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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

13. 4. 2012 - 16:48

Geht es überhaupt ums Urheberrecht?

Die Urheberrechtsdiskussion erschöpft sich im Moment in Reizwörtern und Ideologien.

Die Urheberrechtsdebatte kocht wieder auf großer Flamme. Auslöser für die aktuelle Welle war Sven Regeners Erregung in der bayrischen Radiosendung Zündfunk. Regeners Aussagen unterscheiden sich nicht besonders von anderen, etwa dem offenen Brief von 51 Tatort-AutorInnen, und auch die Reaktionen darauf sind ähnlich. Auf beiden Seiten der Debatte erkennt man beleidigte, eingeschnappte und sich angegriffen fühlende Personen. Regener etwa sieht sich als Verteidiger des Urheberrechts als uncool und bekommt das prompt in dutzenden Blogeinträgen und Kommentaren bestätigt. Die Urheberrechtsdiskussion wird fast nur mehr in Reizwörtern geführt

Urheberrechtsdiskussion: Eine Zusammenfassung

In einem lesenswerten Artikel bezeichnet Sascha Lobo diese Reizwörter als "entlarvende Kampfbegriffe", die erbärmlich seien und die ihre Verwender disqualifizieren.

Die Urheberrechtsdebatte ist voll von Pauschalisierungen und Vorurteilen. Das beginnt schon bei den Kontrahenten in der Debatte. Mit dem Begriff "Netzgemeinde" wird die heterogene Gruppe der InternetuserInnen undifferenziert in einen Topf geworfen. Auf der anderen Seite steht die "Contentmafia", ein Begriff, der nicht nur den großen Einfluss der Plattenfirmen, Filmstudios und Verwertungsgesellschaften ausdrücken soll, sondern ihnen auch dubiose Praktiken unterstellt: dass sie KünstlerInnen ausbeuten etwa oder gegen FilesharerInnen unangemessen brutal vorgehen.

Versachlichung der Diskussion

In Diskussionen, in denen man versucht, diese Reizwörter zu vermeiden, kommt man sehr bald zu der Einsicht, dass eigentlich niemand das Urheberrecht selber in Frage stellt (hier etwa die Position der bayerischen Piratenpartei zum Urheberrecht). Zum Großteil herrscht Konsens darüber, dass das Urheberrecht einerseits den KünstlerInnen eine Verwertung ihrer Werke ermöglichen, andererseits aber nicht die Kreativität und den Austausch von Wissen verhindern soll.

Ilias Dahimène, Betreiber des Indie-Labels Seayou Records steht in der Urheberrechtsdiskussion zwischen den Stühlen. Einerseits kennt er als Label-Betreiber die Probleme der Branche, vertritt aber auch einen DIY-Ansatz und lädt als Web-User genauso Dateien runter wie alle anderen auch.

Ilias von Seayou Records

fm4 / egger

Ilias Dahimène im FM4-Studio

Das Urheberrecht ist nicht das Problem

Die Dauerdiskussion um das Urheberrecht sieht Ilias als einen Verteilungskampf. Die Umsätze in der Musikbranche sind seit ihrer Hochzeit Ende der 1990er zurückgegangen und die Industrie hat die illegalen Downloads und die Heranbildung einer "Gratiskultur" dafür verantwortlich gemacht. Die vielfache Konsequenz daraus war es, die DownloaderInnen abzumahnen oder ihnen mit Netzsperren zu drohen. Für Ilias der falsche Ansatz.

Einerseits belegen die Stückverkaufszahlen bei Musik, die schon wieder das Niveau wie vor einem Jahrzehnt erreicht hätten, dass es diese "Gratiskultur" gar nicht gäbe. Andererseits sei es ein falscher Ansatz die eigenen KundInnen zu verklagen. "Die Musikindustrie hat sich da quasi selber in ihr böses Eck gestellt."

Künstler haben die lauteste Stimme

Die Aspekte der Musikindustrie werden aber nicht nur von den Plattenfirmen vorgebracht, sondern häufig auch von den KünstlerInnen selbst, weil die besser gehört werden. Ilias Dahimène versteht, dass auch sie Verlustängste haben, sieht sie aber unbegründet.

"Ich finde das ziemlich abstoßend, wenn man dann Künstler als arme Opfer darstellt, was de facto überhaupt nicht stimmt. Künstler haben vor Download- und Internet Zeiten nicht mehr oder weniger verdient als heute. Ich glaube, an der Situation der Künstler hat sich am allerwenigsten geändert im Bezug auf Content."

Zumindest nicht im negativen Sinn. Das Internet hätte KünstlerInnen sogar mehr Möglichkeiten eröffnet, mit ihren Produkten Geld zu verdienen, ob mit Direktdownloads, Merchandise-Verkäufen oder Sync-Rechten. In den USA habe sich dadurch eine künstlerische Mittelschicht herausgebildet, erstmals in der Geschichte.

Industrie in Bringschuld

UserInnen wollen möglichst bequem an ihre Inhalte kommen, was auf legale Weise jahrelang nicht möglich war. Für Musik habe sich das mittlerweile geändert, und die Angebote werden angenommen, ob auf iTunes, Amazon oder Spotify. Die Handelsspannen von den Online-Stores würden sich nicht großartig von denen im Plattenladen unterscheiden, so Ilias, der Preis für das Produkt allerdings schon. Downloads wären billiger als CD-Verkäufe, und je mehr sich das Geschäft ins Netz verschiebt, desto mehr geht auch der Umsatz der Musikindustrie zurück, auch bei gleichbleibendem Absatz.

Für Filme und Serien stehe dieser Wandel noch bevor. UserInnen greifen hier mangels Angebot zwangsweise noch auf dubiose Kanäle zurück. Hier habe die Industrie noch eine Bringschuld, geeignete Plattformen aufzubauen. Einerseits für die UserInnen, damit die überhaupt die Möglichkeit bekommen, Leistungen legal in Anspruch zu nehmen. Andererseits für die KünstlerInnen, damit sie an ihren Werken auch etwas verdienen können.

Für Ilias sollten vor allem die großen Contentanbieter wie YouTube dazu gebracht werden, angemessene Vergütung für die Inhalte zu bezahlen. Für Ilias ist also nicht unbedingt das Urheberrecht reformbedürftig, sondern die Verwertungsebene.