Erstellt am: 28. 5. 2012 - 14:39 Uhr
Seuche Powerpoint
Es ist zum Inbegriff der Präsentationssoftware geworden, wie Uhu für Kleber oder Tempo für Taschentücher: Powerpoint. Schätzungsweise dreißig Millionen Präsentationen werden damit täglich erstellt. Seit Mitte der 1980er Jahre ist es im Umlauf, als Microsoft es seinem Officepaket hinzufügte. Sehr beliebt ist es von Anfang an beim US amerikanischen Militär. Offiziere malen ihre Strategien und Operationen gern per Beamer an die Wand. Fern von militärischen Belangen kommt der graphisch ungeschulte Durchschnittsuser zu meist mangelhaften Ergebnissen, wissen leidgeplagte Zuhörer von Präsentationen schon seit Jahren. Das Programm verführt den Anwender aufwändige Effekte oder unzählige Schriftarten auszuprobieren und Wortwüsten zu produzieren.
Powerpoint für Rede-Angsthasen

Matthias Pöhm
Powerpoint verletzt zwei Grundprinzipien der Rhetorik, ist der deutsche Rhetoriktrainer Matthias Pöhm überzeugt. So tötet das Programm einerseits die Spannung, weil man Texte und Informationen bereits sieht, bevor sie im Vortrag erwähnt werden. Viel besser sei es Wörter oder Skizzen live während eines Vortrags entstehen zu lassen, etwa auf einem analogen Flipchart. Powerpoint verleite außerdem zur Substantivierung und zur Schaffung von Wortmonstern.
Doch wenn jeder gute Rhetorikverstand gegen das Programm spricht, warum hat Powerpoint dann in den letzten Jahrzehnten so einen Siegeszug durchgemacht? Für den in der Schweiz lebenden Rhethoriktrainer ist es vor allem eine Modeerscheinung. "Vorher hatte man den Overhead-Projektor, dann kam plötzlich dieses super Programm, das als Inbegriff des Modern-Seins galt." Gehalten hätte es sich, weil aufwändig gestaltete Präsentationen sehr gut vom Redner ablenken würden. "Powerpoint kaschiert die Angst vor dem Vortragen, vor der freien Rede ideal. Das Programm erzeugt einen guten Schutzschild", ist Pöhm überzeugt.
Antipowerpoint Partei als PR Aktion
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Um etwas gegen die grassierende Seuche zu unternehmen, hat Matthias Pöhm vor einem Jahr die Anti-Powerpoint Partei gegründet. Das Programm erzeuge jährlich einen volkswirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe, da PowerPoint Präsentationen wertvolle Arbeitszeit vernichten würden. Fertigfolien seien deshalb zu verbieten, lautet die Hauptforderung der Partei. Matthias Pöhm machte mit dieser Initiative Schlagzeilen um den ganzen Globus. Eine geschickte PR Aktion für den Seminarleiter und Buchautor, wie er selber zugibt.
Dennoch 2.700 Mitglieder hat die Partei. Für die Teilnahme an den Schweizer Nationalratswahlen im Herbst 2011 hat es aber nicht gereicht. Was den Webtraffic anbelangt, hat Pöhms kleine Partei die etablierten Schweizer Parteien allerdings für ein paar Wochen überholt. Derzeit ist wieder Ruhe eingekehrt. Für die nächsten Parlamentswahlen in drei Jahren will der Rhetoriktrainer die Partei aber wiederbeleben.
Wer sich fundierter mit dem Phänomen Powerpoint auseinandersetzen will, dem sei das Buch Powerpoint: Macht und Einfluss eines Präsentationsprogramms von Wolfgang Coy und Claus Pias empfohlen.