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Katharina Seidler

Raschelnde Buchseiten und ratternde Beats, von Glitzerkugeln und Laserlichtern: Geschichten aus der Discommunity.

11. 9. 2012 - 19:30

Erwachsen? Wir doch nicht!

"The Vaccines come of age" - nein, Spaß, erwachsen werden wollen die Vaccines noch lange nicht.

Hunderttausende verkaufte Platten, Lob und Anerkennung in praktisch allen relevanten Musikmagazinen, eine Welttour mit den Red Hot Chilli Peppers, und all das innerhalb von zwei Jahren nach der Bandgründung – wenn man die Bilderbuchkarriere einer Rockband beschreiben müsste, so würde sie aussehen. Die Vaccines aus Großbritannien haben der Legende nach bereits ausverkaufte Konzerte gespielt, bevor sie überhaupt ein Album veröffentlicht hatten. Als ihr Debüt dann im Frühling 2011 erschienen ist, trug es die Erwartungshaltung des Pop-Feuilletons bereits im Titel: "What did you expect from the Vaccines?" Der Hype ging auf, die Band durch die Decke, man hat davon gehört.

The Vaccines

Roger Sargent

Das Rezept für den Erfolg der Vaccines ist einfach und effektiv und wird auch auf ihrem neuen Album beibehalten – klassisches Bandsetup (Gitarre, Schlagzeug, Bass, Gesang) eingängige Melodien, eine Handvoll bekannter Akkorde, Texte über Frauen, Jungsein und Partymachen. Dass man das Rad der Popmusik nicht ständig neu erfinden muss, davon war die Band seit jeher überzeugt.

So mancher Journalist wollte in den vier Briten, von denen einer eigentlich gebürtiger Isländer ist, gar die Rückkehr des Zeitalters der guten, alten Gitarre sehen. Als ob die Strokes, Franz Ferdinands und Libertines der Welt diese Rolle nicht schon längst übernommen hätten. Was man heute von den Vaccines und ihrem zweiten Album, das vergangene Woche erschienen ist, erwarten kann? "It´s a good Rock´n´Roll record", beschreibt Gitarrist Freddie Cowan die Platte kurz und bündig.

Dieser gute Rock´n´Roll-Record trägt zwar den Titel "The Vaccines come of age", bezieht sich dabei aber wieder nur mit ironischem Augenzwinkern auf diverse Erwartungshaltungen, die Menschen wie ihnen Mitte Zwanzig entgegengebracht werden. Erwachsensein? Nein danke.

Cover von "The Vaccines come of age"

Columbia Records

Die Generation "No Hope", gespiegelt in den Gesichtern junger Frauen: "The Vaccines come of age" ist am 3. September 2012 bei Columbia Records erschienen.

Allgemein schmeckt "The Vaccines come of age" um eine Spur weniger nach den Ramones, also weniger Ra Ra Ra-Punkpop als früher, und mehr nach den Strokes, also nach dem großen Pop-Gestus zeitgenössischen Indierocks.

Vaccines-Sänger und Frontman Justin Young zeigt sich erneut als sehr guter Songschreiber und schüttelt neben den üblichen Lückenfüllern eine gute Handvoll Hits aus dem Ärmel, allen voran die Eröffnungsnummer, erste Single und das gleichzeitig beste Stück des Albums "No Hope", dessen Bezug auf das alte Punk-Thema "No Future" auf diesen Seiten bereits gebührend verhandelt worden ist.

Als gute Indie-Platte ist dieses Album jedenfalls besser als solide, hat mit "Weirdo" (ewiges Jungendthema Außenseiter) und "Lonely World" auch ein paar Balladen mit an Bord und wird dem geneigten Hörer in den nächsten Monaten so manchen Ohrwurm bescheren. Nicht weniger, aber auch nicht mehr.