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Lukas Tagwerker

Beobachtungen beim Knüpfen des Teppichs, unter den ihr eure Ungereimtheiten kehrt.

28. 9. 2012 - 01:20

Der Großkapitalist als Guru

Frank Stronach betritt die politische Bühne.

Der jüngste Quereinstieg ins politische Feld kann als Symptom der Krise gedeutet werden. Österreichs einziger Tycoon, der sich laut Biograph als Unternehmer einen "politischen Streichelzoo" (von Vranitzky bis KHG) gehalten hat, versucht 80-jährig seinen Glauben an den Kapitalismus zu retten, indem er dessen Logik von Konkurrenz und Profit aufs Staatsganze anwendet und jeden möglichen Interessenskonflikt zwischen "Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft" und "Menschenrechten" rhetorisch mit einer "geistigen Revolution" aufzuheben versucht.

Stronachs Vorturner, der konservative Ex-Premier von Ontario Mike Harris betrieb bereits 1995 eine "Common Sense Revolution": die Aufgaben der Regierung wurden reduziert bei gleichzeitigen Budget- und Steuerkürzungen. Mike Harris sitzt seit 2003 im Aufsichtsrat von Magna International.

Demonstrant vor Schönbrunn

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Ein einzelner Demonstrant vor Stronachs Pressekonferenz in Schönbrunn.

Bei der Pressekonferenz zur Präsentation der neuen "Partei" fallen zunächst zwei Dinge auf: das Team aus Team Stronach für Österreich ist nicht mehr als eine Floskel, ein postdemokratisch outgesourcetes Instrument um auf den Wahlzettel, in die Medien und ins Parlament zu gelangen. Die fünf (teilweise Ex-)Abgeordneten, die für Stronach aus BZÖ (Kaufmann-Bruckberger, Lugar, Tadler) und SPÖ (Faul, Köfer) ausgeschieden sind, sitzen während der gesamten Pressekonferenz am Stronach gegenüberliegenden Saalende und sprechen kein einziges Wort.

Was noch auffällt: der versammelte Hofstaat aus MedienarbeiterInnen verbreitet eine stumm nervöse Stimmung. So als ob dieser 27. September wirklich, wie Stronach es sagt, "ein historischer Tag für die ganze Welt" wäre, an dem der Beginn einer Epoche leise und gespannt zu erdulden sei.

Fotografenrücken

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Rücken von MedienarbeiterInnen

Nachdem ein kurzer Video-Clip mit apokalyptischem Bombast-Sound verabreicht wird (ein altes Magna-Stronach Firmenvideo mit upgedatetem Schluss über Stronachs Sponsorentätigkeit in Österreich), hält der Meister selbst eine knapp einstündige Predigt.

"Wir wissen: das Hirn ist kalkulierbar. Aber nicht das Herz!", sagt Stronach. Weil ersteres Organ offenbar mathematisch und auf anderen Wegen erreicht werden soll, richtet sich Stronachs Monolog ganz auf die unkalkulierbaren Organe. Der Milliardär hat außer seinem Magna-Rezept zur Mitarbeiter-Gewinnbeteiligung und dem Vorschlag, jedes Land der EU solle zu einer eigenen National-"Euro"-Währung zurückkehren, wenige Themen anzubieten.

"Schulden ist schlecht." sagt er und "Wenn Leute keine Arbeit haben, das ist ganz schlimm." Wenn man nicht so viel Geld habe, wie er, Stronach, dann höre einem niemand zu. In den meisten Ländern würden die Regierungen von den Banken bestellt werden, ob und wie sich das ändern ließe, darüber gibt es nichts Konkretes zu hören.

"Wahrheit Transparenz Fairness"

Stronach klingt wie ein weltreisender self-made-Philosoph, der zu einem Bierzelt spricht, das auf FPÖ- und BZÖ-Sprüche geeicht ist. Anstelle von aggressiven Anti-Ausländer-Tönen gibt es milderes Poltern gegen "Banken" und "Verwaltung" und anstelle eines schrillen Patriotismus kommt der liberale Glaube an die Glückssuche des Einzelnen vor, den die Regierung in Ruhe lassen soll.

Er sei von sich selbst nicht so eingenommen, dass er für alle Leute sprechen könne, sagt er. Er sei bloß so eingenommen von sich selbst, dass er für "Neunundneunzig Komma neun neun neun Prozent der Menschen" die wichtigsten Grundfragen beantworten könne. Occupy Wallstreet sind im Vergleich zu Stronach also ein Minderheitenprogramm.

Stronach

FM4 Stronach

Die steirische Juristin, ehemalige Magna-Human-Resources-Managerin und Leiterin des Stronach Instituts Kathrin Nachbaur neben Frank Stronach.

Die Fragerunde nach dem Monolog wird zur Orakelbefragung. "Wann zerbricht der Euro?" will ein deutscher Journalist von Stronach wissen. Wie soll es nach Stronachs Ableben mit den Werten "Wahrheit, Transparenz, Fairness" weitergehen? Wie können unverheiratete Väter zu ihrem Recht kommen? Wie groß sollte ein österreichisches Berufsheer sein?

Stronach wird zur Klärung aller Detailfragen einen Weisenrat gründen lassen. Das vollständige Parteiprogramm wird überhaupt erst im April 2013 präsentiert werden. Über Erwin Pröll sagt Stronach schon jetzt: "Der größte Schmähtandler!" - und über Angela Merkel: "Entweder sie ist so dumm! Oder sie spielt mit den Banken mit."

Politik- und Gesellschaftsthemen auf FM4

Als eine Frage zu Stronachs Finanztransfers in die Schweiz nach seiner Übernahme der Steyr-Daimler-Puch Werke auf etwaige Widersprüche zwischen Praxis und Rhetorik hinweist, reagiert Stronach gereizt: "Sind Sie ein Gesandter von der roten Armee?", gibt er dem Fragesteller zurück.

Der Milliardär und Sohn eines ehemaligen steirischen Kommunisten hat das rauhe Charisma des aufgestiegenen Werkzeugmachers behalten und könnte als solcher mit einem Narrativ punkten, das im Fortgang der Krise mehr und mehr Zustimmung bekommt: "Wir sind weit weg gekommen von einer Realwirtschaft. Wir sind in einer Finanzwirtschaft. Wir müssen zurück zur Realwirtschaft!"

Dass seine Vorschläge, die einerseits auf eine Reduktion staatlicher Steuerung hinauslaufen und andererseits nationale Souveränität in Finanzfragen behaupten, überaus populistisch und nicht wirklich durchdacht erscheinen, mag dem Umstand geschuldet sein, dass sich der Tycoon Stronach etwas vorgenommen hat, was schlicht unmöglich ist: die Krise des Kapitals mit der Logik des Kapitals zu lösen.

Frank Stronachs Parteipräsentation

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