Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Mogwai"

Susi Ondrušová

Preview / Review

15. 2. 2011 - 17:09

Mogwai

Merke dir: Hardcore Will Never Die, But You Will. Das neue Album von Mogwai.

Letztens hab ich meinen Namen im schönen Datum-Heftl auf einer Werbefläche entdeckt. In 14punkt-Schriftgröße wird mit u.a. meinem Negativ Zitat eine recht sinnlose Kolumnensammlung in Buchform beworben. Na okay, dann soll das, was ich Scheiße finde, den anderen als Gradmesser dienen sich eine Meinung zu bilden. Mir ist das alles recht. Das einzige was wirklich zählt, ist "Merke dir: "Hardcore Will Never Die, But You Will".

sub pop mogwai

Mit "Hardcore Will Never Die But You Will" sind Mogwai auch fleißig am Touren und kommen u.a. am 8.März ins Wiener WUK.

Den Satz hab ich vor genau zwei Kaffees dem Pärchen neben mir zugeflüstert. Es ist nämlich so, dass mein Musik-Abspielgerät versehentlich für ganze 30 Sekunden laut geworden ist und das Sitzyoga-turnende Pärchen neben mir blickte mich erbost an. Seit einer halben Stunde kreisen sie an ihrem Tisch mit den Händen und Köpfen, unterhalten sich über existentialistische Lebensplanungen und sind umgeben von Laptop-leuchtenden AlleinunterhalterInnen wie mir. Es ist tatsächlich schon das Wort Lichtnahrung gefallen. Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll. Jedes Tun eine Herausforderung. Also abkapseln und anstöpseln, play und weiter im Text: "Merke dir: Hardcore Will Never Die, But You Will" so heißt das neue Album einer meiner Top4-Alltime-Always-Favourite Lieblingsbands, nämlich Mogwai.

mogwai

Es gibt zwei Kategorien von Mogwai-Alben – die traurigen und die fröhlichen. Das siebente Studioalbum der schottischen Vorzeige-Postrocker ist ein fröhliches Album. Musikalisch ist es die Fortsetzung von einem Song, den die Band schon auf "The Hawk Is Howling" (Kategorie: traurig) präsentiert hat nämlich "The Sun Smells Too Loud" (und auf ihrer letzten Tour nie live gespielt hat, was mir ein klein wenig zu denken gibt). Für Mogwai-Verhältnisse ein ungewöhnlicher Song, auf dem die zentrale Melodielinie (wenn man meine Ohren befragt) mit einer überraschenden Leichtigkeit vom Synthesizer, statt wie bisher von der Gitarre, getragen wird.
"We really enjoyed how different it was than what we usually did and we all thought, maybe we should try that direction for us and it's quite a happy sounding album. We had a lot of fun doing it, we always do, even though a lot of our songs are very sad we're not like that as people! It just turned out like that because we fancied a change!" meint Keyboarder und Teilzeitvokalist Barry Burns im Interview letzten Herbst.

ondrusova

Barry Burns von Mogwai beim Interview im November 2010 in Berlin

Kinder von Traurigkeit sind die fünf Mogwai-Musiker sicherlich keine. Die Lachattacken, die Stuart Braithwaite, Barry Burns & Co. bei der Songtitelfindung gehabt haben müssen, sind kaum vorstellbar. Lyrics haben sich Mogwai eigentlich immer gerne verwehrt, was Slogans betrifft sind sie aber Spezialisten. Aufgeschnappte Gesprächsfetzen (Albumtitel!), Witzpointen ("You´re Lionel Richie") oder Wortspiele ("Rano Pano") verschriftlichen den Mogwai-Sound. Erklären möchten sie ihn noch immer nicht, was Barry Burns damit begründet, dass instrumentale Musik für ihn einfach zu abstrakt ist. Auch die eigene.

mogwai

Aus dem Mexican Grand Prix Video

2009 ist er mit seiner Frau nach Berlin gezogen und betreibt neuerdings eine Bar namens "Das Gift" in Neukölln. Für die Zusammenarbeit mit den Bandkollegen heißt das: Files hin- und herschicken. Jeder für sich hat an Songfragmenten gearbeitet. Wenn Mogwai voneinander getrennt sind, sind sie diszipliniert und hart am Arbeiten. Die Zusammentreffen im Proberaum sind redegesellig chaotisch, im Studio war man unter anderem durch den Produzenten Paul Savage (der schon am Debüt-Mogwai "Young Team" gearbeitet hat) wieder zur Disziplin gezwungen. Und zur Höchstleistung angetrieben. Die unter anderem mit der Labelsituation zu tun hat. "Hardcore..." erscheint in Europa auf Mogwai´s eigenem Label "Rock Action", in den USA auf Sub Pop. Das beste Label der Welt, wenn man Barry Burns fragt. Der Albumtitel wäre eigentlich auch ein guter Ersatz für den Sub Pop Labelslogan "Going out of Business since 1988".

mogwai

"Hardcore Will never die..." kann im Mogwai-Zeitgeist bedeuten: Musik kommt immer an erster Stelle, sich selber darf man alles, nur nicht zu ernst nehmen. Und außerdem: irgendwann werden wir zu Staub, aber davor kommt ein bisschen "White Noise". Der Opener auf "Merke dir: Hardcore Will Never Die, But You Will" Kaum ist dieser vorbei, kommt schon die erste große Überraschung: Mogwai haben einen Welt-Hit geschrieben. So richtig mit Text, duettähnlichem Vocoder-Gesang und einer eindeutig als Refrain (!) identifizierbaren sich wiederholenden Passage. "Mexican Grand Prix" bietet neben der Möglichkeit von Kopfschaukelübungen enormes Mitsingpotential. Eine Schar von Mogwai-Fans kann nun auf Lippengymnastik umsteigen. Ich mach´s euch vor: "running down...running down...running down..."

mogwai

"Hardcore..." erschließt sich einem trotz der scheinbar neu gewonnenen lyrischen Identifikationsebene aber immer noch am besten über das alte Rezept von Fantasie und Gänsehautfeeling. So sehr außergewöhnlich großartig der Einsatz von Lyrics auf drei (drei!) Albumsongs ist: Die Stimme ist für die Band doch nur ein weiteres Instrument. Für das narrative, das Ezählerische besorgen immer noch die Mogwai'schen Gitarren und unzähligen Effektpedale. "Double Rainbow" - Erkenntnisse liefern die Texte doch eh nicht, dienen zum Beispiel als Intro. Aber weil man ja gerne Geschichten hört, hier eine Songlyricsauflösung: Ein italienischer Freund der Band erzählt a.k.a. "singt", dass er als Kind, wenn man ihn gefragt hat, was er werden möchte einfach nur "Sklave" geantwortet hat.
Der Track dauert 8 Minuten und 29 Sekunden und heißt "You´re Lionel Richie". Es ist der letzte Song auf "Hardcore Will Never Die But You Will" und wie die neun Stücke davor: unschlagbar.