Erstellt am: 2. 7. 2011 - 15:10 Uhr
Cat´s Eyes: Der Sänger der Horrors geht fremd
Gleich vorweg: Die Horrors hat Faris Badwan - vormals Faris Rotter - nicht aufgelöst. Ganz im Gegenteil, das neueste Album des Quintetts kommt nächste Woche heraus. Erst wurden die Horrors ja von der britischen Musikpresse ein wenig ausgelacht, um nicht zu sagen völlig verlacht ("Sheena Is A Parasite"), bis diese draufkam, dass die fünf jungen Düstermänner doch mehr zu bieten haben als auffällige Frisuren. Mit den Horrors ist Faris Badwan - Brite mit englischer Mutter und palästinensischem Vater - nicht nur dies alles in einem: Ramones, Echo & The Bunnymen, Birthday Party, Bauhaus, Cramps, Bowie, My Bloody Valentine, sondern letztlich viel mehr, und dass Geoff Barrow von Portishead ihr letztes Album produziert hat, schadete diesen dark boys auch nicht. Jetzt aber zu Cat´s Eyes.

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Some Wonderfully Strange Music
Katzenaugen leuchten im Dunkeln. Und wie sie leuchten. Faris und seine musikalische Partnerin Rachel Zeffira duettieren sich gleich ganz famos: Er grummelig mit Lee-Hazlewood-Stimme, sie beschwingt und ihn aufmuntern wollend. Vom Titelsong ist die Rede. Dann kommt schon Rachel alleine als Vokalistin, mit David-Lynch-eskem Songbeginn. Rachel Zeffira ist aber gleich mehr Trish Keenan als Julee Cruise.

Vogue
"You are the best person I know, yes it´s true, there´s no one else I like as much as you", sagt sie Faris, und das braucht er auch, dieser Boy mit den Wischmop-Haaren, der einmal neben Mode-Superstar Sasha Pivovarova ein wahrlich nicht schlechtes Teilzeitmodel-Bild abgab.
Da ist diese Instrumentierung: Von Holzblasinstrumenten bis zum Vibraphon und diversen Streichinstrumenten ist alles vertreten. Rachel Zeffira spielt diese Instrumente zum Großteil selbst.
Wer ist diese Wunderfrau neben Faris Badwan?
Sie ist Kanadierin, die in London lebt, und sie ist Multiinstrumentalistin und ausgebildete Opernsängerin, genau gesagt Sopranistin. Außerdem hat Rachel Zeffira italienische Wurzeln, welche wohl auch den Kontakt zum Vatikan herstellten, wo Cat´s Eyes letzten Dezember im Rahmen einer Nachmittagsmesse spielten.Gleich sieben Kardinäle hörten zu. Weiter weg von "Sheena Is A Parasite" könnte Faris Badwan nicht sein.
Das Kirchenlied, also der Lobgesang auf den Herrn - die hymn - ist schließlich jene Liedform, die wie keine andere so gut bis heute überlebt hat, sagt Faris Badwan, und deshalb wurde der letzte Song vom Debutalbum ("I Knew It Was Over") für den Vatikan-Auftritt als hymn arrangiert.
A Doomed Love Affair
Aber alles der Reihe nach: Faris Badwan versuchte es schon einmal mit einer Musikerin, mit Cherish Kaya, unter dem Namen Lumina. Cherish ist jetzt Keyboarderin bei Florence & The Machine. Mit Rachel Zeffira läuft es besser, so gut, dass das Debut von Cat´s Eyes von seiner Intensität her fast so etwas ist wie das Debut von Portishead oder "Felt Mountain" von Goldfrapp.
Manchmal kommen sie einfach so daher, diese großen Alben, an denen alles stimmt, die die Popgeschichte kennen und mit ihr umzugehen wissen. Sie kommen meist ohne große Ankündigung.
Rachel Zeffira ist aber keine abgeschottete Beth Gibbons und auch keine bemühte Alison Goldfrapp. Rachel Zeffira ist und kann alles: das traurige Mädchen, das spielerische Playgirl, der Gegenpunkt zu Faris Badwan, der hier etwas nach Joe Strummer klingt. Welcher Song läuft gerade? "Face In The Crowd", der poppige Song mit dem Ping-Pong-Spiel, das die Stimmen von Rachel und Faris im Sanges-Dialog ergeben.
Aber da ist noch dieser Song vorher: "I know I´m not the prettiest girl, I´m realistic", singt Rachel Zeffira, um dies noch hinzuzufügen: "I´m not stupid". Dann geht es weiter mit ihrer Zeile "And I know she´s better than me." Vom Sound her völlig anders, aber vom Inhalt her ist das beinahe wie Kate & Anna Mc Garrigle einst, als Kate - die Mutter von Rufus und Martha Wainwright - ihren untreuen Eheman anklagte, als dieser mit Suze Roche vom New Yorker Schwesterntrio The Roches davonlief: "She´s better than me".
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Catseyes
Ein perfektes Album. Fast. Faris Badwan - oft mit Goth-Grantler-Stimme - singt zu viel alleine, könnte man bekritteln. Also rein in das nächste Lied, und das geht runter wie Honig, wenn Rachel Zeffira von enttäuschter Liebe singt. "Not A Friend" heißt dieses Stück: "You´ve made your own decisions and you are not my friend." Ob diese (Liebes-)Geschichte wohl ein gutes Ende findet?
Next up: "Bandit". Rachel Zeffira als Nancy Sinatra."If you catch him by surprise, just don´t look into his eyes.He´s a bandit, lock your doors."
Noise Explosion
Dann kommt "Sooner Or Later". Very spooky, wie Faris da erst den bad guy gibt, eine Art frühen Nick Cave von der Birthday Party, bis er uns schließlich von einer Sekunde auf die andere zeigt, dass er ja im Grunde doch ein wirklich adretter junger (Artrock-)Mann ist. Und Rachel lässt ihn gewähren. Aber da ist sie endlich wieder, schmiegt sich beim nächsten Song, "The Lull", an ihn, wenn er mit zarter Stimme sagt, "You are always on my mind".

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Cat´s Eyes von Cat´s Eyes ist bei Cooperative Music erschienen.
Ihre gemeinsame Liebe zum Girlgroup-Sound der 1960er Jahre brachte Rachel Zeffira und Faris Badwan zusammen. Girlgroup, das war an der Oberfläche süß, darunter aber pochte das berüchtigte popmusikalische heart of darkness.
Sind die beiden auch ein privates Paar? Ich weiß es nicht. "I will always love you", singt er jetzt. Nein, bitte nicht, let´s not spoil this beautiful moment. Lass sie "nur" eine künstlerische Partnerschaft sein, dann hält dieses Projekt namens Cat´s Eyes vielleicht ja länger.
Inzwischen sind wir fast am Ende des Albums angelangt. "Over You" heißt der herrlich beschwingte Song, der in Momenten kurz goldfrappig ist. Und dann setzt sich Faris Badwan noch einmal hinter das Piano: "I knew it was over before you told me so." Cat´s Eyes, ein Juwel von einem Album, fast zu schade zum Hören. Wenn etwas so hübsch ist, ein Kleidchen etwa, dass man es gar nicht wirklich anziehen will, sondern nur bestaunen, oder ein Heferl, und man deshalb nur vorsichtig daraus trinken möchte.
But will we still love them tomorrow? Yes, we will. Und jetzt freue ich mich schon auf den neuen Horrors-Longplayer, der "Skying" heißt, ganz ohne Geoff Barrow auskommt, und der von großer Intensität und Erhabenheit sein soll. A boy named Faris, gut dass es jetzt so gut läuft für ihn, weil belächelt werden, das hat er nun wirklich nicht verdient, aber das tut ja jetzt eh niemand mehr. Alright.