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Anna Katharina Laggner

Film, Literatur und Theater zum Beispiel. Und sonst gehört auch noch einiges zum Leben.

19. 1. 2012 - 15:20

Die Absurdität der Weltverschwörung

„Adams Fuge“ von Steven Uhly ist ein Roman zwischen Kinderzimmerkrieg und politischem Schlachtfeld.

Die Erwähnung der Mafia auf Seite 178 wirkt wie ein Scherz. Zu diesem Zeitpunkt ist der Protagonist von „Adams Fuge“ bereits ein Spielball zwischen türkischem und kurdischem Militär, hat sich in den Netzen des israelischen Mossad und des deutschen Bundesnachrichtendienstes verfangen und wird von nicht näher definierten Russen verfolgt. Eine unangenehme Situation, zumal ihn Untote heimsuchen und er selbst an einer Schussverletzung am Kopf laboriert.

Der Roman wandelt kokett zwischen Kinderzimmerkrieg und politischem Schlachtfeld, ist verworren, absurd (Neonazis in Hippiekostümen), dann wieder gefühlsbetont (selbst Rilke wird zitiert) und gleichzeitig völlig klar: es geht hier nicht darum, zu durchschauen, sondern zu verstehen. Etwa den Antihelden, der eine Blutspur durch Deutschland zieht und nebenbei vergewaltigt.

Cover vom Roman Adams Fuge

Secession Verlag

Dabei beginnt alles vergleichsweise überschaubar: Adem Öztürk wächst als Sohn einer Deutschen und eines Türken in Mannheim auf. Der Vater verprügelt die Mutter so lange, bis sie geht. Daraufhin verfrachtet er die Kinder in die Türkei. Adem Öztürk ist ein schmächtiger Junge mit Hang zur Selbstironie, der es in den Augen des Vaters nie zu einem richtigen Mann bringen wird. Kurz: der spätere Mörder ist ein sympathisches Kerlchen.

Beim Militär findet sich Adem als einziger Überlebender in einem Blutbad wieder. Daraufhin erschießt er einen Kurden, wird von einem türkischen General ausgezeichnet und auf die eingangs erwähnte Mission nach Deutschland geschickt. So wie die Kindheit, erzählt der Autor auch das Leben des Erwachsenen aus dem Inneren heraus, aus der Perspektive eines Mannes, der nichts anderes kennt und das Gegebene als normal empfindet.

Als Teil einer Weltverschwörung wird sein Töten zum Selbstzweck und werden ihm alle zum Gegner. Der Täter scheint gleichzeitig Opfer eines unbekannten Spiels, in dem niemand weiß, wer die Fäden zieht. Diese Darstellung im Roman ist derart treffsicher, dass man unweigerlich an reale Geschehnisse wie das Vorgehen US-amerikanischer Soldaten in Afghanistan denkt.

Autor Uhly

Michael Herdlein

Die drei ? im Spionagethriller

"Adams Fuge"
ist im secession verlag, 2011 erschienen

„Besser kann man die Absurdität des Tötens nicht darstellen“, sagt Günter Grass über den Roman. Er mag jenen Wahnsinn meinen, der einsetzt, wenn das Individuum ausgeschickt wird, die Welt zu retten, dabei aber immer nur die eigene Haut rettet. Dass Steven Uhly dabei der sprachliche Witz nicht ausgeht, kann man ihm gar nicht hoch genug anrechnen.

Im letzten Drittel des Buchs beißt sich der Autor allerdings an seinen eigenen Ansprüchen die Zähne aus. Er verliert Balance, Handlung und Wortwahl werden hanebüchen: in einem Handy versteckte Geheimpapiere, ein Schatz, den Adams Familie mithilfe eines Computerspiels knacken möchte, ein Showdown auf einem Flugfeld. Dieses Ende wirkt so, als hätten sich die drei Fragezeichen in einen Spionagethriller von John Le Carré verirrt. Der Schlussakkord von „Adams Fuge“ gerät zur Kakophonie.