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Claus Pirschner

Politik im weitesten Sinne, Queer/Gender/Diversity, Sport und Sonstiges.

6. 3. 2012 - 16:45

Paroli

Was kann das neue Online Magazin?

Jungen JournalistInnen reicht es. Sie haben genug von Einsparungen in ihrer Branche und dem damit einhergehenden Rückgang an Qualität und der Zunahme prekärer Arbeitsbedingungen. 15 JournalistInnen wollen diesen Entwicklungen Paroli bieten und haben deshalb dieser Tage ein gleichnamiges Online Magazin mit Qualitätsjournalismus nach ihren Massstäben gegründet: "Junge Stimmen müssen jetzt gehört werden", erklärt Florian Stambula, einer der GründerInnen, freier Journalist und Student der Politikwissenschaft, warum sie nicht auf Finanzierungen warten, sondern unbezahlt starten.

paroli-magazin.at

paroli-magazin.at

Von klassischen Ressorts sehen die Paroli-MacherInnen ab. Stattdessen kann man auf Buttons wie „Rufzeichen“, "Aus den Augen“ oder „Kunststück“ klicken. Dahinter verstecken sich dann ein Porträt von MutbürgerInnen, eine Infographik über Bundeskanzler Faymann als Marionette des Boulevards, aber auch ein Blick nach Bahrain ein Jahr nach Beginn der arabischen Umbrüche. Blogs von kreativen Protesten gegen Wladimir Putin in Moskau werden ebenso vorgestellt wie eine Demonstration für die Freilassung von kritischen JournalistInnen in Istanbul. Paroli ist transnational. Text, Video, Ton, Fotos und Graphiken werden im multimedialen Mix eingesetzt - ein formaler Standard online, das ist also nicht unbedingt neu.

Comic

SR Ayers

Auf der Website des Magazines springt einem sofort der "postapokalyptische" Comic Held Murray ins Auge. Was er in einem scheinbar von Zombies betriebenem Aufstand in Wien alles aushecken wird? "Get the Butter!" der Titel der ersten Folge und zerschlagene Schaufensterscheiben eines Supermarktes teasen auf mögliche zukünftige Abenteuer eines Wiener Robin Hood ? We will see.

Wer schreibt?

Die JournalistInnen kennen sich teilweise von Medienakademien, kommen von Nonapartofthegame, Supertaalk oder, wie Moskaukorrespondent Markus Müller, auch vom ORF. Welche Rolle UserInnen außer zum Lesen und Posten einnehmen können, wolle man sich noch offen halten, meint Gründer Florian Stambula. Jedenfalls will man Communities schaffen und auch mit Veranstaltungen dazu beitragen.

Auftakt mit offenem Brief gegen das Prekariat

Gleich zum Magazinstart sorgt die Paroli Redaktion jedenfalls für mediale Aufmerksamkeit. In einem offenen Brief kritisieren sie die prekären Arbeitsverhältnisse freier JournalistInnen in Österreich, denen trotz Vollzeitarbeit oft gerade mal 700 Euro netto im Monat übrig bleiben. "Es ist an der Zeit, nicht nur weltpolitische Geschehnisse kritisch zu betrachten und einzuordnen, sondern auch Kritik an den Arbeitsbedingungen der Branche zu üben. Gute Arbeit hat ihren Preis."

Sie fordern faire Entlohnung und Beschäftigung und rufen zum "öffentlichen Diskurs und einem breiten Zusammenschluss aller betroffenen Journalisten", um zu einer längerfristigen Lösung zu kommen. Nach dem offenen Brief freier ORF JournalistInnen für soziale Absicherung und gerechte Entlohnung ist mit Paroli nun ein weiterer Vorstoß zum Ausbau von fair bezahltem und unabhängigem Qualitätsjournalismus aufgetaucht.

Der öffentliche Diskurs wird damit vorangetrieben, allerdings mit einem für die ProtagonistInnen widersprüchlichem Mittel: smarte NachwuchsjournalistInnen rufen zum Ende ihrer unfairen Arbeitsbedingungen auf und gründen ein Online Magazin, für das sie (zumindest vorerst) kostenlos arbeiten. Ein Business Plan, der dem kritisierten Ausbeuten und Ausbrennen entgegen steuert fehlt. Allerdings: Die JournalistInnen punkten mit ihrem höchsten Gut, ihrer Unabhängigkeit. Und die hat die Republik mehr als nötig.