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Robert Rotifer London/Canterbury

Themsenstrandgut von der Metropole bis zur Mündung: Bier ohne Krone, Brot wie Watte und gesalzene Butter.

1. 2. 2012 - 13:41

Bot says no

Warum es kein Spaß ist, wenn die automatisierte Humorlosigkeit der Homeland Security die sozialen Netzwerke durchforstet.

War das noch eine Zeit zu Anfang der Existenz unserer Website, da konnte man noch Dinge bloggen, die heutzutage gerade Stoff für eine Facebook-Statusmeldung hergeben. Zum Beispiel mein auf der Homepage als „Fashion Statement“ angepriesener Kommentar zu einer neuen Jeans-Linie von Levi's, bitte hier nachzuschlagen.

Wie gesagt, wir Blogger, die damals noch gar nicht so hießen („Hosts“ hießen wir), hatten es leicht. Und diese Zeiten könnten wieder zurückkommen!

"Destroy America"

Schließlich kann ich nicht der einzige sein, der neuerdings vor dem Dilemma steht, etwas, das eigentlich nur einen Tweet wert wäre, doch lieber hier in unserem Spielplatz für die den sozialen Netzwerken zu ausufernden Gedankenketten zu veröffentlichen.

Da war nämlich die Geschichte des 26-jährigen irischen Bar-Managers Leigh Van Bryan, der neulich mit seiner Freundin von der US-Einwanderungsbehörde wieder nach Hause geschickt wurde, weil er auf seiner Twitter-Seite geschrieben hatte: "Free this week, for quick gossip/prep before I go and destroy America."

Gemeint war natürlich: Sich in Amerika eine tolle Party machen. Auf den Putz hauen (auch das eine Redewendung, die vielleicht einmal gefährlich nach Kindesmisshandlung geklungen haben mag).

"A bomb in New York"

Was ich beinahe dazu getweetet hätte: Ich als alter Who-Fan (ja, heute ist mir das auch alles zu dick aufgetragen, aber ich schäme mich nicht) kenn ja die Geschichte, wo Pete Townshend 1969 im Flugzeug zu seinem Manager als Kommentar zu den überraschend guten Verkäufen des „Tommy“-Albums in Amerika sagt: „I hear it's going a bomb in New York“.

Überwachungsdrohne

dpa/Peter Steffen

Die Drohne, die nur zuschaut...

Eine Stewardess hörte, der Gitarrist wurde am Flughafen prompt hops genommen und musste die Behörden in stundenlangen Verhören davon überzeugen, dass das bloß als britischer Hipster-Slang und nicht als Beratschlagung über einen bevorstehenden Terroranschlag zu verstehen war.

Humor war bei der US-Einreisebehörde also damals schon ein fremdes Land.

Die Versuchung, diese kleine Schrulle der Twitter-Gemeinde in zwei bis drei Kurzmeldungen vorzutragen, musste ich mir nun verkneifen. Ich höre, was ihr denkt, und ja, ihr habt recht:

Ist auch besser so. Kann ich gut und gern für mich behalten. Hätte niemand interessiert. Wie so einiges, was Leute so tweeten.

Aber das ist nicht der Punkt.

Der Punkt ist, dass die Homeland Security und Sicherheitsdienste allüberall mit genauso hirnlos automatisierten Programmen operieren wie die Spambots, die mir eine Katerkur anbieten, wenn ich was über einen Gig in der Hangover Lounge getweetet hab.

Auf dem Weg zum vollautomatisierten Todesurteil

Die Automatisierung der Entscheidung, wer auf die heiße Liste der Terrorverdächtigen kommt, ist etwas, das große Besorgnis verdient hat. Weil sie nur Teil einer Entwicklung ist, die bis hin zur kommenden Automatisierung von ferngesteuerten Drohnenattacken führt, siehe diese hochinteressante gestrige Kolumne von George Monbiot über den unbemannten Krieg per Fernbedienung, oder gar ohne.

A 160 Hummingbird-Drohne

http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Rotor_uav-051121-vcv-01adj-8.jpg&filetimestamp=20061116195349

... und die Drohne, die exekutiert

Also: Schreib auf Twitter „destroy America“ und du wirst wieder nach Hause geschickt. Schreib es in Pakistan und wirf besser einmal gleich dein Laptop und dein Mobiltelefon weg, bevor es aus heiterem Himmel kracht. Vielleicht übertreibe ich ein wenig, drauf anlegen würd ich es aber lieber nicht.

Natürlich gibt es Fälle wie den heute bekannt gewordenen, geplanten Terroranschlag auf die London Stock Exchange, der ebenfalls unter anderem durch elektronische Überwachung ausgeforscht wurde. Aber sogenannte "Intelligence" funktioniert nur in Verbindung mit Intelligenz, und jener der künstlichen Art darf sich die menschliche Intelligenz nie unterwerfen.

Insofern ist der Ratschlag der Dachorganisation britischer Reiseveranstalter, auf sozialen Netzwerken Vorsicht zu üben, bereits eine Kapitulation vor der automatisierten Blödheit.

Solange der Zug unaufhaltsam in diese Richtung fährt, lade ich meine Dateien jedenfalls ganz sicher in keine Datenwolke, in die weiß ich wer reinschnüffeln kann. Die Datei, die ich gerade abspeichere, heißt zum Beispiel „Twitter Terror web“. Fände der doofe Bot schon höchst verdächtig.