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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

8. 2. 2011 - 16:14

Musikalische Tiefenpsychologie

Mit "The Deep Field" erforscht Joan As Policewoman die unendlichen Weiten menschlicher Beziehungen und verpackt positive Gesellschaftsphilosophie in wundervollen Popsongs.

Du stehst alleine in der Dunkelheit auf einer Wiese und blickst in den klaren Sternenhimmel. Verglichen mit diesem Anblick erscheinst du dir klein und unbedeutend. Was manche Menschen als unangenehm oder gar bedrohlich empfinden, ist für die amerikanische Sängerin und Violinistin Joan Wasser wichtig, um sich und ihr Leben in die richtige Relation zu setzen. Nicht umsonst ist ihr neuestes Album "The Deep Field" nach einem Ausschnitt des Sternenhimmels benannt, der Mitte der Neunziger mit dem Hubble-Weltraumteleskop fotografiert und erforscht wurde.

Joan: "Ich finde, das ist ein recht poetischer, ja fast romantischer Name, im Gegensatz zu einer gewöhnlichen Zahlen- oder Buchstabenkombination. Außerdem fesselt mich die Unendlichkeit des Großen und des Kleinen. Ich erinnere mich immer wieder gern daran, wie klein ich eigentlich bin im Rahmen des Universums."

Als Joan As Policewoman ist es ihr drittes Studiowerk, mit dem sie sich nicht nur selbstsicherer fühlt, sondern sich dem Hörer auch mehr als bisher öffnet. Schließlich geht es auf "The Deep Field" nicht nur um unsere Beziehung zu den Sternen, sondern auch um die zwischen Menschen hier auf der Erde.

Joan As Policewoman alias Joan Wasser Portraitfoto

Thatcher Keats

Save your energy and smile

Entferntes Meeresrauschen, leises Klatschen und eine Gruppe von Leuten, die in einer unbekannten Sprache zu singen scheinen. Dazu ein paar Keyboardklänge und zurückhaltendes Schlagzeug. Doch dann, mit einer überraschenden Wucht, setzen der Beat, eine schneidende Gitarre und vibrierende Orgelakkorde ein. "Nervous" ist ein überwältigender Eröffnungssong, in dem Joan gleich mit der ersten Zeile klarstellt:

I want you to fall in love with me
can't tell you what's come undone in me
I just want your love
I want it now

(Joan As Policeowoman - "Nervous")

Auf der gesamten Platte hat sich Joan dazu entschlossen, Dinge, die sie bewegen und die sich in ihrem Inneren bemerkbar machen, nicht runterzuschlucken, sondern klar auszusprechen.

Joan: "Es geht um Dinge wie: zu sagen, ich möchte bewundert oder verehrt werden. Oder vielleicht, dass ich mehr Aufmerksamkeit brauche, als ich dir je vermittelt habe. Es ist wichtig und gut solche Bedürfnisse mitzuteilen, denn dann sind sie aus dir draußen und du musst dich nicht mehr darum sorgen, sie für dich zu behalten.

Selbst wenn diese Dringlichkeit und Direktheit wie beim Song "Nervous" zu Beginn eine recht eigene, düstere Atmosphäre schaffen, wird diese mit immer wieder mit federleichten und wundervollen Refrains durchbrochen. Dem Album ist neben der thematischen "Schwere" sogar eine unbändige, musikalische Leichtigkeit anzumerken.

Joan As Policewoman Albumcover "The Deep Field"

Joan As Policewoman

Mit seinem lasziven Groove und der sonoren, grummeligen Stimme von Joseph Arthur verbreitet "Human Condition" von Anfang an eine menschliche Wärme. Denn entgegen den gegenwärtigen, medialen Trends ist es Joan Wasser wichtig, sich nicht auf die Konflikte zu konzentrieren. Ihr geht es um die positiven Anstrengungen, die Menschen unternehmen, ihr Gegenüber zu verstehen. So erzählt "Human Condition" von Joans Beobachtungen von Leuten in einer New York U-Bahn, die versuchen, sich nicht abzukapseln und emotional dicht zu machen, sondern sich dazu entschließen, sich mit ihren Mitmenschen auseinanderzusetzen.

Joan: "Man sollte glauben, es koste mehr Energie, sich anderen zu öffnen. Ich glaube allerdings, dass es viel mehr Energie kostet, sich abzuschotten und alles zu verdrängen. Das Problem ist eher, dass wir daran gewohnt sind, so zu agieren. Schließlich fühlt man sich damit sicherer."

I smile at strangers
knowing it's alright
when they smile right back at me
I know we agree
that good living requires
smiling at strangers

(Joan As Policeowoman - "Nervous")

Joan As Policewoman Portraitfoto

Thatcher Keats

Embracing the change

Eine derartige Abgeklärtheit und Sicherheit kommt allerdings nicht von alleine. Joan Wasser musste mit einigen Schicksalsschlägen fertig werden, wie zum Beispiel den Tod ihres Freundes Jeff Buckley im Mai 1997. Auch in ihrer Kindheit hatte es die junge Violinistin nicht leicht, regte sich doch schon damals das Gefühl im Inneren, nicht ihrem "natürlichen" Weg folgen zu können.

Joan: "Ich wurde so erzogen, dass ich immer aufpassen und meine Umwelt kritisch gegenüberstehen sollte. Ich gebe meinen Eltern nicht die Schuld dafür, sie wollten mich nur beschützen, aber ich war ganz schön wütend. Eigentlich fühlte es sich für mich nicht normal an, jedem zuerst einmal zu misstrauen. Es fühlte sich nicht richtig an. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass man sich vor Menschen nicht grundsätzlich fürchten muss. Und dass es sehr wahrscheinlich ist, dass sich jemand - wenn du die Gelegenheit nutzt, ihm zu vertrauen - auch als vertrauenswürdig erweist und sich so verhält."

Die Beziehungen, von denen Joan auf "The Deep Field" singt, umgibt meist auch eine geheimnisvolle Aura. Eine magische Anziehung, eine unerklärliche Chemie, die uns aufeinander zugehen lässt. Dass Joan dabei auch ihren schrägen, eigenwilligen und humorvollen Zugang behält, beweist das Video zu "The Magic", dem eingängigsten und poppigsten Stück auf "The Deep Field".

Music saves my live

Was ein bisschen nach allzu psychologisiertem Konzept klingt, ist auf "The Deep Field" ein stimmiges, rundes Bild einer außergewöhnlichen Sängerin, die den Mut besitzt, die für sie wichtigen Themen anzusprechen. Und sie bringt uns damit vielleicht auch zum Nachdenken, wie wir uns unseren Mitmenschen gegenüber verhalten. In subtiler Art und Weise transformiert Joan As Policewoman ihre persönlichen Erkenntnisse auf eine abstraktere, allgemeinere Ebene und verpackt sie in kunstvoll arrangierte Popsongs, die von einer ganzen Armada an Musikern mit handwerklicher Präzision und viel Gefühl umgesetzt werden. Unter der Regie von Bryce Goggin spielten neben dem üblichen Lineup gleich fünf verschiedene Bassisten die Stücke von "The Deep Field" ein, um jedem seinen ganz eigenen Klang zu verpassen.

Das Ergebnis ist ein extrem abwechslungsreiches, detailverliebtes und tiefgründiges Album, das durch den vintage sound sich oft wie eine zarte Umarmung anfühlt. Auch die herausdestillierte Energie, die in dem großartigen Abschlusstitel "I Was Everyone" ihre höchste Intensität aufweist, macht "The Deep Field" zu einem besonderen Erlebnis. Das Album kann so auch in schweren Stunden ein kleiner Rettungsanker sein, so wie es für Joan selbst auch die Musik war, ist und immer sein wird.

Joan: "Ich weiß, dass Musik sehr oft mein Leben gerettet hat. Das auch in irgendeiner Form zurückzugeben, ist großartig für mich. Musik wird auch in Zukunft mein Retter sein. Sie hat mein Leben so erfüllt und wundervoll gemacht. Also möchte ich ein Stück dazu beitragen, dass Musik auch das Leben anderer ein wenig mehr erfüllt."