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Simon Welebil

Abenteuer im Kopf, drinnen, draußen und im Netz

28. 7. 2011 - 18:40

Freie Karten für alle

Gemeinsam mehr erreichen: OpenStreetMap erschafft Landkarten nach dem Wikipedia-Prinzip.

Wir nützen Landkarten öfter und intensiver als jemals zuvor. Auf Smartphones, Websites oder Navigationsgeräten kommen wir fast täglich mit Karten in Kontakt. Sie sind so allgegenwärtig, dass wir das Geschäft mit den Karten gar nicht wahrnehmen. Wer Kartenmaterial oder Geodaten nützen will, muss meist teure Lizenzgebühren an die großen Kartendienste bezahlen. Die Alternative dazu heißt OpenStreetMap.

Der Londoner Steve Coast fühlte sich 2004 gefoppt. Zuerst hat er viel Geld für sein GPS-Gerät ausgegeben, dann sollte er auch noch Lizenzgebühren zahlen, um eine gute Karten seiner Umgebung zu erhalten. Doch das wollte er nicht.

Stattdessen hat er sich dazu entschieden, seine eigene Karte zu zeichnen, mit einem Linux-Rechner, etwas freier Software und Geodaten, die er selbst sammeln würde. Er hat das GPS-Gerät auf seinem Mountainbike montiert und ist einfach losgeradelt. Die Geodaten, die er dabei aufzeichnete, hat er anschließend auf seinem Rechner bearbeitet und interpretiert.

Wenn er eine Karte seiner Umgebung anfertigen könnte, dann könnten das andere auch, und wenn man dies zusammenfüge, könnte man die ganze Welt kartographieren.

Karte auf openstreetmap.org

openstreetmap.org

Die Vermessung der Welt

OpenStreetMap, wie Steve Coast sein Karten-Projekt bezeichnete, hatte von Anfang an nicht weniger im Sinn, als eine Landkarte der ganzen Welt zu erstellen, erzählt Coast. Doch alleine würde ihm das nicht gelingen.

Auf Linux-Events, in Bars und später auf sogenannten „Mapping-Parties“ versuchte Coast Leute zu überzeugen, für OpenStreetMap zu arbeiten. Sein Engagement war erfolgreich. Mittlerweile beteiligen sich über 400.000 Personen bei OpenStreetMap. Der Dienst ist zur größten freien Geodatenbank der Welt geworden. Mehr als 2,3 Milliarden GPS-Punkte sind bei OpenStreetMap verzeichnet und fast 100 Millionen Wege.

Manchmal genauer als kommerzielle Karten

Hier kann man verschiedene Kartendienste miteinander vergleichen.

In manchen Teilen der Welt ist OpenStreetMap inzwischen genauer als etwa die Karten von google, yahoo oder bing, vor allem in westlichen Ballungsräumen, wo der Dienst viele UserInnen hat. In einigen ländlichen Gegenden hingegen gibt es bei OpenStreetMap noch weiße Flecken, aber das wird sich in einigen Jahren ändern, wie Steve Coast meint. Wie bei Wikipedia ist die Qualität des Dienstes von seinen UserInnen abhängig, und deren Zahl wächst ständig.

Mittlerweile brauchen Personen, die mitarbeiten wollen auch kein GPS-Gerät mehr. yahoo, bing und auch staatliche Institutionen, etwa GeoImage Austria, haben OpenStreetMap Luftaufnahmen überlassen. Auf deren Basis werden nun Informationen in Karten übertragen.

Crisis Mapping

Einer der großen Vorteile von OpenStreetMap gegenüber den kommerziellen Kartendiensten ist, dass die UserInnen rasch auf Veränderungen reagieren können. Die Grenze des jüngsten Staates der Welt, Südsudan, war kurz nach der Staatsgründung schon eingetragen. Besonders wichtig ist die rasche Reaktion aber in Krisensituationen.

Als Haiti im vergangenen Jahre von einem gigantischen Erdbeben erschüttert wurde, haben nicht nur hunderttausende Menschen ihr Leben gelassen, sondern auch die komplette Infrastruktur des Landes wurde zerstört. Hilfsorganisationen wussten nicht, wie sie zu den Verwundeten durchkommen sollten. Das ohnehin nur spärlich vorhandene Kartenmaterial war durch die Zerstörungen unbrauchbar geworden.

In nur wenigen Tagen haben OpenStreetMap-UserInnen aus der ganzen Welt basierend auf Luftaufnahmen neue Landkarten erstellt. Eine wichtige Unterstützung für Hilfsorganisationen und die Vereinten Nationen.

Karten für alle Spezialgebiete

Jeder und jede kann die Daten, die OpenStreetMap gesammelt hat, benutzen und verändern. Die einzigen Auflagen dafür sind, dass die Quelle genannt wird und dass die Änderungen auch wieder OpenStreetMap zugänglich gemacht werden müssen. So sind bereits viele Spezialkarten entstanden, für RadfahrerInnen, SkifahrerInnen oder NichtraucherInnen.

Die nächsten Schritte sieht Steve Coast darin, noch exakter zu werden, um mit OpenStreetMap den Sprung auf die Navigatioinsgeräte zu schaffen. Dafür müssen aber noch viele Daten eingegeben werden: Fahrtrichtungen, Geschwindigkeitsbegrenzungen und Verkehrsschilder zum Beispiel. Bis dahin ist es noch ein gutes Stück Arbeit.