Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Labelmania"

Daniela Derntl

Diggin' Diversity

27. 1. 2012 - 13:32

Labelmania

Gründungseuphorie in Wien: Das Label Schönbrunner Perlen feiert seinen zweiten Release und ist dabei in bester Gesellschaft.

Schönbrunner Perlen Release Party:
28. Jänner 2012 im Flex in Wien

Was die Wiener Indie-Szene seit Jahren erfolgreich vormacht, wird nun von den Elektronikern der Stadt weitergeführt: Sie schrauben an Tracks, basteln Artwork-Amalgam aus Videos, Visuals und Fotografie, verwandeln die freundschaftlich aufgebauten Netzwerke in Talenteschmieden und löten das Ganze zu einem frei beweglichen Ladungsträger mit eigener Entscheidungshoheit zusammen.

schönbrunner perlen

Schönbrunner Perlen

Cover der neuen Schönbrunner Perle: Oberst & Buchner mit "Today I Feel"

Die blühende Wiener Veranstalter- und DJ-Mischpoke trägt nun auch als Label Früchte. Der Schritt vom DJ zum Veranstalter, vom Produzenten zum Labelbetreiber ist für Ken Hayakawa und Thomas Schöndorfer, die beiden Gründer von Schönbrunner Perlen, eine natürliche Entwicklung.

Doch nicht nur Schönbrunner Perlen, auch Leap Records ist neu am Start.

Labels wie The Loud Minority, Praterei, Houztekk Records, Vienna Wildstyle und Superdisko Recordings gibt’s schon etwas länger, Tjumy Records ist teilweise in das discolastige Luv Shack Records übergegangen, Flex Schallplatten liegt derzeit im Dornröschenschlaf, aus dem Temp Records schon wieder erwacht ist. Prinzessin Affine gibt die Spindel nicht aus der Hand und spinnt märchenhaft Track für Track weiter und Ende März wird moun10 wachgeküsst.

Doch diese Labelmania scheint nicht nur auf Wien beschränkt zu sein; die deutsche DJ-Postille De:Bug hat sich bereits letzten Herbst in einer drei-teiligen Serie "How to Label" mit diesem Gründungsphänomen befasst.

Vinyl, Digital oder Beides?

Die Wahl des Mediums ist vor allem eine Geldfrage: Vinyl pressen ist nicht billig. Die plumpe Labelgründung aber schon, sie kostet laut Thomas Schöndorfer um die 100 Euro. Bis jetzt wurde das Herzblutprojekt aus eigener Tasche finanziert, um sich und seinem Umfeld eine kreative Plattform zu bieten. Doch Schönbrunner Perlen versteht sich nicht als geschlossener Kosmos, jeder kann ihnen ein Demo schicken.

Statt finanzieller Probleme gab es zu Beginn eher strukturelle Herausforderungen, denn einem künstlerischen Konglomerat fällt die Koordination und Delegation von Aufgaben sowie die Qual durch bürokratische Mühsal nicht immer leicht.

Schönbrunner Techno

Schönbrunner Techno

Ein Teil der Schönbrunner Perlen

Das Kollektiv umfasst momentan 19 Personen, die Genderverteilung spiegelt dabei den Status Quo der elektronischen Musik-Szene wieder: wenig Frauen. Eine davon ist Lena Zotti, die auch im FM4 Soundpark umtriebig ist: mit ihrer Band Blue Velvet war sie letzten September

Geodreieck, Taschenrechner, warum nicht?

Es gibt auch einen Schulhof-Hit von den Schönbrunner Perlen: "Pausenrap" von Club Bibi, einem "Spaßprojekt" der Labelmacher. Für das Youtube-Kino waren in diesem Fall die hauseigenen Visualisten von Lampenschirm verantwortlich, bei dem Video von "Japanese Rose" hat man mit copy_paste zusammengearbeitet, die man vielleicht wegen Ursula Stressned kennt.

oberst & buchner 
schönbrunner perlen

Daniela Derntl

Oberst & Buchner bei La boum de luxe

Das audio-visuelle Gesamtkunstwerk steht im Zentrum von Schönbrunner Perlen. Deshalb verstehen sie sich auch eher als Multimedia-Label als ein rein akustisches: von Musik über Fotografie, Video und Malerei - alles dabei!

Der zweite Release kommt von Oberst & Buchner, zwei junge Exil-Bayern, die in Wien studieren. Die Vocals in "Today I Feel" stammen von Martin Steer aka Midimum von Frittenbude, mit dem die beiden befreundet sind. Diese freundschaftliche, persönliche Komponente ist im ganzen SBP-Spektrum von besonderer Bedeutung. Deshalb haben Ken Hayakawa und Thomas Schöndorfer auch vor, in eigner Mission die Plattenläden zu bestücken, statt den Vertrieb Externen zu überlassen.

Doch bisher hatten sie in den Vinylstuben außer Flyer nichts zu verteilen, denn die ersten beiden Releases sind nur digital erschienen. Aber die nächste Veröffentlichung, ein eher "clubbiges Teil" von Denis Yashin, wird auch auf Platte gepresst. Der voraussichtliche VÖ-Termin ist im Frühjahr, danach soll es im Rhythmus von zwei bis drei Monaten mit den Releases weiter gehen. Ein neuer Track von Club Bibi kommt auch, doch mehr wird noch nicht verraten!