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Katharina Seidler

Raschelnde Buchseiten und ratternde Beats, von Glitzerkugeln und Laserlichtern: Geschichten aus der Discommunity.

14. 1. 2012 - 08:00

Das Ende vom Anfang

Ein versponnenes Geflecht aus House, Pop, Electronica, Krautrock: John Talabot und sein Debütalbum "ƒIN". Disco abseits der Disco, Stil und Talent ohne Ende.

Auch wenn er es nicht gerne hört, stand der Katalane John Talabot mit seiner Musik in den vergangenen Jahren für viele irgendwie für tropische Sommer, für verliebtes Schwimmen mit Glühwürmchen, Inselgefühle abseits der Großraumdisco, Seelebaumelnlassen auf hohem Niveau: popinfizierter Disco oder Deephouse auf heruntergekochtem Tempo, angereichert mit allerlei Instrumentensamples oder menschlichen Atemgeräuschen. Tracktitel wie "Sunshine" oder "Africa" trugen vielleicht ihr Übriges zu der wolkenlosen Einstufung des Produzenten John Talabot bei. Selbst in seinem dunkleren Acid-Track von 2010, "Matilda´s Dream", konnte er die Sonnenstrahlen, die durch die 303-Wolken glitzern, nicht wirklich verbergen. Macht ja auch nichts.

Ohne Gesicht, aber nie gesichtslos

John Talabot und sein fantastischer Musikgeschmack, nachzuhören bei seiner Show beim Red Bull Music Academy Radio. Die Auswahl beginnt außerdem mit "Oro Y Sangre", einem der Highlights seines Albums.

John Talabot zeigt in der Öffentlichkeit nicht gerne sein Gesicht. Das hat zwar weniger mit dem Techno-Spirit der Detroiter Underground Resistance zu tun, als man glauben möchte, meint aber trotzdem, dass man seine Musik um ihrer selbst willen hören soll und nicht wegen des Coolness-Faktors ihres Urhebers.

Unter Vertrag steht er bei dem großartigen Münchner Label Permanent Vacation, das die Behaglichkeit schon im Namen trägt und einer größeren Öffentlichkeit letztes Jahr zum Beispiel durch das Album "Wolfram" von Wolfram bekannt wurde. Von der Talabot´schen Disco-Glückseligkeit wollten sich bereits so einige Künstler in Form von Remixen ein Stück abschneiden – so hat Talabot unter anderem die französische Sechsergruppe Tahiti 80 in die Disco und ordentlich weit weg vom Original gehievt oder letzten Sommer den Briten von The XX ein balearisches Housekleid verpasst. Wenn er auch ziemlich sehr ähnlich geartet ist, darf man seinen Aufgang-Remix vielleicht doch eine Spur besser und weniger ibizaesk finden, wenn man mag.

John Talabot anonymisiert mit Folie über dem Gesicht

John Talabot

John Talabot mit Foliengesicht.
fIN Album Cover

Permanent Vacation

"ƒIN" von John Talabot erscheint noch im Jänner auf Permanent Vacation

Aufhören, wenn es am Schönsten ist?

Auf seinem Debütalbum hat John Talabot die überschäumende Euphorie mit einer Prise Schwermut angereichert, einem Hauch von Nachdenklichkeit. Das mag vielleicht auch daran liegen, dass er laut Eigenaussage im Laufe der einjährigen Arbeit an den neuen Tracks sowohl seinen Job als auch seine Freundin verlor. "ƒIN", das bedeutet Ende, und John Talabot schließt nicht aus, dass sein Debüt auch gleichzeitig sein letztes Album sein könnte. Die Opfer waren bereits groß.

Das Tempo der Nummern bleibt großteils gedrosselt, und auch, wenn früher oder später immer ein gerader Vierviertel-Beat die Rolle des Herzschlages übernimmt, ist "ƒIN" kein Album für den Club im direkten Sinne. Stilistisch franst sein Sound über den Disco- und House-Tellerrand aus in Richtung Pop, Electronica und Krautrock, es gibt Stimmen und Percussions, endlose Synthie-Schleifen, Streicher und Urwaldgeräusche. "Krauthouse" sagt Tobias Staab im aktuellen Groove-Magazin dazu und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Hier die bisher beinahe einzige im Internet auffindbare Hörprobe aus dem Album, gleichzeitig dessen Abschlussnummer:

So will be now... (feat. Pional) by John Talabot

Pional; Landsmann, Freund, Labelkollege und Musikgleichgesinnter von John Talabot, ist auf zwei Nummern des Albums als Gastmusiker und Vokalist dabei. Der Song "Journeys" feat. Ekhi könnte mit seinen verhallten Vocals auch als Talabot-Bearbeitung von Animal Collective durchgehen. Prinzipiell spielt die menschliche Stimme auf "ƒIN" aber eher die Rolle eines zusätzlichen Instruments, das sich (wie in dem wunderbaren "Missing You") in den Strudel aus sorgsam gesetzten Samples, Flächen, Beats und Geklopfe nahtlos einordnet. John Talabot hat sein ganzes Herz und seine Seele in dieses Album gelegt, auch wenn es kitschig klingt, und diese Liebe und akribische Sorgfalt spürt man in jeder Sekunde. Dieses "Ende" darf einfach nicht das echte Ende sein.