Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Musikdämmerung am Götterbahnhof"

Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

8. 5. 2012 - 14:07

Musikdämmerung am Götterbahnhof

Das dänische SPOT Festival in Aarhus setzt dieses Jahr vermehrt auf ganz junge Bands, einen neuen Veranstaltungskomplex und viel Sonne.

"... Because the only thing that stays the same,
Is that everything must change ..."

(Matt Johnson, "Phantom Walls")

Das Spot Festival, ein Garant für einen vielseitigen Überblick über die neuesten und besten dänischen Acts, stand bei seiner diesjährigen, achtzehnten Ausgabe unter einer schwierigen Sternenkonstellation. Denn wer, außer vielleicht Frau Gerda Rogers, hätte schon damit rechnen können, dass die dänische Fluglinie Cimba Sterling ausgerechnet am offiziellen Eröffnungstag des Festivals Pleite geht? Da kann man sich schon vorstellen, was das für die Veranstalter bedeutet, wenn nicht nur Delegierte, Businessvertreter, sondern auch viele Bands plötzlich ohne Flugticket dastehen.

Museum von Aarhus im Abendlicht

Andreas Gstettner

Das Kunstmuseeum von Aarhus hit den spektakulären "rainbow panorama walk".

Und auch die Wirtschaftskrise hat vor dem sonst finanziell recht gut unterstütztem skandinavischem Musikveranstaltungs- und Exportbüro nicht Halt gemacht. Nicht zuletzt deshalb verlegte man das Zentrum des Festivals in eine neue Location, dem neu aufgebauten, ehemaligen Bahnhofsgebäude Godsbanen. Ein Komplex mit über zehn Bühnen, die von kleinen "Konzertkämmerchen" bis zu großen Sälen wie der Blackbox reichen. Ebenfalls spektakulär: die im wahrsten Sinne des Wortes schräge Dachkonstruktion, die auch mit DJ-Musik beschallt und aufgrund des sonnigen Wetters gut genutzt wurde.

Das neue SPOT Festival Konzertzentrum "Godsbanen"

Andreas Gstettner

Das Dach des neuen SPOT festival-Zentrums, "Godsbanen".

Bei über 40 Bands pro Tag und aufgrund des neuen, teils überfüllten Konzertkomplexes, bei dem die Organisation noch nicht ganz ausgereift war, konnte ich leider nur einen kleinen Teil der Bands sehen. Trotzdem war schnell klar, dass der Fokus dieses Mal auf ganz jungen Bands lag, die sich oft erst vor zwei Jahren gegründet, vielleicht eine EP veröffentlicht haben und die Chance hatten, sich bei dem ausverkauften Festival in der Dänischen Hafenstadt vor internationalem Publikum zu präsentieren. Dementsprechend erinnerte die Stimmung in dem neuen Areal auch mehr an eine Musikmesse als an ein herkömmliches Festival.

Inside the SPOT Festival, das neue Zentrum "Godsbanen" von innen

Andreas Gstettner

Young Folk Sounds

Auch wenn bei gleichbleibender Quantität der Acts die Qualität im Vergleich zum Vorjahr nicht ganz mithalten konnte, gab es gleich zu Beginn einen wundervollen Moment. Nämlich als die deutsch-dänische Kooperation Masha Qrella und Dangers Of The Sea ihre in nur zwei Tagen geprobte Show zum Besten gaben. Die zarten Indie-Folksongs der Dänen schmiegten sich perfekt zu den rhythmischen Popsongs der deutschen Sängerin. Alles war wie aus einem Guss und wurde mit einer erfrischenden Selbstverständlichkeit und Professionalität vorgetragen. Ein Song wie "Seher Desperation" von Dangers Of The Sea ist ein perfektes Beispiel für das Stimmungsvolle Set, das den Saal begeisterte.

Bandfoto Masha Qrella & Dangers Of The Sea

Masha Qrella & Dangers Of The Sea

Die deutsche Singer/Songwriterin Masha Qrella und die dänische Band Dankes Of The Sea.

Ebenfalls im folkigen Bereich angesiedelt und erst ein Jahr alt ist das Projekt NovemberDecember. Fünf junge Musiker, die auf wunderschön mehrstimmige Gesangslinien, treibende Rhythmik und clevere Arrangements setzen. Für den Auftritt beim SPOT Festival haben sich NovemberDecember ein Streichquartett und zwei Bläser auf die Bühne geholt, die den Songs eine zusätzliche Tiefe gegeben haben. Wenn diese Jungs hier nach nur einem Jahr schon derart Beachtliches auf die Beine stellen konnten, dann darf man gespannt sein, was sie nächstes Jahr beim Spot präsentieren werden.

Bandfoto NovemberDecember

NovemberDecember

Die junge, dänische Folgeband November/December.

Foreigner In A Foreign Land

Das SPOT Festival ist nicht nur ein guter Ort, um sich erfolgversprechende dänische Musiker anzusehen, sondern sich auch in das eine oder andere Projekt von Norwegen, Finnland oder Island zu vertiefen. Für mich herausgestochen sind The Megaphonic Thrift aus Bergen. Der unglaublich wuchtige Gitarrennoise, der druckvoll über den Köpfen des Publikums in der Voxhall ausgebreitet wurde, erinnerte stark an ihre Landsleute Motorpsycho, wobei eine Spur mehr Sonic Youth und My Bloody Valentine aus dem dichten Soundgewitter herauszuhören war. Der Gesang ist dabei tief in die Noisewand eingebettet, explosionsartige Lärmkaskaden werden nur selten von ruhigeren Passagen unterbrochen. Alles in allem ein gewaltiges Set des Norwegischen Quartetts.

Foto The Megaphonic Thrift

Rasmus Weng Karlsen

Sehen böser aus als sie sind. Die Norweger The Megaphonic Trift und ihre unbändige wall of sound.

Wie seit einigen Jahren präsentierte sich auch diesmal eine heimische Band am Spot. Ursprünglich sollten die Burgenländer Garish mit dem großartigen Il Tempo Gigante, dem Gitarren-Loop-Wunderwuzzi aus Kopenhagen, zusammen ein Konzert geben. Doch leider musste der Gitarrist absagen. So bestritt das österreichische Quintett alleine den Festivalgig und brillierte dabei durch ihr ungezwungenes Auftreten, ihre unglaubliche Tightness und zugleich verspielte Leichtigkeit, charmante Bühnenansagen in "Denglich" und stellten somit wieder einmal unter Beweis, dass Garish noch immer zu einer der besten Bands dieses Landes zählen. Auch wenn dieser Gig die laufenden Studioarbeiten am neuen Album unterbrochen hat, lohnte es sich für die fünf Burgenländer, stand doch anschließend eine Akustik-Session und Interviews für renommierte deutsche Musikzeitschriften am Programm.

Garish am SPOT Festival

Andreas Gstettner

Garish beim SPOT Festival.

On And Off The Venue

Ebenfalls eine Neuheit am diesjährigen SPOT Festival waren die Off-Venue Shows, die von Mittags bis spät in die Nacht in diversen kleinen Clubs der Stadt über die Bühne gingen. Eine absolute Entdeckung dabei war Marie Fjeldsted alias Penny Police, die vor kurzem ihr Debüt "The Broken, The Beggar, The Thief" veröffentlicht hat. Ihre zerbrechliche Stimme, die reduzierten Popsongs und die unaufdringliche Art ihrer Performance hat den kurzen Auftritt im gemütlichen Wohnzimmerclub HeadQuarters zu einem echten Erlebnis gemacht. Eine echte Empfehlung ist sich das schöne und berührende Video zu "What If Live Doesn't Kill You?" anzuschauen.

Penny Police Off-Venue beim Spot Festival

Andreas Gstettner

Die Off-Venu Show von der jungen Sängerin Marie Fjeldsted alias Penny Police im Wohnzimmerclub HeadQuater.

Auch ein Highlight, der Off-Venue Nachmittag im idyllischen Hof der V58 Galerie, wo bei Sonnenschein und gemächlichem Wind es sich viele Festivalbesucher mit Essen und Getränken auf dem Boden gemütlich machten, um unter anderen den wundervollen Klängen von Mads Björn zu lauschen. Der sympathische und eher schüchtern wirkende Musiker aus Aarhus hat mit "Monolith" ein glitzerndes, feingliedriges und ausgesprochen tief gehendes Debüt produziert, sich sich im Schnittbereich Indie, Electronica und Pop bewegt. Seine anschließende Show in der vielleicht besten Location des Spot Festival, im dunklen Saal des Atlas, bestach durch einen perfekten Sound. Neben Mads an der Gitarre und am Keyboard wurde er von einem Schlagzeuger unterstützt, der auch Samples ansteuerte, ein weiterer Gitarrist und ein zusätzlicher Keyboarder brachten die Live-Show recht nah an die ausgefeilte Studioproduktion.

Mads Björn bei einer Off-Venue Show beim Spot Festival

Andreas Gstettner

Mads Björn spilt seine mittägliche Off-Venue Show bei strahlendem Sonnenschein in einem kleinen Hof in Aarhus.

'Cause I'm A Believer

Unter den größten Acts, mit denen das Spotfestival aufwartete, waren die dänischen Lieblinge Choir Of Young Believers. Mit ihrem Debüt "This Is for the White in Your Eyes" konnte die Band um Songschreiber Jannis Noya Makrigiannis einige Musikpreise und vor allem viel Lob bei der Musikpress abstauben. Nach vielen Konzerten auf Festivals folgte der Deal mit dem amerikanischen Label Ghostly International, auf dem auch das brandneue Werk "Rhine Gold" erschienen ist, das Chor Of Young Believers im Rytmik Sal des Aarhus Musikhauses präsentierten. Wer noch immer Songs wie "Action/Reaction" im Kopf hatte, der dürfte wie viele andere Fans auch mit offenem Mund vor der Bühne gestanden haben, den Kopf nicht zum Beat, sondern eher zur Seite hin und her schüttelnd. Denn was die Kopenhagener Band sich auf der neuen Platte "erlaubt" stoßt einige vor den Kopf.

Mit "Rhine Gold" sind sie in die 1980iger abgetaucht, in teils reduzierte, teils schmachtende Pophymnen, in denen alles - vom orientalischem Flair bis hin zu exzessiven Krautrocklängen - alles ausprobiert werden darf. So fühlte man sich manchmal in dem Live-Set ein bisschen verloren und wartete gespannt darauf, wo die musikalische Reise wohl hingehen mag. Dass die Chor Of Young Believers viel an ihrem Sounds getüftelt haben, hört man bei jedem einzelnen Ton, der mit treffsicherem Style auf die anderen abgestimmt wurde. Daher erklärt sich vielleicht auch ein gewisses Gefühl der Distanziertheit, dass sich bei dem dunklen und nebeligem Bühnenauftritt einstellte. und trotzdem, diese Band wagt sehr viel und gewinnt dadurch auch viel an Boden. Denn einen Song wie "Paint New Horrors" zu komponieren, das muss man sich erst einmal trauen.

Acoustic Session in Aarhus von Choir Of Young Believers

Thorsten Iversen

Die Choir Of Young Believers hier bei einer Off-Venue Acoustic-Session während des Festivals

Eines der letzten Highlights bot der Auftritt der Raveonettes. Vor genau zehn Jahren hat das Rock-Duo Sune Rose Wagner und Sharif Foo seine Karriere beim Spot Festival gestartet. Such diesen Auftritt ergaben sich weitere Show, die erste Acht- Song-EP "Whip It On" wurde produziert und kurz darauf entstand mit Produzent Richard Gottehrer das Debüt "Chain Gang Of Love". Vier Alben später wird die Originalbesetzung von The Raveonettes im vollgestopftem großen Saal im Musikhaus wie die Heimische Fußballmannschaft beim EM Finalspiel eingeklatscht. In der rund dreißig minütigen Show brettert die Band durch sämtliche Songs ihrer ersten EP, eine kleine Reminiszenz an die Anfänge vor zehn Jahren. Und das war den meisten Zuschauern eine eineinhalbstündige Wartezeit vor den Toren des Saales Wert. Das sagt eigentlich schon alles.

Bandfoto live on stage The Raveonettes

Thorsten Iversen

The Raveonettes beim SPOT Festival 2012.

2012 war eine große Herausforderung für die Organisatoren des SPOT Festivals. Weniger Geld und gleich eine riesige neue Location. Auch wenn an der Organisation Vorort noch gefeilt werden und sich auch die Auswahl der Newcomer und Etablierten wieder gut einspielen muss, war die achtzehnte Ausgabe des dänischen Festivals ein großer Erfolg der garantiert, dass es nächstes Jahr wieder ein SOPT in Aarhus geben wird. Und darauf kann man sich jetzt schon freuen.

Aarhus Stadzentrum

Andreas Gstettner

See you next year, SPOT Festival!