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Michael Fiedler

Politik und Spiele, Kultur und Gegenöffentlichkeit.

5. 9. 2011 - 18:51

Schüssels Rücktritt ist ein Symbol

Ein Kommentar zu Wolfgang Schüssels politischer Kultur und Politikern im Kleid von Ich-AGs

Wolfgang Schüssel ist zurückgetreten. Während seiner Zeit als Kanzler der blau-schwarzen und später der schwarz-orangen Regierung wäre das eine Sensation und das Ende dieser Regierungen gewesen, das Eingeständnis des Scheiterns. Aber was bedeutet dieser Schritt heute?

Wolfgang Schüssel

APA - Robert Jaeger

Schüssel war von 2000 bis 2007 österreichischer Bundeskanzler. Seit der verlorenen Wahl von 2006 saß er als einfacher ÖVP-Mandatar im Nationalrat, sein Einfluss in der Partei war nicht mehr allzu groß, seine Stellung in der Partei eine rückbezügliche. Er ist der geistige Vater der beiden Regierungen mit der FPÖ bzw. ihrem Abspaltprodukt, dem BZÖ, die ab dem Jahr 2000 neue politische Impulse setzten. Vor allem aber wäre es Schüssel aber darum gegangen das dritte Lager, die rechten und rechtsliberalen Parteien, durch Regierungsverantwortung an ihre Grenzen zu führen und zu schwächen. Das hat ja auch funktioniert, die FPÖ hat bei der Wahl 2002 weit mehr als die Hälfte ihrer WählerInnen verloren, sich aufgespalten und zerfasert. Aber schon wenige Jahre später kommen Blau und Orange zusammen auf mehr Stimmen als 1999, und heute will Heinz Christian Strache nicht nur Bürgermeister von Wien, sondern auch Kanzler werden. Den Sonntagsfragen zufolge hat er auch sehr gute Chancen auf Platz eins.

Wolfgang Schüssel und Jörg Haider im Cabrio

APA - Eggenberger Gert

Wolfgang Schuessel als Beifahrer von Jörg Haider im offenem Porsche (12. Juni 2000)

Ich-AG-Politiker

Wolfgang Schüssels Plan ist dahingehend also gescheitert. Das größere Problem ist aber die Art von Politik, die sich durch die von ihm geführten Regierungen etabliert hat: Karlheinz Grasser, zunächst FPÖ-Finanzminister, später „parteiloser Minister der ÖVP“ (sic!) hat nicht nur das Prinzip markiger PR-Sprüche auf die Spitze getrieben, er hat die Ich-AG als Politiker durchgezogen.

Das Bild des Staates als Aktiengesellschaft, verantwortlich allen Shareholdern gegenüber, also allen BürgerInnen, entspricht dem rechtskonservativen Weltbild. Das Unternehmen Staat muss seinen MiteigentümerInnen ein bestmögliches Ergebnis liefern. Kann es natürlich nicht, muss es aber versuchen. Wenn aber dann eine Ich-AG wie Grasser, die nur sich selbst verantwortlich ist und neben dem Wohl des Staates oft auch sein eigenes Wohl im Sinne hat, in einer Spitzenposition rückt, wird das System pervertiert.

Und die Liste der Verfehlungen Grassers, ganz egal, ob diese irgendwann einmal strafrechtliche Folgen haben oder rein moralischer Natur sind, ist verdammt lang: Seine von der Industriellenvereinigung finanzierte, nicht versteuerte und sagenhaft teure Homepage; diverse Zuwendungen von Bekannten und Firmen, seine undurchsichtigen Beteiligungen an den Verkäufen der BUWOG und der Hypo, seine für alle Beteiligten lukrativen Freundschaften zu Peter Hochegger und Walter Meischberger, seine selbstangezeigte Steuerhinterziehung, etc.

Rücktritt als Zeichen guten Stils

Es war Wolfgang Schüssel, der Grasser als parteiunabhängigen Finanzminister in seine Regierung geholt hat, ihn später sogar zum Vizekanzler machen wollte. Und auch wenn Schüssel jede Verantwortung von sich weist und sein Rücktritt nur ein Symbol ist, es könnte ein wichtiges sein:
Dafür nämlich, dass Politiker wieder Verantwortung und gegebenenfalls den Hut nehmen. Dass dieses Zeichen guten Stils verloren gegangen ist, ist nämlich auch Teil jener Politik, die Schüssel mit etabliert hat.