Erstellt am: 9. 3. 2012 - 16:28 Uhr
Aus für das Redaktionsgeheimnis?
"Anschlag auf die Pressefreiheit!" ruft die Journalistengewerkschaft in einer Petition. 'Das ist nicht Ungarn, das ist Aserbaidschan' warnt der Präsident des Rechtsanwaltskammertages. Die Opposition im Parlament und Regierungspartner sind auch dagegen. Weshalb diese Aufruhr?
Justizministerin Beatrix Karl will die Strafprozessordnung reformieren. Sie will damit Verfahren beschleunigen. Karl versteht den Proteststurm nicht und behauptet, die Reform sei durch den doppelten Rechtsschutz eine Stärkung des Redaktionsgeheimnisses. Ist hier überzogener Alarmjournalismus am Werk, wie Jurist Hans Peter Lehofer fragt, oder sind tatsächlich Grundrechte in Gefahr? Jedenfalls ist die Justizministerin noch offen für Veränderungen ihrer aktuellen Gesetzesvorlage.
Claus Pirschner: Corinna Millborn, stellvertretende Chefredakteurin von News, ein Magazin, dem investigativer Journalismus wichtig ist. Früher Alfred Worm, jetzt Kurt Kuch, die Telekom-Affäre… wie ist denn das Redaktionsgeheimnis bisher und was bedeutet das für den investigativen Journalismus bei News?

http://www.milborn.net
Corinna Milborn: Jetzt bedeutet das: wenn eine Hausdurchsuchung kommt - dazu braucht es einen richterlichen Beschluss - liegt bei uns unten am Empfang ein Zettel, auf dem steht, was bei einer Hausdurchsuchung zu tun ist und dann wird sofort versiegelt. Die, die die Hausdurchsuchung durchführen, bekommen die Papiere nie zu Gesicht, die werden versiegelt. Danach geht’s zu einem unabhängigen Richter und der entscheidet, was in den Akt kommt und was dem Redaktionsgeheimnis unterliegt. Die geplante Änderung der Strafprozessordnung ist eine Einladung zum Missbrauch und wir haben große Angst, dass uns das die Informanten wegtreibt, denn jetzt ist es der Staatsanwalt, der einfach einmal alles mitnimmt, sichtet und dann wird entschieden, was kommt in den Akt und was nicht. Der Staatsanwalt ist weisungsgebunden. Das heißt, wir müssen davon ausgehen, dass Informanten jetzt Angst haben, dass der Staatsanwalt und auch die Polizei, die er zu Hilfe holen kann zum Sichten, den ganzen Akt erst mal sehen. Auch wenn sie ihn dann nicht verwenden können: sie haben ihn gesehen. Und genau dazu ist das Redaktionsgeheimnis ja gut: um Informanten genau davor zu schützen. Man muss einen Redakteur jetzt nur zum Beispiel der Beihilfe zum Amtsmissbrauch beschuldigen, und schon kann man das so durchziehen und meiner Meinung nach ist das eine echte Frechheit.
Der letzte Versuch des Eingreifens in das Redaktionsgeheimnis beim ORF war beim Journalist Ed Moschitz in der Redaktion der Sendung Am Schauplatz. Das hat das Gericht zunächst zugelassen und dann wurde es von der nächsten Instanz zurückgewiesen. Würde das heute anders ausgehen, wenn die Reform käme?
Gerade bei dem Fall von "Am Schauplatz" war es ja der Staatsanwalt, der darauf bestanden hat, dass die Bänder herausgegeben werden, der der Meinung war, dass das Redaktionsgeheimnis hier nicht gilt, unter anderem wegen der Wiederbetätigung. Jedenfalls war der Staatsanwalt der Meinung, er muss die Bänder bekommen und ist erst vom Richter davor gestoppt worden, sie zu sehen. So wie es jetzt laufen würde, würde der Staatsanwalt die Bänder schon haben, wenn der Journalist beschuldigt ist.
Jetzt ist das News ja auch bekannt für Skandalisierungen. Von "Karls Angriff auf die Demokratie" ist im Magazin die Rede. Ist das nicht übertrieben?
Nein, das ist ein Passus in diesem Gesetz, der tatsächlich dazu geeignet ist, das Redaktionsgeheimnis auszuhebeln, aber auch die Verschwiegenheitspflicht von Anwälten, Ärzten, etc. Das ist tatsächlich ein Anschlag auf unsere Grundrechte. Ich weiß nicht, ob es denen, die dieses Gesetz geschrieben haben, bewusst war. Und wir sind als Journalisten ja nicht die einzigen, die sich dagegen wehren, sondern auch die Rechtsanwaltskammer hat einen bösen Brief geschrieben und macht sich große Sorgen um ihre Fähigkeit, ihre Mandaten zu vertreten. Genauso verhält es sich bei Ärzten oder psychosozialen Diensten. Es gibt gewisse Berufsgruppen mit Verschwiegenheit und das hat ja einen Sinn. Das Redaktionsgeheimnis ist eminent wichtig, um Skandale aufzudecken. Und gerade hier in Österreich wissen wir, wie wichtig die Presse bei der Aufdeckung von Skandalen war. Nehmen wir nur die 200.000 Telekom-Emails, über die News berichtet hat: die wären sonst nie an die Justiz gekommen. Das hat den Fall in gewissen Teilen wirklich "gedreht". Ohne Redaktionsgeheimnis, wenn Informanten fürchten müssen, dass sie bekannt werden, dann passiert so etwas nicht mehr. Gerade in einer Zeit, in der wir kein ordentliches Parteienfinanzierungsgesetz oder Korruptionsgesetze haben, wo alle die Justiz geradezu anbetteln, endlich etwas gegen Korruption zu tun, finde ich das unglaublich. Und nun soll ausgerechnet das Redaktionsgeheimnis und der Schutz für diese Berufe ausgehebelt werden. Das ist ungeheuerlich.