Erstellt am: 2. 6. 2011 - 12:52 Uhr
Discussing Citylabels
Das Image mancher Städte ist eng mit Musik verknüpft. Man assoziiert sie mit Stilrichtungen, wie zum Beispiel Detroit Techno oder Hamburger Schule, oder setzt sie mit Festivals gleich, wie das Sziget Festival, das Glastonbury Festival oder das Iceland Airwaves Festival, das jedes Jahr im Oktober zahlreiche Besucher nach Reykjavik lockt. Das Image der österreichischen Hauptstadt hingegen wird häufig als weniger frisch empfunden. Riesenrad, Stephansdom und Lipizzaner - so das klassische Wiener Klischée, das aber auch viel Tourismus anzieht.
Stadtmarketing am Popfest
Über das Thema Citylabeling und Stadtmarketing wurde heuer am Popfest Wien bei einem Diskussionspanel debattiert. Eine der TeilnehmerInnen war Kamilla Ingibergsdottir von Iceland Music Export. Island hat in Björk ein Rolemodel internationalen Erfolgs. Sie hat isländische Musik weltweit bekannt gemacht und dabei durchaus Klischées über Island verwendet (Elfen, Naturlandschaften, Spleenigkeit) und tiefer geprägt. Zahlreiche andere Bands wie Sigur Rós, GusGus oder Múm hatten es dank ihr leichter, auf dem internationalen Musikmarkt einen Fuß in die Tür zu bekommen. Isländische Musik sei, so Kamilla Ingibergsdottir, eine Kategorie, unter der die Menschen sich etwas vorstellen können. Dadurch seien sie offener, wenn ihnen etwas Neues unter diesem Begriff präsentiert wird. Problematisch kann das natürlich für andere Bands aus Island sein, die musikalisch eigentlich in eine ganz andere Presche schlagen und sich mit Björk in eine Schublade gesteckt sehen. Das ist die andere Seite.
Der Musiker und Journalist Rainer Krispel - ein weiterer Teilnehmer des Diskussionspanels - steht dem Citylabeling allgemein sehr skeptisch gegenüber. Er kritisiert, dass Marktingstrategien sich häufig damit begnügen, Klischées zu transportieren und sich damit nur an der Oberfläche bewegen. Krispel vermisst in der Auseinandersetzung mit dem Thema den Miteinbezug der Dissidenz und Reibung, die in der österreichischen Musikszene eine wichtige Rolle spiele. Wenn Citylabel, dann bitte ohne Klischées.
Aber die Grenze zwischen Label und Klischée ist schwierig zu ziehen. Wesentlich ist die Authentizität, darin sind sich alle Diskussionsteilnemer einig. Und um die zu gewinnen, muss mit dem gearbeitet werden, was da ist, mit den "grassroots". Klarerweise kann sich eine Stadt nicht eine Qualität ans Revers heften, die nicht vorhanden ist. Das Image, das nach außen vermittelt wird, muss auch von den Menschen in der Stadt so empfunden werden. Berlin zum Beispiel, wurde einfach einzigartig durch die Wiedervereinigung geprägt. Das zeichnet die Stadt aus und wurde dadurch zu ihrer speziellen Stärke.
Wien hatte einige Zeit lang in den 1990ern eine starke musikalische Marke in Kruder und Dorfmeister. Der Vienna Cafehouse Sound war weltweit bekannt. Nach ein paar Jahren wurde aus der Marke allerdings ein Klischée und Musiker, die nach dem selben Rezept kochten, wurden alle zusammen über einen Kamm geschert, ungeachtet der Qualität. Außerdem, kritisiert Rainer Krispel, hätte der große Erfolg von Kruder und Dorfmeister anderen Musikern, außer den beiden, nicht viel gebracht.
Wie kann also ein starkes Citylabel der Musikbranche nutzen? Fakt ist - ein starkes Image kann Touristen anziehen, und die bringen Geld. Wenn die Touristen wegen eines Musikfestivals kämen, wäre es also recht und billig, wenn die Stadt einen guten Teil dieser Einnahmen der Musikindustrie und den Festival-Ermöglichern zukommen ließe. Das wäre eine Möglichkeit, enthält im Fall von Wien allerdings bereits zu viele Konjunktive.
Und abgesehen von den ökonomischen Überlegungen? Hat Citylabeling auch einen anderen Sinn? Kamilla Ingibergsdottir schreibt ihm eine solidarisierende Wirkung zu. Wenn die Welt eine Stadt wie zum Beispiel Reykjavik mit guter Musik, freundlichen Menschen und tollen Parties verbindet, dann kommt die Stadt diesem Image nochmal umso lieber nach, so Ingibergsdottir: "That's how the world sees us and what they appreciate, so that's what we want to do." Im besten Fall kann Citylabling also auch Identität stiften.
Wie könnte nun also die Stadt Wien gelabelt werden, abseits von Sängerknaben und Burgtheater? Was hat Wien, was andere Städte nicht haben und was als spezielle Stärke hervorgehoben werden kann? Krispel pocht auf die Kontroversität in der musikalischen Musikszene - ein Stichwort, das mit Sicherheit auch sonst sehr gut zu Wien passt. Deswegen war der Werbeslogan "Wien ist anders" wohl auch so erfolgreich.
Auf die Frage, wie Rainer Krispel denn Wien labeln würde, meint er schmunzelnd: "Menschen, die das Glück haben, ihre Obsessionen ausleben zu können."