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Trishes

Beats, Breaks und Tribe Vibes - oder auch: HipHop, Soul und staubige Vinyl-Schätze.

24. 5. 2012 - 17:03

Dystopischer Filmsoundtrack ohne Film

Mit dem Album-Projekt Drokk zieht uns Geoff Barrow von Portishead akustisch in die düstere Zukunftswelt der Mega-City One von Judge Dredd hinein. Sogwirkung mal Tausend!

In den Neunzigern war er bei Portishead für die staubigen Samples und Drumloops zuständig, dann hielt er sich dem aktiven Musikgeschäft viele Jahre weitgehend fern. Jetzt meldet sich Geoff Barrow gleich mit drei Alben in drei Monaten umso facettenreicher und lautstark zurück. Nach dem großartigen HipHop-Projekt Quakers, das im April erschien, liegt der Fokus jetzt auf Drokk. Das ist der Name eines fast ausschließlich mit analogen Synthesizern eingespielten fiktiven Soundtracks zur Comic-Welt von 2000AD, der auch Judge Dredd entstammt.

Geoff Barrow

Geoff Barrow

Ursprünglich hätten Geoff und sein Filmkomponisten-Freund Ben Salisbury ja tatsächlich den Soundtrack zu einer dieses Jahr erscheinenden Neuverfilmung des Stoffes unter dem Namen Dredd beitragen sollen. Als daraus nichts wurde (ohne böses Blut, wie Barrow im Interview immer wieder betont!), beschlossen die beiden, das Album trotzdem fertigzumachen. Und vielleicht ist das für die Musik auch besser so, denn Drokk klingt kompromissloser, als man es einem Filmsoundtrack 2012 zutraut.

Dass Geoff Barrow ein Comic-Fanatiker ist, ist eine bislang kaum bekannte Facette des Musikers aus Bristol. Alles begann damit, dass seine Großmutter in einer Trafik arbeitete und dem jungen Geoff wöchentlich ein Comic mitbrachte. Irgendwann in den frühen Achtzigern sollte es dann einmal ein Heft aus der 2000AD Serie werden, die Geschichten aus der dystopischen Mega-City One erzählt. Geoff Barrow war ob des als Science Fiction getarnten Kommentars zu damaligen gesellschaftlichen Entwicklungen begeistert und nennt 2000AD heute als wichtigen Einfluss, in einem Atemzug mit Musikern wie Public Enemy oder Eric B & Rakim.

Mit der starken Erinnerung im Kopf, fehlten ihm und Ben Salisbury nur noch die richtigen Analog-Synthesizer, um den Sound der Mega-City One richtig einzufangen. Bei der Auswahl griff Geoff sein Portishead-Bandkollege Adrian Utley kräftig unter die Arme, man entschied sich schließlich, wegen des Onboard-Sequenzers und des tollen Klangs für den Oberheim 2 Voice.

Drei Oberheim Synthesizer im Studio

Geoff Barrow

Studio-Impressionen mit den drei Oberheims aus Geoff Barrows Twitter-Feed.

Weil die Platte weitgehend live eingespielt ist, wird das Drokk Projekt mit den drei Oberheims und zwei weiteren Synthesizern bald Konzerte spielen - die Premiere fand letzte Woche in einem Londoner Comic-Laden statt. Was man im Instrumentarium der Band vergeblich sucht, ist interessanterweise Schlagzeug - egal ob analog oder digital. Obwohl Geoff Barrows bisherige musikalische Ausflüge immer rhythmusbetont waren, fand er es spannend, für Drokk auf Drums weitgehend zu verzichten.

Zu frühen Portishead Zeiten waren Soundtracks für Geoff Barrow immer eine wichtige Inspirations- und auch Sample-Quelle. Kürzlich hat er mit seinem Label Invada Records die Vinyl-Ausgabe des Drive-Soundtracks veröffentlicht, mit Banksy’s Exit Through The Gift Shop und eben Drokk wird Barrow immer öfter auch selbst als Soundtrack-Musiker aktiv. Obwohl ihn diese Arbeit sehr fasziniert und er sich gut vorstellen kann, das in Zukunft öfter zu machen - Priorität hat in naher Zukunft das vierte Album seiner "Hauptband" Portishead, an dem das Trio ab Herbst arbeiten wird. Und darauf kann man sich wohl auch wieder freuen!