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Marc Carnal

Wer sich weit aus dem Fenster lehnt, hat die bessere Luft. Lach- und Sachgeschichten in Schönschrift.

17. 10. 2011 - 17:02

Tagebuch zum Jahr des Verzichts (30)

Oktober: Shopping

marc carnal

2011 wird Tagebuch geführt und verzichtet: Monatlich auf ein bestimmtes Sucht- und Genussmittel, auf Medien oder alltägliche Bequemlichkeiten. Jeder Verzicht ist klar eingegrenzt. Es gelten freiwillige Selbstkontrolle und dezenter Gruppendruck unter den Mitstreitern.

Sonntag, 9. Oktober

■ Aus "Gleich hundert Übersetzungsvorschläge für An apple a day keeps the doctor away":

Wer Äpfel jeden Tag zur Jaus’ schmatzt
spart sich den Termin beim Hausarzt.

Täglich frische Äpfel pflücken -
Arzt schläft fortan unter Brücken.

Wisst ihr, wovon Ärzte träumen?
Wurmbefall auf Apfelbäumen!

Der Apfel, sagen Ärzte, stünde
ganz berechtigt für die Sünde.

Der Arzt steht durch den Apfel-Snack
mit Augustin am Straßeneck.

Montag, 10. Oktober

marc carnal

SO lockt man Kunden auf dubiose Webseiten!

■ Sehe zum ersten Mal seit Jahren wieder „Wer wird Millionär“ und finde die Möglichkeit des schnellen Gewinns kurz reizvoll genug, um online mein Potenzial bei der beliebten Quizsendung zu testen. Das Ergebnis ist erschreckend:

Ich bin zu blöd für die Millionenshow. Der Stehsatz der Kandidaten lautet immer: „Zu Hause am Sofa sieht das immer so einfach aus.“ Ich versage sogar am Sofa auf ganzer Linie.

■ Eigentlich ist der Oktober-Verzicht der bisher einfachste. Ich gebe zwar verlässlich alles Geld aus, das ich einnehme, in erster Linie aber für Kultur und im Kaffeehaus. Klassisches Shoppen ist mir kein Pläsir und wird nur bei absoluter Notwendigkeit absolviert.

So kam die Idee für die aktuelle Entsagung auch vom weiblichen Flügel der Verzichts-Gruppe, der stundenlanges Schuhe-Anprobieren und Ähnliches tatsächlich als entspannend oder belohnend empfindet.

Dienstag, 11. Oktober

■ Der Erwerb von Lebensmitteln ist im Oktober freilich gestattet. Allerdings sollte ich mich auch in dieser Hinsicht mäßigen. Ich leide nämlich unter einer ausgeprägten und rätselhaften Nudel-Kaufsucht. Bei fast jedem Supermarkt-Besuch komme ich am verlockenden Teigwaren-Regal vorbei, denke mir „Hm, Nudeln, kann man immer brauchen!“ und werfe eine Packung aus dem vielfältigen Sortiment in den Einkaufswagen. Zwar esse ich regelmäßig Nudeln (Wer nicht?), habe mittlerweile aber einen Großteil meiner Küche mit halbvollen Nudelpackungen angefüllt, was ich jedoch – als Teil meiner Spaghetti&Co-Psychose im Supermarkt immer vergesse.

marc carnal

Stress im Büro, Streit in der Familie und der österreichische Fußball geht auch den Bach runter - Wie schön, wenn da wenigstens noch die Waschküchen-Liste als Ventil bleibt!

Mittwoch, 12. Oktober

■ Eine feine Runde in der Finca Carnal – Kollege Wurm erzählt folgenden Witz, der freilich geschmack- und niveaulos ist, aber unser aller Humorzentrum doch mehr als peripher streift:

Was macht man, wenn jemand in einer Badewanne einen epileptischen Anfall hat? Antwort: Die Wäsche dazu werfen.

Kollege T. überlegt in seiner ersten Begeisterung nicht ausreichend und sendet den Jokus – allerdings nur die Frage – an fünf Freunde per SMS. Rasch trudeln entsetzte und besorgte Antworten ein. Vier von fünf meinen, der geschätzte Kollege stünde tatsächlich vor einem badenden Epileptiker und raten ihm natürlich, die Rettung zu rufen. Dass jemand in einer derartigen Notsituation ein SMS schreibt, hinterfragt anscheinend niemand.
Daraufhin weiten wir das Experiment aus: Jeder in der Runde schreibt die Frage an fünf Empfänger. Das Ergebnis ist dasselbe: Fast alle sind besorgt und schicken – anstatt wenigstens anzurufen – schriftliche Ratschläge und Panikbekundungen.

marc carnal

GRUMMELN

Zu dieser Einkaufsliste könnte ich einen prächtigen Text verfassen, bewegende, amüsante und kluge Zeilen voller Wärme und Weisheit, kunstvoll gefertigt aus erlesenen Worten und Sätzen.

Mache ich aber nicht und merke lediglich an, dass ich es ausgesprochen köstlich finde, dass der Autor dieser Einkaufsliste anscheinend immer wieder vergisst, abends vor sich hin zu grummeln und sich deshalb zur Sicherheit eine Gedankenstütze notiert.

Donnerstag, 13. Oktober

■ Ich merke durchaus, wie sparsam ich im Oktober lebe. In den letzten zwei Wochen habe ich ungefähr mitnotiert, was ich mir gekauft hätte, wenn ich nicht gerade darauf verzichten müsste und komme alleine nach der knappen Monatshälfte auf fast 150 Euro. Hilfe!

marc carnal

Die alte Frage aus dem Deutsch-Unterricht, "Was will uns der Autor damit sagen?", ist selten passender als bei diesem Leserbrief in der Tageszeitung "heute", mit dem Frau Deutsch besonders im letzen Satz ihrem Namen keine besonders große Ehre macht.

■ Aus einer Wohnungsanzeige:

„Die menschliche Phantasie kennt keine Grenzen- und doch, eine Steigerung der Vielfalte, welche der Prater an Unterhaltung und Erholung bietet ist unvorstellbar! Mit aller Gewissheit repräsentiert diese, zum Begriff gewordene Wunderwelt, bestehend aus einer Konglomeration einer endlosen Zahl aus Spielereien, Gartenrestaurants wie dem Schweizerhaus, Radwanderwegen, Tennisplätzen und Stränden, Bühnen und Pferderennbahnen, einer Fußball-und Radstadion sowie Auststellungszentren und dem öffentlichen Verkehrsknotenpunkt- Praterstern, aber auch aus Casinos und Spielautomaten... usw, einen weltweiten Begierdedistrikt, ein Unikat!“

Freitag, 14. Oktober

marc carnal

Die Eigenwerbungs-Toleranz der Leser schamlos auslotend, weise ich darauf hin, dass am Mittwoch, den 19. Oktober um 20.00 Uhr im Konzertcafé Schmid Hansl die Lesung "Eier, Butter, Bier" stattfindet, bei der ich neben höflichem Battle-Rap und Klingonen-Lyrik vor allem "Texte zu Einkaufslisten unbekannter Provenienz" zu Gehör bringen werde, was ich nun - versprochen!!! - zum allerletzen Mal bemerke und mit der Hoffnung schließe, dass möglichst viele Leserchen in möglichst großen Scharen kommen.

Samstag, 15. Oktober

■ Lieber Bauhackler, der du gerade auf dem Gerüst vor meinem Fenster stehst und ungeniert in meine gute Stube starrst: Schau mir nur zu beim Tippen, ich schreibe nämlich gerade über DICH. Und nächste Woche lesen dann alle auf der FM4 Website, wie indiskret du bist, also sei froh, dass ich deinen Namen nicht kenne.

■ Hörbuch-Idee: Ein Sprecher mit geeigneter Bass-Stimme liest die Bibel als Gott, also umformuliert in der Ich-Perspektive. Ein mit Sicherheit polarisierendes Produkt mit ertragreichen Verkaufszahlen.