Dilla

Alex Hertel

Im FM4-Interview hat Ma Dukes unlängst eine nette Anekdote erzählt: Schon als 2-Jähriger tanzte der junge Dilla fanatisch zu den Klängen von James Brown. Da er noch nicht richtig stehen konnte, musste er sich währenddessen am Tisch festhalten. Kurz bevor der Song vorbei war, begann er zu zittern und wartete panisch darauf, bis der Song wieder von vorne losging.

J-Dilla hat diverse Instrumente beherrscht. Zum Meister wurde er jedoch an der MPC, jenem legendären Sampler und Drum-Computer, der viele Jahre zum Standard-Repertoire in fast jedem Studio gehörte und den Sound von Hip Hop geprägt hat.

Als Teenager widmet sich J-Dilla Beats und Raps und gründet mit befreundeten Rappern seine erste Band. Die Mutter unterstützt ihren Sohn bei seinen Karriereentscheidungen und ermöglicht ihm, im Keller ihres Hauses sein Studio einzurichten: Jener berühmte Raum, der von Erykah Badu als "The Basement" bezeichnet wurde und in dem Songs wie "Runnin" von The Pharcyde oder "The Light" von Common entstanden sind.



Ich spare mir die Aufzählung aller relevanten Künstler, für die Jay Dee alias J-Dilla Beats produziert hat und kürze die Geschichte an dieser Stelle ab.

Seine Mutter erzählt im Interview die bewegende Geschichte seiner letzten Tour, kurz vor seinem Tod. Obwohl sie wusste, dass ihr Sohn erfolgreich Musik machte, wurde ihr sein internationaler Stellenwert erst richtig bewusst, als sie mit ihm in Paris war. Die Tatsache, dass er im Rollstuhl auf die Bühne gebracht werden musste, hielt ihn nicht davon ab, diese letzte Tour zu machen. Die Liebe, die seine Fans ihm entgegenbrachten, war kurzzeitig stärker als sein Leiden. Viele von Dilla's Beats entstanden auf einer MPC, die er im Krankenbett in Los Angeles bediente.

Rebirth of Detroit

Obwohl schon zu Lebzeiten von vielen Menschen geschätzt, wurde dem künstlerischen Genie J-Dillas erst nach seinem Tod jene Aufmerksamkeit geschenkt, die er von Anfang an verdient hatte. Zahlreiche Compilations mit seiner Musik wurden veröffentlicht, alle wussten plötzlich schon immer, wie großartig er war und manche Releases hatten den unappetitlichen Beigeschmack von Leichenfledderei.

Das ist mit der aktuellen Compilation Rebirth of Detroit ganz anders. Maureen "Ma Dukes" Yancey kümmert sich heute um die Geschäfte und den musikalischen Nachlass ihres Sohnes.

Nachdem die Wirtschaftskrise die ehemalige Hochburg der Autoindustrie hart getroffen hat, ist Detroit heute eine Stadt im Wandel. Ganze Viertel liegen brach, Häuser und Industrie-Anlagen stehen leer. Die Bevölkerung kämpft mit Arbeitslosigkeit, wenig Perspektiven und Armut.

Doch es gibt auch positive Nachrichten: In DIY-Manier entstehen Bürgerinitiativen, die sich mit biologischem Gemüseanbau beschäftigen. Viele Künstler aus New York oder Los Angeles ziehen nach Detroit, weil dort alles billiger ist und man neue Chancen und Möglichkeiten wittert. Das Detroit Beautification Project ist ein Beispiel dafür.

Und genau diese Stimmung des Aufbruchs und der Hoffnung wollte Ma Dukes, die selbst jahrelang mit der Aufarbeitung des Todes ihres Sohnes beschäftigt war, mit dem neuen Projekt "Rebirth of Detroit" einfangen.

Junge MCs und Talente durften über Beats aus dem Archiv von J-Dilla rappen und Songs aufnehmen. Bei einigen Tracks sind auch alte Weggefährten wie Guilty Simpson, Frank Nitt oder sein jüngerer Brunder Illa J zu hören.

Das klingt zum Teil ganz gut, der Großteil der Songs kommt aber bei weitem nicht an jenes Qualitätslevel heran, das man von J-Dilla Produktionen gewohnt ist. Und damit sind wir beim großen Problem von "Rebirth of Detroit": So gut die Sache an sich ist, so wenig ist es gelungen, dieses musikalische Niveau zu halten. Langjährige Freunde und Wegbegleiter von J-Dilla wie DJ Houseshoes haben sich via Twitter über die aktuelle Compilation aufgeregt. Ma Dukes rechtfertigt sich, indem sie darauf hinweist, dass zu viele Köche den Brei verderben und sie nicht auf alle Meinungen eingehen konnte. Trotz seiner Unzufriedenheit wird DJ Houseshoes auf "Rebirth of Detroit" mit dem Track "Houseshoes was spinnin" Tribut gezollt.

Mehr Infos findet ihr auf der offiziellen Webseite von J-Dilla.

Es hätte dem Projekt tatsächlich gut getan, wenn ein musikalischer Supervisor wie Questlove, Q-Tip oder Houseshoes mehr Kontrolle über die finalen Tracks bekommen hätten. Denn auf manchen Tracks hört man durchaus das Potential, das diese Compilation gehabt hätte. Leider geht das Konzept in voller Länge nicht auf. Hardcore J-Dilla-Fans werden die Songs trotzdem feiern.