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Robert Rotifer London/Canterbury

Themsenstrandgut von der Metropole bis zur Mündung: Bier ohne Krone, Brot wie Watte und gesalzene Butter.

20. 7. 2012 - 15:14

Once In A Lifetime

Olympia-Blog Nummer zwei: Fackel schauen gegangen.

Neun Millionen sind eine gute Zahl.

Britische PolitikerInnen nennen diese Zahl immer, wenn sie sich in Interviews dafür rechtfertigen müssen, dass die Olympischen Spiele niemand interessieren oder begeistern, schon gar nicht außerhalb von London.

"Was ist mit den neun Millionen", sagen sie dann, "die sich up and down the country den olympischen Fackellauf angesehen haben? Die davon inspiriert und von der olympischen Idee mitgerissen wurden?"

Niemand weiß, wie diese neun Millionen Menschen gezählt werden, ob unschuldige Passanten auch gelten oder die Passagiere der Autos, an denen die Fackel vorbeifährt, wenn sie nicht laufend, sondern fahrend transportiert wird, was angesichts der mäandernden Reise, die sie in den letzten Wochen durch das Vereinte Königreich zurücklegen musste, gar nicht anders möglich war.

So viele so schnelle FackelläuferInnen hätte es dann auch nicht gegeben, rund 8000 an 63 Tagen sind auch schon genug, und wenn die Fackel heute von einem Helikopter auf den Tower of London abgeseilt wird, ist dann auch bald Schluss mit dem Theater, das ja interessanterweise erst Nazi-Deutschland zu Anlass der Olympischen Spiele 1936 erfunden hat.

Soviel zu den Wurzeln einer äh... großen Tradition.

Canterbury wartet auf die Fackel

Robert Rotifer

Da standen gestern schon ein paar Leute herum, das kann man nicht abstreiten, und sie wirkten mir alle tatsächlich einigermaßen inspiriert.

Ich würde nun gerne auf die offizielle Website des Olympischen Fackellaufs hinweisen, aber absurderweise ist die Organisation der Spiele derart paranoid, dass man nicht einmal ohne Genehmigung dorthin verlinken darf.

Moment, ich schau gerade einmal nach...

Aha, wie da zu lesen ist, waren's mittlerweile schon 10,2 Millionen FackelschauerInnen, und vermutlich war ich sogar einer davon, gestern kam die Sponsorenkaravane samt Fackel nämlich bei unsereiner in Canterbury vorbei..

Coca Cola-Claqueure

Oskar

Canterburys Straßen sind für die Sponsorenwagen zu eng, daher musste der bekannte Sprudelfabrikant seine rot gewandeten Claqueurinnen zu Fuß durchschicken

An dieser Stelle sollte ich darauf hinweisen, dass die Fackel von dem/der jeweiligen TrägerIn nach Übergabe der Flamme an die nächste Fackel entweder wieder zurückgegeben oder käuflich erworben werden kann, und zwar um 199 Pfund, umgerechnete 254 Euro.

Einige FackelläuferInnen sind das eher unansehnliche, teure Ding postwendend auf Ebay um ein Vielfaches des Kaufpreises wieder losgeworden, manche für wohltätige Zwecke, andere für sich selber.

Graue Security für die Fackel

Oskar

Wer genau schaut, sieht hinter dem rechten Ohr der blonden Läuferin im Vordergrund die Fackel um die Ecke biegen

Zuerst zeigte sich LOCOG, das olympische Organisationskomitee über diese Würdelosigkeit entrüstet, dann kam heraus, dass LOCOG selbst überzählige, von kaufunwilligen FackelträgerInnen retournierte Fackeln ganz genauso online verhökert.

Der Privatverkauf hat also nur den Marktwert gesenkt, das war wohl das Störende.

Nachdem bei den Olympischen Spielen auch sonst keine Gelegenheit zum Geldverdienen ausgelassen wurde, entspricht auch dieser als Heuchelei deutbare Aspekt jedenfalls voll und ganz dem Geist des Ereignisses und ist somit nur zu begrüßen.

Leider hatte ich ja gestern keine Zeit, mir die Prozession zu Ende anzusehen, aber mein Sohn hat die Fackelläuferin dann noch erwischt, als sie in die Castle Street eingelaufen ist. Schön.

Fackelträgerin läuft vorbei

Oskar

A once-in-a-lifetime experience, wie es so schön heißt. Die Tour de France, muss ich schon sagen, konnte aber eindeutig mehr.