Erstellt am: 12. 3. 2012 - 14:33 Uhr
68.000 Unterschriften gegen Vorratsdaten
Im Dezember hatten die Initiatoren über 4.000 Unterschriften auf Papier zusammengetragen und dann die neue Möglichkeit einer Online-Petition auf der Website des Parlaments genützt. Binnen weniger Tage waren die ersten 20.000 Unterzeichner da.
Heute Morgen hatte die Petition "Stoppt die Vorratsdatenspeicherung" der Bürgerinitiative AK Vorrat Österreich 68.000 Unterschriften übersprungen. Gerade wird sie vom Petitionsausschuss des Bundesrats einer offiziellen Kenntnisnahme zugeführt. Doch was passiert dann damit?
"Solange sich der Ausschuss mit der Petition beschäftigt, läuft sie online weiter" sagte Andreas Krisch, Obmann des Arbeitskreises Vorratsdatenspeicherung zu ORF.at. Im AK Vorrat hat sich - nach deutschem Vorbild - eine ganze Reihe von Organisationen zusammengeschlossen, die anlassloses Speichern von Kommunikations- und Bewegungsdaten ablehnt.
Hearing angestrebt
Nach der Kenntnisnahme der Petition durch den Ausschuss des Bundesrats werde dieser die weitere Vorgangsweise beraten. Welche Stellungnahmen man einholen werde und ob es zu einem Hearing komme. "Darauf hoffen wir natürlich", sagt Krisch, "dass Vertreter des AK Vorrat persönlich vortragen können."
Andreas Krisch ist auch langjähriger Vorsitzender von European Digital Rights, dem Dachverband von 28 unabhängigen Datenschutz-Organisationen aus 18 europäischen Staaten.
Was da nun en detail beschlossen wird dauert jedenfalls eine Zeit lang, das nächste Mal tagt der Petitionsausschuss nämlich erst am 31. Mai. Dass diese Petition, die mehr Unterzeichner hat, als alle anderen 40 Petitionen auf der Tagesordung zusammen, am Montag sang- und klanglos schubladisiert wird, glaubt Krisch nicht. Und: "Bis 31. Mai sind 100.000 Unterzeichner zu schaffen, sagt die aktuelle Statistik, der Zustrom geht ungebrochen weiter".
Österreich und Deutschland
Mit einigem Stolz verweisen die Akteure von AK Vorrat Österreich darauf, dass die österreichische eine ähnliche Petition an den deutschen Bundestag im vergangenen Herbst in absoluten Zahlen sogar überholt habe. Der Unterschied liegt in den parlamentarischen Gepflogenheiten: Im Deutschen Bundestag dürfen die Initiatoren der betreffenden Petition ihr Begehr ab 50.000 Unterzeichnern zum Vortrag bringen.
Laut Krisch sind die Sitzungen des Petitionsausschusses im Bundesrat per se nicht öffentlich, man hoffe natürlich auf größtmögliche Öffentlichkeit, denn schließlich gehe das Thema "Vorratsdatenspeicherung" ja alle an.
Genese einer Verspätung
Die umstrittene EU-Richtlinie, deren Umsetzungen in nationale Gesetze von den Verfassungsrichtern in Deutschland, Tschechien, Zypern, Bulgarien und Rumänien bereits als verfassungswidrig erkannt und für ungültig erklärt wurden, wird in Österreich mit ziemlicher Verspätung umgesetzt.
Zeichnemit.at
Die Plattform AK Vorrat ist nach deutschem Vorbild parteiübergreifend. Bei Redaktionsschluss dieses Artikels war die Zahl der Unterzeichner bereits auf 68.300 geklettert.
Mitten in die ersten Gesetzentwürfe des damit beauftragten Ludwig Boltzmann Instituts für Menschenrechte fielen die negativen Urteile der Höchstrichter in EU-Staaten rund um Österreich. Der Umstand, dass die beiden Jahre der Vorratsdatenspeicherung in Deutschland in der Kriminalstatistik völlig ohne Auswirkungen geblieben sind, gab den damit befassten heimischen Politikern und Strafverfolgern offenbar ebenfalls zu denken.
Rare Bekenntnisse
Politische Bekenntnisse zu diesem umstrittenen Bündel von Maßnahmen zur Vorabüberwachung, die allerdings auch von durchschnittlichen Benutzern leicht umgangen werden können, waren denn hierzulande rar.
Allenfalls äußerten Polizeivertreter und Ministerialjuristen Zustimmung zur Vorratsdatenspeicherung. Freilich nicht zur Verfolgung jener Täter, zu deren effizienteren Bekämpfung die Richtlinie eingeführt worden war, nämlich Terroristen und organisierte Kriminelle, sondern gegen kleine bis mittlere "Internet-Betrüger".
Die Grundlage für die europaweite Einführung der Vorratsdatenspeicherung wurde bereits im November 2001 erstellt. Der EU-Ministerrat beschloss, dass Mitgliedsstaaten die anlasslose Speicherung von Verkehrs- und Kommunikationsdaten anordnen können. Das war insofern notwendig, als im EU-Recht genau diese Maßnahme bis dahin strikt verboten war.
Kleinbetrüger statt Terroristen
Diese Spezies von Kriminellen könne man über ihre in den Vorratsdaten enthaltenen IP-Adressen sehr wohl ausforschen, sagte ein Oberstaatsanwalt am Rande einer TV-Diskussion vor einem Jahr zu ORF.at.
Und die zahlreichen Umgehungsmöglichkeiten zumindest im Internetbereich über Webmail-Anbieter, Proxy-Server außerhalb der EU, Skype und Internettelefonie überhaupt? Diese Art von Betrügern zeichne sich gerade nicht durch technisches Wissen aus, die Intelligenz sei in den meisten Fällen unterdurchschnittlich, das zeige die Berufspraxis, so der Oberstaatsanwalt.
Kevin und Sandra Normalbenutzer
Noch weitaus mehr Datenspuren als solche Betrüger hinterlassen jene, "die nichts zu verbergen haben" aber viel zu kommunizieren: Von Sandra und Kevin Normalbenutzer angefangen, über Franz und Elfriede Mayer bis zu Vielkommunizierern in Firmen und Anwaltsbüros bis hinauf in die oberen Management-Etagen.
Diese Datensätze sind, wenn sie ein halbes Jahr lang aggregiert wurden, so aussagekräftig, dass sich daraus automatisiert genaue Bewegungs- und Kommunikationsprofile erstellen lassen. Hauptgrund für diese hohe Qualität der Datensätze ist, dass die Beteiligten eben nichts von ihren Wegen und Kommunikationen zu verbergen haben. Deshalb lassen sich aus dieser sechs Monate umfassenden Datenbasis auch erstklassige Profile erstellen, Gewohnheiten, Vorlieben und Interessen bilden sich bereits deutlich ab.
Im August 2002 veröffentlichte die britische Bürgerrechtsorganisation Statewatch dann den ersten Richtlinienentwurf zu "Data Retention".In Folge wurden in der FuZo bis 2010 344 Artikel zum Thema produziert. Hier wird diese Chronik weitergeführt
Arglosigkeit, Perfidie
Das ist nämlich das Perfide an der flächendeckenden Speicherung dieser Daten "auf Vorrat": Die Arglosesten geben am Meisten über sich preis. Das kann spätestens dann für sie gefährlich werden, wenn zum Beispiel quer über alle Datensätze nach Zeit-Weg-Diagrammen gesucht wird, die zu einem bestimmten Täterprofil passen.
Auf die Frage, was der AK Vorrat im Falle des Geladen-Seins dem Bundesrat denn als Ziel der Aktion mitteilen wolle, sagt Krisch: "Wir wollen die Vorratsdatenspeicherung europaweit abschaffen".