Erstellt am: 26. 9. 2012 - 21:00 Uhr
Gold Dust
Vor zwanzig Jahren erschien das erste Album von Tori Amos, "Little Earthquakes". Zum 20.Geburtstag der Platte, die die US-Musikerin zum Star machte, nahm Tori Amos nun einige Stücke aus ihrer Karriere neu auf, zusammen mit einem Orchester, und nennt das Album "Gold Dust".
Mit "Flavour" beginnt Tori Amos das Album, einem weniger bekannten Song aus ihrem 09er-Album "Abnormally Attracted To Sin". Das neue Album mit vertrauten Songs im neuen Gewand ist also keine Best-Of- oder Singles-Collection, sondern vielmehr eine - wie wäre es von Tori Amos anders zu erwarten - sehr persönliche Zusammenstellung von Tori Amos selbst, durch die sich ein roter Faden zieht. "Yes, Anastasia" vom zweiten Tori-Album, "Under The Pink", das zwei Jahre nach "Little Earthquakes" erschien, ist der zweite Song auf "Gold Dust", gefolgt von "Jackie´s Strength", das ursprünglich auf dem 98er Album "From The Quoirgirl Hotel" zu finden war.
"A Bouvier till her wedding day, shots rang out, the police came. Mama laid me on the front lawn and prayed for Jackie´s strength."
Die Songs von Tori Amos wurden ab 1992 als geniale Mischung aus Kate Bush und Joni Mitchell gefeiert. Themen bei Tori Amos: u.a. die Frau, das Patriarchat, Sexualität, Religion, Schicksalsschläge.
Ein Song über Jackie Kennedy, die Ermordung des US-Präsidenten John F. Kennedy im Jahr 1963. Das ist das Geburtstsjahr von Tori Amos. In den 70ern war Tori - damals noch Myra Ellen - also vernarrt in den US-Popstar David Cassidy, bevor sie ein großer Robert Plant Fan wurde.
"Stickers licked on lunch boxes, worshipping David Cassidy. Yeah, I mooned him once on Donna´s box."
Von Jackie Kennedy zu David Cassidy. It´s all in a song´s lyrics bei Tori Amos, der Pfarrerstochter aus North Carolina, die als Kind klassisches Piano lernte, später von der renommierten Musikschule Peabody Institute flog, weil sie sich zu wenig anpasste.
I´ve got 25 Bucks and a Cracker oder The Anti-Christ in the Kitchen is yelling at me - 20 Jahre Tori Amos

Amos
Tori Amos schlug sich dann jahrelang als Bar-Pianistin durch und sang in der Rockband Why Kant Tori Read. Letzeres Kapitel wollte die Künstlerin später ungeschehen machen, es passte einfach nicht zu jener Tori Amos, die die Welt nun kannte. "Warum sitzt denn die so komisch am Konzertflügel? So sitzt man doch nicht am Klavier, so verrenkt irgendwie", tuschelten manche, als Tori Amos irgendwann nach der Veröffentlichung von "Little Earthqukes" im Konzerthaus in Wien auftrat. Shut up, ihr versteht es einfach nicht, dachten sich die unter uns, die längst konvertiert waren zum Tori-Glauben. Anschreien wollten wir diese Leute, aber das ging ja wohl nicht im feierlichen Rahmen der Location. Eine gewisse Wien-Beziehung hatte Tori Amos bereits damals, spielt sie doch einen Konzertflügel der Marke Bösendorfer, einem Wiener Unternehmen, das später nach Japan verkauft wurde. Ein "Bösi" spielte Tori Amos auch Jahre später bei einer FM4-Radiosession im Radiokulturhaus in der Wiener Argentinierstraße. Die Songs von damals, etwa "Silent All These Years", hatten noch immer diese ganz besondere Kraft und Eindringlichkeit. Und sie haben sie auch jetzt noch, auf "Gold Dust", zusammen mit dem niederländischen Metropol Orchester, das so herrlich unaufdringlich agiert, nicht nur auf "Silent All These Years".
Gold Dust Woman

Amos
"Excuse me, can I be you for a while, my dog won´t bite if you sit real still...But what if I´m a mermaid in these jeans of his with her name still on it?" ("Silent All These Years", 1992)
Kein Orchester-Overkill also auf "Gold Dust", außer vielleicht bei den ersten Songs, etwa "Yes, Anastasia", aber das konzertante Werken hier zu beschneiden wäre bloß töricht, und Tori Amos, inzwischen fast 50 Jahre alt, scheint ihre Songs von früher noch immer genauso wie damals zu spüren, auch wenn sie längst eine, wie heißt dieses Wort nochmal, ah, wohlbestallte Ehefrau und Mutter der 12-jährigen Natashya ist, die die Mama am letzten Abum mit ihrer gesanglichen Mitwirkung fast wegblies. "Cloud On My Tongue" etwa, aus dem "Under The Pink"-Album ("No one cared to tell me where the pretty girls are, those demigods with their nine inch nails and little fascist panties.") oder "Precious Things" von "Little Earthquakes". Auch eine B-Seite, "Flying Dutchman" von "China", einer der 92er Singles, ist auch dabei auf "Gold Dust".
Und auch die späteren Songs leuchten und wecken die Tori-Begeisterung in mir neu, etwa das Titelstück "Gold Dust", vom 2002er Album "Scarlet´s Walk", dem siebten Album von Tori Amos, einem Konzeptalbum, auf dem Scarlet - eigentlich Tori - quer durch die USA reist, durch die post-September-11th-Staaten. Der Song zitiert etwa auch den 70er Jahre Kinothriller "Eyes Of Laura Mars".
Mirror Mirror, where´s the Crystal Palace?

Universal
"Gold Dust" ist bei Universal Music erschienen.
Tori Amos: "'Gold Dust' is about celebrating over 20 years of all the conversations that have happened which inspired many of these songs and it´s a collection of new recordings of where they are now and who they have become."
Weiters mit dabei ist ein Song vom 96er Album "Boys For Pele" - jenem Album, auf dessen Cover Tori Amos sich ein Ferkel an die Brust legt. "Marianne" heißt das Stück, für das sich die Künstlerin entschieden hat. Vom 07er Album "American Doll Posse" nimmt sie "Girl Disappearing" und "Programmable Soda". Letzteres hat etwas Musical-haftes an sich. Stichwort Musical: Tori Amos arbeitet zur Zeit an einem eben solchen. Und bevor sich da manche Nackenhaare aufstellen, so eine Bühnenproduktion muss nicht unbedingt das Böse schlechthin sein. Tori Amos schreibt Musik und Texte für eine Bühnenstück basierend auf "The Light Princess" - auf Deutsch "Die Lachprinzessin" -, ein Märchen des schottischen Dichters George MacDonald aus dem Jahr 1890. Das ist gar nicht so leicht, sagte Tori Amos im FM4-Interview kürzlich, wenn man beachtet, dass das Stück für junge Frauen im Teenageralter Bedeutung haben soll. Aufgeführt werden soll "The Light Princess" nächstes Jahr im Londoner Royal National Theatre.
Ein Wien-Konzert mit den Songs von "Gold Dust" ist vorerst nicht geplant. Rotterdam, Brüssel, London, Berlin und Warschau sind die glücklichen Orte. Aber Tori Amos plant noch weitere Re-Workings ihrer Songs, etwa von einem meiner Lieblinge, "Hey Jupiter", das ja bereits Arrangements für ein Streichquartett hat und durchaus noch Orchester-bereit gemacht werden könnte. Aber ein Über-Liebling ist ohnehin schon mit dabei: "Winter" aus "Little Earthquakes": "Snow can wait, I forgot my mittens, wipe my nose, get my new boots on." 20 Jahre Tori Amos, bitte noch mindestens 20 weitere.