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Gerlinde Lang

Innerlichkeiten. Äußerlichkeiten.

3. 5. 2011 - 19:54

WOW! Jetzt kannst du sehen, wer dein Profil anklickt!

Sieben Tage Chuck Norris sind eine lange Woche.

Als erstes merken es immer die Tiere. Dann kriegt es der/die jeweilige Computerwizard des Freundeskreises es ab. Auf Facebook greift ein Wurm um sich. Burstup ist der erste, der mal ein Machtwort spricht.

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Wie entfernt man nun das Dingens?

Erstmal das "WOW!" Posting von der Pinnwand löschen.
Die App-Form des Wurms stöbert man auf unter Account>Privacy Settings>Apps and Websites>Edit your settings>Remove unwanted or spammy apps>Liste durchgehen und Terminator spielen.

Der Fanpage-Form des Wurms macht man den Garaus unter Profile>Edit Profile>Activities and Interests>Show other pages>Liste durchgehen und Bösling löschen.

WOW! Jetzt hast du dein Facebook richtig kennengelernt!

Read the fucking manual! Der "WOW!"-Wurm ist so ähnlich wie, sagen wir mal, Farmville. Es greift auf dein Adressbuch zu und versendet wirre Botschaften an deinen erweiterten Bekanntenkreis, die das natürlich alle brav anklicken, weil sie von ihren Freunden, von denen der "WOW!"-Hinweis kommt, ansonsten stets nur topinteressante, urwichtige und extrem nützliche Links, Einladungen und Statusmeldungen gewohnt sind. Der Wurm verbreitet sich über die Walls derer, die ihn angeklickt haben, er verschickt sich als Einladung und schaut auch im Facebook-Chat vorbei.

Mit Begeisterung diskutiere ich mit. Muss ja niemand wissen, dass ich den Einladungs-Wurm nur deshalb nicht angeklickt habe, weil ich vor Monaten schon auf etwas ganz ähnliches reingefallen bin. Ähem.

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Beschließe, die frohe Kunde vom Wurm auch auf meinem Profil zu verbreiten. Einige Freunde haben einen Flashback, das beste Trickbetrüger-Banner like, evar betreffend. Ja, damals haben wirklich Menschen ihre Kreditkartennummer auf einer Website eingegeben, um zu sehen, ob sie vielleicht jemand "im Internet gestohlen" hat.
Ahnungslose flauschige Häschen!

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In meinem Ticker sprudeln mittlerweile die "WOW!"-Einladungen wie eine natürlich kohlengesäuerte Mineralwasserquelle.
Es häufen sich die "D'oh!" Momente. "Was, der auch?? Und ich hatte ihn immer für intelligent gehalten..."

grünes ding mit grünen orwascheln und stacheln

Symantec

Anno 2000 erstellte Symantec ein Fahndungsfoto des Burschen: Grafische Umsetzung des "I Love You!"- Quellcodes.

Aber noch zurück zur History of the Worm. Just morgen jährt sich zum elften Mal der "I love you"-Wurm, der per Mail mit dem liebevollen Betreff exponentiell explodierte. Auch er verschickte sich über das Mail-Adressbuch, die bösen Mails schienen daher von Freunden zu kommen, und auch der Menschen Neugier wurde vom Betreff so genial genau gekitzelt wie jetzt der Stalker-Wurm auf Facebook es tut.

Heimliche VerehrerInnen? Immer nur her damit.

Einen Klick später hatte man dann einen Wurm am Hals, der einem die Bilder von der Festplatte löschte, die MP3s versteckte und ähnlichen Schabernack mehr. Außerdem wuchs die Mail-Last durch jede neue angeklickte "I love You!"-Botschaft. Wenn nur einer die Bösmail öffnet, sind es fünf Ecken weiter schon 200.000 verschickte Botschaften. Das Internet ging ein bisschen in die Knie. Die Wirtschaft beklagte hohe Schäden, und auf einmal hatte fast jeder von der tollen neuen Programmiersprache Visual Basic gehört. In ihr wurde der Wurm verfasst.

Das war 2000. Und jetzt fallen wieder alle drauf rein, weil sie "so was auf Facebook nie erwartet" hätten. Ach, die Welt ist so jung.

Erfinder Richard Dawkins über das Wort "Meme":
"We need a name for the new replicator, a noun that conveys the idea of a unit of cultural transmission, or a unit of imitation.

'Mimeme' comes from a suitable Greek root, but I want a monosyllable that sounds a bit like 'gene'.
I hope my classicist friends will forgive me if I abbreviate mimeme to meme."

So. Gut, dass wir darüber geredet haben. Das Darüber-Reden hilft einigen, die Weiterverbreitung zu vermeiden. Und es hilft, aus dem "WOW!"-Wurm ein eigenes Meme zu machen. Und was tun Memes, wenn sie nach ein paar Stunden in die Pubertät kommen? Sie paaren sich mit einem anderen Meme. Auftritt Chuck Norris.

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chuck norris mit siebentagebart und filzhut, im wald. am revers das "texas ranger" abzeichen.

chucknorrisfacts.com

Chuck steh uns bei.

Erleichtert treten wir der volksaufklärerischen Facebook-Gruppe "Nur Chuck Norris kann sehen, wer auf deinem Profil war" bei. Die ersten Metatexte werden gebloggt.

Im Boschblog wird ein Tortendiagramm gemalt.
Ein Teil "Leute, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat", ein Teil "Leute, die genervt sind von Menschen, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat", und schließlich ein Teil "Menschen, die von Leuten, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat, und von Leuten, die sich über Leute, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat, lustig machen, genervt sind".

Der Autor stellt fest: "Irgendwann ist die eine Hälfte des Fratzenbuchs voller Spam von Leuten, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat. Und die andere Hälfte voll von Postings, die sich über Leute, die wissen wollen, wer ihr Profil angeklickt hat, beklagen. Das ganze Internet ist kurz davor zu explodieren. Das ist nicht in Ordnung."

boschblog.de

Autor Bosch.

Sofort kommt ein Ordnungsruf aus den Comments: "Du solltest die vierte Gruppe nicht unterschlagen: Diejenigen, die dann die Situation in einem Blogbeitrag zusammenfassen. Und Nummer fünf: Solche, die dies dann in einem Kommentar auf besagten Beitrag anmerken müssen."

Schön langsam reagieren manche Facebook-User, so wie
Clemens Eduard H., gereizt.

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Werden "überraschende" Würmer Facebook ins Verderben stürzen?

Leute, die gerne mehr Freizeit hätten, hoffen es.

Inzwischen kann man die ganze Kommunikation über den "WOW!"-Wurm in ganz praktischen kurzen Formeln abhandeln. Andere gehen wieder zur Tagesordnung über. Und wieder andere sind entweder besonders lustig oder hatten's nie kapiert. History will tell.

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