Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Es lebe der Kaizer, Hallelujah!"

Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

3. 4. 2011 - 13:21

Es lebe der Kaizer, Hallelujah!

Grandioses Rocktheater mit malträtierten Ölfässern, wimmernder Orgel, groovendem Kontrabass und Chorgesängen. Die Norweger Kaizers Orchestra verbreiteten ihren musikalischen Virus in Wien.

"Hello Vienna. I know you like gypsy music!"

Ganz in Schwarz gekleidet mit seinen nach hinten gekämmten Haaren im Rockabilly Style hat Sänger Janove Ottesen nicht nur seine Anhänger im Gasometer sofort im Griff. Wie ein Wirbelsturm fetzt das norwegische Sextett vom ersten Song an über die Bühne. Über die schnelle Rhythmen von Rune Solheim, dessen Zylinder am Kopf trotz akrobatischer Schlagwerkarbeit keinen Millimeter zu verrutschen scheint, fiedeln die Gitarristen Terje Vinterstø und Geir Zahl simultan eine wundervolle Linie nach der anderen herunter. Gasmaskenträger und Organist Helge Risa rutscht unruhig auf seinem Klavierschemel hin und her, während rechts vom Schlagzeug Øyvind Storesund mit seinem überdimensional wirkenden Kontrabass thront und einmal mehr beweist, dass er seinen Spitznamen "Thunder" nicht zu unrecht trägt.

Alle Fotos von Niko Ostermann.

Kaizers Orchestra live im Wiener Gasometer

Niko Ostermann

Was Kaizers Orchestra vom ersten Moment an bieten, wirkt ungefähr so, als würde ein Zirkusartist aus dem Stand einen doppelten Salto mit drei Pirouetten durchführen und anschließend in einer totalen Grätsche zum Sitzen zu kommen. Und das auf einem Drahthochseil. Die Performance der nordischen Kaiser hatte schon immer etwas von ausgefuchstem Rockzirkus, wobei das theatralische Moment in den zehn Jahren ihres Bestehens kontinuierlich gesteigert und mit der gegenwärtigen Trilogie "Violeta Violeta" seinen Höhepunkt zu erreichen scheint. Denn mit den neuen Songs wird hinter dem Rockorchester eine weiße Leinwand aufgezogen, auf der die Geschichte, die die skandinavischen Kaizers über drei Platten erzählen, mit simplen und schönen Zeichnungen angedeutet wird. Wie von einem alten Filmprojektor auf die Bühnenwand geworfen flackert und ruckelt das Bandlogo in schwarz-weißer Stummfimmanier, während die sechs Musiker im gewohnten stampfenden Rhythmus die wundervollen Harmoniebögen spannen und ineinander verweben, die auf dem ersten Teil von "Violeta Violeta" zu hören sind. Zu recht meint Janove, es sei das bislang beste Kaizers Orchestra Werk.

Kaizers Orchestra live im Wiener Gasometer

Niko Ostermann

Auch wenn die Songs zu Beginn so klingen, als würden die Norweger in einer komplett leeren Lagerhalle spielen, ist es dem handwerklichen Geschick und der unglaublichen Bühnenpräsenz von Kaizers Orchestra zu verdanken, dass einem der furchtbar verhallte und zischelnde Sound egal wird. Man könnte diese Band wahrscheinlich ohne Soundanlage in eine Scheune stellen und sie würden es schaffen, ihren Liedern den nötigen Druck zu verleihen. Und hier macht sich wiederum das neue Material bemerkbar, bei dem sich in die typische Rhythmik, die Sprechgesangspassagen und schunkelnden Klavierakkorde eine poppige Musikalität eingeschlichen hat, die das Kaizers Orchestra manchmal derart zum Swingen bringt, so dass man bei dem Refrain von "Femtakt Filosofi" oder der hüpfenden Strophe von "Din Kjole Lukter Bensin, Mor" an die Beach Boys und Beatles denken könnte.

Kaizers Orchestra live im Wiener Gasometer

Niko Ostermann

Bei all den gut eingeflochtenen Neuerungen vergessen Kaizers Orchestra jedoch nicht auf ihre markante und von ihren Fans geliebte Show. So wird Stomp-artig auf die berühmt berüchtigten Ölfässer und Autofelgen eingedroschen, um den metallischen Fabriksklang der Rocknummern zu erzeugen und das Publikum von einer Klatschorgie in die nächste zu locken. Auch das schauspielerische Talent der Norweger kommt an diesem Abend nicht zu kurz. So erhält Pianist Helge Risa einen extra Applaus nur dafür, dass er sich mit stoischer Miene in einem Break eines Songs mit einem Kamm seinen extremen Seitenscheitel nach hinten kämmt. Kurz darauf hält Gitarrist Geir Zahl dem auf einem Ölfass stehenden Janove Ottesen mit seinen Händen zwei Plecktren hin, der dann mit einem norwegischen Kinderreim zwischen den beiden hin und her zählt, um eines dann auszuwählen. Alles nur um ein zwanzig sekündiges Solo anzukündigen, dass aus lediglich fünf Tönen besteht. Das kann sich nur ein charismatischer Frontmann leisten der es auch schafft, das gesamte Gasometer "Hallelujah!" schreien zu lassen. Und wenn der große Kaizer sein Orchester mit sprachakrobatischem Rap vorstellt, dann geschieht das nicht nur in bester Slapstick Manier, sondern auch mit der einen oder anderen (un)freiwilligen Enthüllung. Ob der smarte Gitarrist Terje Vinterstø auch wirklich pinke Unterhosen trägt, bleibt allerdings bis zum Schluss ein Geheimnis.

Kaizers Orchestra live im Wiener Gasometer

Niko Ostermann

Es ist ein grandioses Zusammenspiel von ausgefeilten Songs, dramaturgischem Aufbau, unglaublicher Spielfreude und ehrlichem Respekt für die Fans, das den Konzertabend von Kaizers Orchestra zu einem wundervollen Erlebnis macht. Denn im Laufe der zweistündigen Show werden sogar die letzten Reihen im Gasometer in die große, stetig wachsende Kaizers Family aufgenommen, sodass bei der Abschlussballade der ganze Saal unter den Anweisungen von Dirigent Janove Ottesen zu singen beginnt. Und wieder haben es die Norweger geschafft, ihren musikalischen Virus zu verbreiten. Denn sowohl in der Warteschlange vor der Garderobe als auch in der vollen U-Bahnstation hört man neben den "Kaaaiiiizers!"-Rufen eingefleischter Fans die eine oder andere gepfiffene Chormelodie. Und wenn man genau hinsieht, dann scheint sich auf den verträumten Gesichtern der Besucher abzuzeichnen, welcher Satz ihnen nach dieser Show durch den Kopf geht:

"Es lebe der Kaizer, Hallelujah!"

Kaizers Orchestra ive im Wiener Gasometer

Niko Ostermann