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Katharina Seidler

Raschelnde Buchseiten und ratternde Beats, von Glitzerkugeln und Laserlichtern: Geschichten aus der Discommunity.

6. 2. 2012 - 16:34

ReDigi: Die digitale Wühlkiste

Alte CDs zum Second-Hand-Laden bringen, schön und gut. Aber oft genug gehörte mp3s? Die Plattform ReDigi holt die Wühlkiste ins World Wide Web. Die Frage ist allerdings: Wie lange noch?

Wer beim Frühjahrsputz wieder so richtig Platz schaffen will, sich gut von Dingen trennen kann und nicht zu Hamsterverhalten neigt, der kann seine alten Platten und CDs zum Second-Hand-Laden bringen oder am Flohmarkt verkaufen. Schließlich hat man selbst wahrscheinlich auch schon so manchen Schatz in diversen Wühlkisten entdeckt und sich über Musik gefreut, die jemand anderes bereits „totgehört“ hatte. Was aber soll man mit all den Gigabytes an alten Musikdateien machen, die auf dem Computer herumliegen, und die man garantiert nie wieder anklicken wird? Mit ReDigi gibt es seit einigen Monaten einen Online-Flohmarkt für mp3s.

Datenmüll – in Bezug auf Musik ist das ein schreckliches Wort. Denn auch, wenn ich das neunte Red-Hot-Chili-Peppers-Album oder die zwei Britney-Spears-Singles, die ich mir einmal bei iTunes gekauft habe (hey, "Piece of me" und "Toxic" waren schon echt okay), höchstwahrscheinlich nie wieder anhören werde – als „Müll“ würde ich sie nie bezeichnen. Etwas mehr Platz auf der Festplatte wäre trotzdem nicht schlecht, und für genau dieses Problem wurde die amerikanische Plattform ReDigi gegründet.

ReDigi-Logo

ReDigi

ReDigi-Logo

ReDigi ist eine Website, auf der man – ganz im Ernst – gebrauchte mp3s weiterverkaufen kann. Die Seite, die zurzeit allerdings nur in den USA funktioniert, installiert den ReDigi Media Manager auf dem Computer, der diesen nach legal erworbenen Musikdateien durchsucht. ("Don't worry, any illegal or unverifiable songs on your computer are ignored. We're trying to help you stay legal, not get you in trouble" steht dazu in den ReDigi-FAQs.)

Wie die taz berichtet, gab es mit bopaboo bereits einmal ein ähnliches Konzept, das aber schnell wieder von der Online-Bildfläche verschwand.

Das Angebot bestimmt die Nachfrage, nicht umgekehrt

Diese Songs kann man nun lediglich in eine eigene Cloud hochladen, um auf der eigenen Festplatte Speicherplatz zu sparen, oder aber sich gleich dafür entscheiden, sie zum Verkauf anzubieten. In jedem Fall löscht ReDigi die Dateien sowohl von der Festplatte als auch von allen damit verbundenen Geräten und bezahlt den User mit 20 US-Cent Guthaben pro Song, die er im ReDigi-Shop in neue Musik investieren kann. Seine eigenen Dateien sind nun für die anderen User im Online-Shop erhältlich. Ganz wie im echten Secondhand-Laden findet man bei ReDigi dementsprechend nur Musik, die jemand verkauft hat.

Ein zufälliger Test: Von Mumford & Sons findet man heute sieben Songs, die allesamt von ihrem Album "Sigh no more" stammen. Da die Nummern alle einzeln verkauft werden und ReDigi nun mal keine Album-Tauschbörse ist, darf man sich über das unvollständige Album auch nicht beschweren. Von Lana del Rey findet man die Single "Video Games" inklusive einiger Remixes. Die Songs können einzeln zu einem Preis von 79 Cent heruntergeladen werden. Zwölf davon gehen als Guthaben an den oder die VerkäuferIn (zusätzlich zu den 20 Cent, die er oder sie beim Hochladen bereits gutgeschrieben bekommen hat), den Rest kassiert ReDigi selbst. Der Protest der Musikindustrie ließ da natürlich nicht lange auf sich warten.

First come, first sell?

Die Betreiber der ReDigi-Website haben nämlich eine Gesetzeslücke im amerikanischen Urheberrecht entdeckt. Laut der sogenannten First-Sale-Doktrin ist es zwar prinzipiell erlaubt, urheberrechtlich geschützte Güter gebraucht weiterzuverkaufen, aber dieses Gesetz war eigentlich nur für physische Datenträger gedacht. Zusätzlich zu den Einbußen, die Musiker und Labels durch Streaming-Dienste wie Spotify erleiden, befürchten sie nun, durch ReDigi auch Kunden im Online-Verkauf zu verlieren. Seit einigen Monaten befindet sich die Website daher im erbitterten Rechtsstreit mit dem Majorlabel EMI. Da die Website darauf besteht, keine Kopien der Dateien anzufertigen, sondern lediglich Originale mp3-Dateien zu verkaufen, sehen sie sich absolut im Recht.

Im aktuellen De:Bug findet sich ein sehr empfehlenswerter Artikel zu ReDigi und deren "abstrusem Geschäftskonzept".

Sollte dieser Prozess zu Gunsten von ReDigi ausgehen und sich demnach noch weitere Anbieter von gebrauchten Daten im Netz etablieren, könnten die Folgen für die Musik- und Internetwelt enorm sein, etwa wenn sich Nachfolge-Firmen einem ähnlichen Geschäftsmodell widmen bzw. man als Konsument bestimmte Daten überhaupt nur noch "auf Zeit" erwirbt. Internetrevolution oder ein weiteres Ärgernis für die angeschlagene Musikindustrie – an ReDigi scheiden sich also wieder einmal die Geister der Online-Community.