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Martin Pieper

radio FM4

Martin Pieper

Ist Moderator und Chefredakteur von seinem Lieblingssender. Hat sein Hobby zum Beruf gemacht.

5. 9. 2012 - 16:58

Maximale Ergriffenheit

Sigur Rós in der Wiener Arena: musikalische Sonnenaufgänge zum Händchen halten.

Ausverkauft, und das seit Monaten: Das spätsommerliche Sigur Rós Open Air in der Arena rund um das aktuelle Album "Valtari" fand unter den prächtigsten Bedingungen statt. Stehende Akkorde, nur unterbrochen von der zart zischenden Nebelmaschine begrüßen die Sigur Rós Gemeinde schon beim Einlass. Für noch mehr Stimmung sorgt eine Bühne voller elektrischer Glimmerlichter, die von ganz weit weg ein bisschen nach Grabkerzen (oder Grubenlampen) aussehen. Als die Band, inklusive Bläser und Streichersektion, die Bühne betritt, beginnt es auch an der rückwandfüllenden weißen Leinwand zu leben. Bäume, Meer, Wolken, Häuser, usw. - der Bildervorrat von Sigur Rós hat sich auch für die aktuelle Saison nicht rasend verändert.

Weitere Konzertreviews

Die Songs vom neuen Album fügen sich nahtlos in die Setlist, die quer durch die bisher sechs Studioalben führt. Gelegentlich hört man ein harsches "Psst" im Publikum, wenn sich jemand bei einer der ruhigeren Stellen schnäuzt oder unterhält. Ansonsten herrscht vor allem Einverständnis. Es ist definitiv ein Pärchenkonzert. Da wird gekuschelt und Händchen gehalten, auch die gelegentlichen Noise-Explosionen, die vom guten alten Weißlicht, das ins Publikum blendet, optisch unterstützt werden, sorgen nur für kurze Irritation. Auch wenn es laut wird, bleiben Sigur Rós doch immer im Rahmen des harmonisch verträglichen.

Das letzte Wien-Konzert von Sigur Rós zum vergleichsweise poppigen Vorgängeralbum endete noch mit Blasmusik und Konfetti-Regen. Ganz großes Theater. Diesmal hat man die Show optisch deutlich reduziert, auch wenn natürlich weiterhin ein ganzes Arsenal an Instrumenten wie Glockenspiel, Xylophon, Harmonium, Tuba oder Querflöte aufgeboten wird, um diesen speziellen Sigur-Rós-Moment zu erzeugen, der bei den einen zur Gänsehaut, bei den anderen zu Spott und Häme führt, ob all der Andächtigkeit und dem ewigen musikalischen Sonnenaufgang.

Sänger und Gitarrenstreichler Jonsi, nach seiner Soloplatte wieder eindeutig Teil eines größeren Ganzen, singt glockenhell wie eh und je zwischen singender Säge und Chorknabe. Seine Texte, die sich zwischen isländisch und lautmalerisch bewegen, wollen nicht verstanden, sondern gefühlt werden. An die überbordenden Federn und Kostüme der letzten Jahre erinnern nur ein paar Fransen seiner Jacke. Als sich die gesamten zwölf Musikerinnen und Musiker am Schluss vor dem Publikum verbeugen, liegt ein Hauch von Schulorchester über der Arenabühne. Die Pärchen gehen nach Hause weiterkuscheln. Der Sigur Rós Zirkus zieht weiter. Nichts Neues unter der isländischen Sonne.

Interview mit Sigur Ros

Natalie Brunner hat kurz vor dem Wien-Konzert von Sigur Ros mit dem Bassisten Georg Hólm gesprochen.

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