Erstellt am: 6. 4. 2011 - 12:26 Uhr
Freude und Freunde im Nachtleben
Wenn man böse sein will, haben Noah & The Whale zwei Alben lang genau zwei Arten von Songs geschrieben: Den "Ich Liebe Dich" und den "Ich liebe dich nicht mehr"-Song.

noah and the whale
Das Innenleben nach außen kehren, das kann Charlie Fink, Sänger und Songwriter von Noah & The Whale, sehr gut. Die Nachricht, dass sich mit dem dritten Album alles anders anfühlen soll, kam nicht überraschend. Die Band wollte was "Neues" ausprobieren, mit alten Mitteln brechen. Pop statt Folk. Man kann nur sagen: Change is good.
Der Richtungswechsel prangt in Großbuchstaben schon mal auf dem Albumcover: Noah & The Whale - die brave Jungs Partie aus London - lehnt sich an Charles Bukowski an. Jenem amerikanischen Postbeamten, Pferdewettennarr, Bierconnoisseur, Frauenversteher und Dichter, der neben zahlreichen Romanen (ich empfehle als Einstiegsliteratur "Das Liebesleben der Hyäne") u.a. den Gedichtband "The Last Night Of The Earth" veröffentlicht hat.
in the bottom of the hour
lurks
the famous gone quite stupid
churches with peeling white paint
lovers who chose hyenas
schoolgirls giggling at atrophy
the suicide oceans of night
in the bottom of the hour
lurks
button eyes in a cardboard face
dead library books squeezed upright
Diesem "bottom of the hour" und der "lurking activity" widmen sich Noah & The Whale auf ihrem drittem Album "Last Night On Earth". Der rote Faden auf dem Album ist das Nachtleben und die Aufregung, die man verspürt, wenn man sich in der Nacht in die Welt hinausstürzt und das Gefühl hat, unschlagbar zu sein, dass alles passieren kann, man sein ganzes Leben verändern kann, weil einem quasi die Stadt zu Füßen liegt. Der Openersong "Life is Life" (nochmal: life is life!) steht stellvertretend für die lebensbejahende Energie, die das Album verbreiten will. Euphoriepop ft. Gospelchor und die weinende Violine wird vom Keyboard vertrieben.

ondrusova
Charlie Fink wollte auf "Last Night On Earth" keine Texte schreiben, die man zwischen den Zeilen lesen muss, es sollte direkt und simpel sein. Wie auf der Zugfahrt von Wales nach London als Charlie Fink den Text zum Song "Tonights The Kind Of Night" geschrieben hat. Das "ich" hat er außen vor gelassen, um sich auf seine Beobachterposition zu konzentrieren. Lisa mit ihren "deepbrown eyes who's seen it all" aus dem Song "L.I.F.E.G.O.E.S.O.N." war geboren. Der nächste lyrische Schritt: der Junge, der sich nostalgisch an seine Schulzeit erinnert in "Give It All Back".
Noah & The Whale spielen am 20. Mai 2011 auf der FM4 Bühne am LINZFEST
Noah & The Whale machen wenig falsch, das Album ist gut gelaunt und gut gemeint. Leichtigkeit ist die neue Traurigkeit. Als Inspiration und Vorbild fallen beim Interview so lyrisch perfekte Songzyklen wie Tom Waits' "Bonemachine" oder Lou Reeds "Berlin" Album. Nachsitzen ohne Nachsingen bleibt hier als einziger Vorwurf im Raum. Noah & The Whale sollten die große emotionale Geste nicht gleich überstürzt an die Spitze des Olymps katapultieren wollen, der Vergleich bleibt bei aller Liebe nämlich eine Wunschvorstellung. Dafür fehlt bei lyrischer Lupenbetrachtung eine gewisse Tiefe, die Charlie Fink noch nicht so locker von der Feder kommt. Muss sie aber auch nicht, die Band hat doch noch Zeit, oder? Von mir aus gerne. Ich wart in Linz auf sie.