Erstellt am: 30. 1. 2012 - 15:54 Uhr
"La Grande" - Das neue Album von Laura Gibson
"Nein, das ist mir gerade zu langweilig", sagte Freundin E. beim vorletzten Blue Bird Festival in Wien. Die Musikerin auf der Bühne - in ein leicht gespenstisch wirkendes, engelshaftes, weißes Kleid gehüllt - war Laura Gibson. E. war gerade aus (dem hektischen) Barcelona gekommen und hatte keinen Nerv für diese Künstlerin. Und so vertratschten wir beinahe den gesamten Auftritt von Laura Gibson. Hätte diese zu jenem Zeitpunkt schon einen Song wie "La Grande" gehabt, dann wäre es vielleicht erst gar nicht zum Tratschen gekommen. "La Grande" ist ein beschwingtes Lied, ein subtiler Popsong, der einen sofort packt und mithineinzieht. "La Grande" ist der Titelsong vom neuen Album von Laura Gibson. Während die Welt gerade Lana Del Ray feiert, wogegen es grundsätzlich auch nichts zu sagen gibt, sind die Laura-Gibson-Aficionados wohl den berühmten kleinen step ahead. Endlich Vorhang auf für Laura Gibson.

Gibson
Wuthering Heights
Ein Lagerfeuer ist auf Laura Gibsons neuem Album am Cover zu sehen. In eine indianische Decke gehüllt betrachtet sie das flackernde Geschehen. Lagerfeuermusik nennt man das gerne, wenn zarte Lieder gesungen und dazu die akustische Gitarre gezupft wird. Man sitzt ums Feuer und singt ein sehnsuchtsvolles Liedchen. Lagerfeuermusik, ein künstlerisch nicht wirklich schmeichelndes Wort. Aber keine Sorge, trotz Lagerfeuer am Albumcover, und dass es in der Musik von Laura Gibson tatsächlich knackt und knistert, ist ihr neuer Longplayer natürlich kein "Lagerfeuer-Album". Laura Gibson ist trotz akustischer Gitarren und oft wispernder Stimme kein klassisches Folkmädchen, sondern letztendlich wohl insgesamt mehr Torchsängerin, American Gothic oder gar Girl From Ipanema.
Transcending Nu-Folk

city slang
Auch wenn Laura Gibson mit ihren Kleidern oft aussieht wie eine junge Frau aus den Tagen, als die Siedler mit ihren Planwagen gegen Westen zogen - diesen Stil entdeckt neuerdings übrigens auch das junge kalifornische Designerinnenduo Rodarte - und sie tatsächlich einen old-time Vibe aufleben lässt und "I can smell the sage burn" singt. Von Salbei und allerlei mehr oder weniger heilsamen Kräutern ist da die Rede in "La Grande" und vom amerikanischen Walnussbaum - dem Hickory Tree. Zur brasilianischen Copacabana und ihrer Jazz-Pop-Göttin Astrud Gilberto liegen aber gelegentlich keine drei Schritte. Die Songs "Lion/Lamb" oder "Red Moon" sind Beispiele dafür. "Skin, Warming Skin" ist Laura Gibsons "Wuthering Heights", "Time Is Not" ist mehr Paris, Frankreich als Portland, Oregon. Und schließlich hat "Feather Lungs", der letzte Song am Album, samt Piano und Streichern, eine gewisse Ähnlichkeit mit, ähm, Lana Del Ray, jedenfalls wenn man unbedingt will.
"La Grande" ist ein Ort im US-Bundesstaat Oregon, im Nordwesten der USA. "People pass through on their way somewhere else", sagt Laura Gibson über diesen Ort. In La Grande hielt sich die Künstlerin auf, als sie Material für das neue Album zusammentrug. Sie parkte ihren liebevoll restaurierten alten Wohnwagen in La Grande. Im Gegensatz zu La Grande ist Portland, Oregon, wo Laura Gibson zuhause ist, eine vibrierende Stadt voller Kunst und Kultur. Erst wollte Laura Gibson jedoch mit den diversen Szenen dieser Stadt nicht wirklich etwas zu tun haben. "Ich habe in einem Café gearbeitet", erzählt Laura Gibson im FM4 Interview mit Susi Ondrusova, "und all die anderen jungen Frauen, die dort arbeiteten, spielten in Bands. Aber keine von ihnen war nett zu mir. Da dachte ich, ich würde doch nicht in die Stadt passen." Also doch Wahres daran, dass es in den Rriot Grrl Hochburgen nicht immer ganz so feministisch solidarisch zuging, wie das etwa auch im Buch "Riot Grrrl Revisited" - Ventil Verlag, 2011- zur Sprache kommt.

Gibson
Pressestimmen zu "La Grande":
NME: "Delicate splendour. The spooky and the sublime."
Intro: "Hübsch knarzende Kleinode, stilistisch zwischen Feist und CocoRosie."
Amazon.co.uk: "And then there is her voice, which has always been pretty, in a vintage, timeless kind of way. Here it reaches new levels."
Inzwischen hat Laura Gibson aber Anschluss gefunden und bereut es nicht, dass sie nach Portland, Oregon gegangen ist. Aufgewachsen ist Laura Gibson in der Kleinstadt Coquille, etwa fünf Stunden von Portland entfernt. So wie La Grande ist auch Coquille von französischen Siedlern gegründet worden - Trappern, die vom Fangen von Fuchs, Kojote und Bär lebten, den Tieren das Fell abzogen und es verkauften. Später wurde Coquille eine logging town. Vom Fällen der Bäume lebten die Menschen nun, und auch Laura Gibsons Vater war im Forstgeschäft. Ihre Mutter arbeitete im Kindergarten der Stadt.
Nach Portland fuhr die Familie nur selten, wenn schon in eine größere Stadt, dann gleich ins kalifornische San Francisco. Von dort stammten Lauras Eltern, Ex-Hippies, die von der wilden, unverbrauchten Natur Oregons angetan waren und einfach - ganz amerikanisch - ihre sieben Sachen gepackt und dort hingezogen waren. Besonders musikalisch wären Mama und Papa Gibson nicht gewesen, erzählt Laura weiter im FM4-Interview, aber als sie auf die Highschool ging, bekam sie zu Weihnachten einmal eine Gitarre geschenkt. Erst packte Laura das Ding kaum aus, weil die Saiten gar so hart waren. Es muss wohl eine dieser billigen Gitarren aus dem lokalen Departmentstore gewesen sein, lacht Laura Gibson heute:
"It was quite painful to play, and so when I finally bought a guitar when I was at college, it felt so smooth and easy to play. But maybe it was good to learn to play on something a bit more troubling."

Gibson
Da kommt also der Sound der Laura Gibson her. Weil die harten Saiten damals beinahe ihre Finger wund rissen, würde sie niemals eine Happy-Happy-Popsängerin sein. Aber wollen wir es nicht übertreiben, Laura Gibson hadert keineswegs mit ihrer Vergangenheit als das Mädchen aus dem tiefen Wald. Etwas Befreites strahlt sie aber dennoch aus auf "La Grande". Es ist das Pop-Album der Laura Gibson.
Ihren letzten Longplayer, "Beasts Of Seasons", hatte Tucker Martine produziert, der Ehemann einer anderen Laura aus Portland: Laura Veirs. Auf "La Grande" ist Laura Veirs ebenfalls mit dabei, genauso wie Meric Long und Logan Kroeber von den Dodos aus San Francisco oder Nate Query und Jenny Conlee von den Decemberists aus Portland. Außerdem hatte Joey Burns einmal vorbeigeschaut als Laura Gibson das Album einspielte und gleich ein paar seiner Calexico-Männer mitgebracht. Laura Gibson hatte ihn angemailt, dass er doch, wenn er mit Arcade Fire in der Stadt ein Konzert geben würde, vorbeikommen möge, falls das ok wäre. Klar war es das für den so guten Teamplayer Joey Burns. Im Type Foundry Studio in Portland, in dem der Kalifornier Adam Selzer - er produzierte etwa Herman Dune, Tu Fawning, Decemberists, Dodos - werkt, wurde "La Grande" schließlich fertiggestellt.
Laura La Grande
Weitere Alben von Laura Gibson: "Beasts Of Seasons" (2009) und "If You Come To Greet Me" (2006)
Der Albumtitel "La Grande" hat auch etwas für sich wenn man nicht weiß, dass es sich um einen Ort handelt. Laura Gibson, La Grande könnte man als Interpretin und Titel lesen, also Laura Gibson die Große. Würde sie natürlich nie selbst über sich sagen, oder doch? Das ist ein wenig wie der Albumtitel "The Greatest" von Cat Power, wirft Susi Ondrusova im FM4-Interview ein, oder? Ja, sie spielt tatsächlich mit neuem Selbstvertrauen: Ich bin´s, Laura die Große. Wer schüchtern sei, lacht Laura Gibson, müsse sich schließlich gelegentlich selbst ein wenig Mut zusprechen.