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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

16. 5. 2011 - 19:00

Australische Elektropoperleuchtung

Mit einem Jahr Verspätung erreicht die Soundwelle der Australier Miami Horror nun endlich auch Europa. Mit "Illumination" installiert Mastermind Benjamin Plant eine fantastische Welt in unseren Köpfen.

Es gibt dieses Phänomen, dass Künstler, Bands oder Platten erst zeitverzögert "einschlagen" und die Musikmedienwelt plötzlich geschlossen in den höchsten Tönen von eben dieser einen Platte oder Band Lobpreisungen abliefert. So geschehen zum Beispiel bei Empire Of The Sun. Denn während Christian Fuchs vor zwei Jahren schon vom Sound Of Sehnsucht schwärmt, läuft "We Are The People" erst ein Jahr später in Werbesports, im Hintergrund oder bei Zusammenfassungen von Live-Übertragungen und wird in die Playlisten der Massenradiostationen eingespeist.

Zur gleichen Zeit als die Australier ihr Imperium der Sonne auf die damals ahnungslose Musikwelt loslassen, hat ein anderer Landsmann, Benjamin Plant ein ebenso zuckersüß poppiges, wie auch überdimensional verträumtes und manchmal haarscharf am Kitsch vorbei manövrierendes Projekt am Start: Miami Horror. Das Debüt "Illumination" wird mit einem Jahr Verzögerung jetzt auch endlich in Europa veröffentlicht.

Miami Horror Bandfoto in der Australischen Wüste

Miami Horror

Das ursprüngliche Soloprojekt von DJ und Musiker Benjamin Plant ist mittlerweile zur vierköpfigen Band Miami Horror angewachsen.

French House meets 70ise Psychodelic

Auch wenn uns Benjamin Plant mit dem Eröffnungsstück "Infinite Canyons" mit elektronischem Vogelgezwitscher und sphärischen Synthie-Flächen ein wenig einlullen möchte, räumt das darauf folgenden "I Look To You" sofort die Assoziationen mit Bands wie AIR komplett ab. Der französische Vibe bleibt allerdings. Das treibende Stück verbindet French House mit funkigen Bläsersätzen, während die zarte Stimme der Neuseeländischen Sängerin Kimbra den Song ins klassischen Popgefilde trägt.

Ein Song, der schon 2009 in der Clubszene sein hypnotisches Unwesen treibt und erst einige Zeit später auf große Resonanz stößt, ist "Sometimes". Dieser Indie-Pop getriebener und nicht nur produktionstechnisch fette Ohrwurm fügt sich nahtlos in die vom Hedonismus getriebene Musiklandschaft Australiens.

Doch auch der Hang zur Melancholie und Psychedelic ist dem Album anzuhören. Etwas, das Mastermind Benjamin Plant erst spät im Entwicklungsprozess von Miami Horror in die House-lastigen Tracks eingearbeitet hat. Die Inspiration dafür kam über Daft Punk, die für Benjamin den Disco-Sound in die schöne neue Elektronikwelt geholt haben. In ähnlicher Weise wollte der Miami Horror Produzent psychedelische Versatzstücke in den Club transferieren, was ihm mit dem instrumentalen "Grand Illusion" gut gelungen ist. Auch der Phoenix-Krautrock-Hybrid "Unltraviolet" macht hörbar, wie eine ausgewogene, frische und trotzdem eigenständige Verschmelzung von Indierock, House, Elektronik und Pop klingen kann.

Ebenso trägt das etwas ruhigere "Moon Theory" eine gewisse Melancholie und Sehnsuchtsstimmung in sich. Zwar darf hier ebenfalls ein druckvoller Beat nicht fehlen, jedoch dominieren bei diesem eingängigen Popsong die großen Melodien, der chorartige Refrain, eine Akustik- wie auch Slide-Gitarre, sowie munter drauf los zwitschernde Synhties. Auf visueller Ebene erhält dieses Stück durch das großartige Cowboy-Video zusätzlich eine gewisse Tiefe, eine seltsam überirdische Atmosphäre.

The Miami Horror Twist

Benjamin Plant ist kein überdrehter, oberflächlicher, nach Erfolg und "Sex'n'Drugs'n'Rock'nRoll" Lifestyle dürstender Party-Head ist. Vielmehr scheint sich in dem Australier eine unglaublich vielfältige und tiefgehende Welt aufzutun, wenn es um die künstlerische Umsetzung seiner Ideen geht. Was die Videos von Miami Horror betrifft, so spiegelt sie genau diesen schrägen, skurrilen Part wieder, der für Benjamin extrem wichtig ist. Bestes Beispiel dafür ist "Holiday", dass visuell als klassischer Roadtrip eines verliebten Prächens umgesetzt ist, wobei man erst beim zweiten Blick merkt, dass hier irgendetwas nicht stimmt und der fesche blonde Typ vielleicht nicht ganz von dieser Welt ist.

Kleine Anmerkung: Passend zu diesem schrägen Aspekt, dem bei Miami Horror viel Platz eingeräumt wird, ertönt während des Interviews mit Benjamin Plant plötzlich lautes Geschrei im Hintergrund. Die gerade in der Nähe von Kopenhagen auf Tour befindliche Band wird von der Polizei gestoppt und bekommt die verbale Schlagkraft der dänischen Justiz zu spüren. Glücklicherweise ist zum Ende des Interviews dann doch alles geklärt und der Streit sich in Wohlgefallen aufgelöst. Eine Entwicklung, die sich hoffentlich bei Miami Horror vs. den "alles nix neues, alles fad"-Kritiker auch einstellen möge.

Der einzig fahle Beigeschmack der klebrig süßen Popzuckerln kommt auf, wenn es um die Diskussion von Einflussnahme durch die Plattenindustrie geht. Denn die wirklich großartigen Songideen der Singles "Sometimes", "Summersun" oder auch "Holiday" kommen streckenweise etwas zu gebügelt und gestriegelt daher. Hakt man etwas nach, so dürfte gerade in den Fällen die Weisung vom Majorlabel an Benjamin ergangen sein, doch noch mal mit dem Bügeleisen drüber zu gehen, um etwaige Ecken und Kanten platt zu machen. Vielleicht ist es aber auch der schüchterne und recht nachdenkliche Charakter von Plant, der eine durchgehend glatte Popproduktion als erstrebenswertes Ziel definiert hat.

Miami Horror Albumcover "Illumination"

Miami Horror

Miami Horrors "Illumination" liefert somit musikalisch vielleicht nicht die große Erleuchtung, aber das soll sie eigentlich auch gar nicht. Sie ist das richtige Album für sommerliche Playlists, ein großartiger Soundtrack für die persönlichen Roadtrips ans Meer oder zum Mond, sowie die absolut perfekte Kopfhörer-Platte, um sich "wegzubeamen". Denn genau das ist es, was Benjamin Plant mit Miami Horror erreichen wollte, eine fantastische, ganz eigene Welt im Kopf der Hörer zu kreieren. Und das ist ihm eindrucksvoll gelungen.