Erstellt am: 24. 9. 2011 - 11:16 Uhr
Theorien vom unteren Ende

ATCQ
Ein mächtiger, geloopter Jazz-Bass, zu dem sich die Stimme von Q-Tip gesellt - und dann dreißig sensationelle Sekunden, bevor überhaupt die krachenden Drums einsetzen.
Ewiger Dank an Daniel Schreiber für dieses Stil-Leben zum Thema!
Back in the days when I was a teenager
Before I had status and before I had a pager
You could find the Abstract listening to hip hop
My pops used to say, it reminded him of be-bop
Excursions gehört zu den kraftvollsten Intros, die je eine Rap-Platte geziert haben. Wenn im darauffolgenden Buggin' Out dann noch Phife Dawg das energetische Yang zu Tips dauer-entspanntem Yin skizziert, sind wir schon mittendrin in diesem reißenden Fluss von einer LP. Obwohl oder gerade weil sie viel reduzierter ist als das Debütalbum, zeigt "The Low End Theory" A Tribe Called Quest am vorläufigen Höhepunkt ihrer kreativen Chemie - was sich in scheinbar müheloser Virtuosität auf allen Ebenen ausdrückt. They've got the Jazz - und wie!
Die Verschmelzung von Jazz und HipHop war vor "The Low End Theory" noch nicht mit dieser Konsequenz durchgezogen worden - und so leichtfüßig und gut ist diese Fusion auch danach nur selten geglückt. Während konservative Popkritiker sich an der Utopie „Jazz HipHop“ erfreuten, wehrten sich A Tribe Called Quest dagegen, als Jazz-Musiker bezeichnet zu werden. Sie hätten einfach hauptsächlich Jazz-Platten gesamplet, wären aber trotzdem HipHop durch und durch.
Großes Thema war das damals natürlich auch bei "Tribe Vibes & Dope Beats", wo Katharina Weingartner, DJ DSL und in dieser Sendung zum ersten Mal auch Werner Geier (RIP!) die Platte besprachen und Interviewausschnitte von Q-Tip, Phife und Ali Shaheed spielten. Ein schönes Zeitdokument, dass Dank der Kollegen vom Wiener Magazin The Message jetzt auch online nachzuhören ist:
"The Low End Theory" hat mit seinem Fokus auf Jazz-Samples und der minimalistischen Ästhetik den Sound von HipHop entscheidend mitgeprägt. Vieles von dem, was heute bei einschlägigen Parties als "goldene Ära" des Genres bezeichnet wird, kann zu Teilen auf diese eine Platte zurückgeführt werden. Gruppen wie The Pharcyde oder die Digable Planets hätten wohl nie Plattenverträge bekommen, wenn nicht die exzentrischen Rap-Bohemiens von den Native Tongues den Weg geebnet hätten. Und auch ein späterer Rap-Superstar machte auf "The Low End Theory" erstmals großen Eindruck: Busta Rhymes.
Epilog: Die Band A Tribe Called Quest gibt es leider seit 1998 nicht mehr, der durchaus empfehlenswerte Dokumentarfilm "Beats, Rhymes & Life" wird aber nach zwei Screenings bei RUN VIE hoffentlich noch öfter in österreichischen Kinos zu sehen sein…