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Anna Masoner

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Anna Masoner

Erkundet als digitale Migrantin Vorzüge und Abgründe der Informationsgesellschaft

25. 1. 2011 - 16:52

Gezwitscher für die Nachwelt

Twitter-Nachrichten seien Teil unseres kulturellen Erbes und sollen archiviert werden. Findet zumindest die Library of Congress.

Der Microbloganbieter Twitter wird derzeit in der Netzgemeinde wie ein Held gefeiert. Hat er doch dem Druck der US Regierung standgehalten und Informationen über Wikileaks Unterstützer nicht herausgerückt. Mit einer anderen US-amerikanischen Einrichtung teilt das Unternehmen seine Daten aber sehr wohl. Allerdings freiwillig. Die amerikanische Library of Congress gab letzen Frühling bekannt, dass sie sämtliche Nachrichten, die seit 2006 durch Twitter verfasst wurden, archiviert.

Twitter als kulturelles Erbe

Die Notwasserung des US Airways Flugs am Hudson River oder der Amoklauf in Winnenden, Barack Obamas Wahlkampf oder die grüne Revolution im Iran. Ereignisse, die von Tausenden Twitter Nutzern verbreitet oder kommentiert wurden. Mehr als zehn Milliarden Kurznachrichten lagern derzeit auf den Servern von Twitter in San Francisco und täglich strömen neue hinzu. Auch wenn der Großteil der Tweets nicht so bedeutende Momente widerspiegelt, sind sie für Martha Anderson, Leiterin des Programms für digitale Langzeitarchivierung der Library of Congress, Teil unseres kulturellen Erbes und damit eine wichtige Ressource für zukünftige Historiker. Ein Historiker, so Anderson, wird in Zukunft wahrscheinlich mit einer Software arbeiten, die Tweets zu einem bestimmten, auch ganz prosaischen, Thema herausfiltern kann.

Auch Werbung interessant

Bereits heute nutzen Sozialwissenschaftler oder Meinungsforscher Twitter als Quelle. Etwa um nach Trends in den 140 Zeichen Nachrichten Ausschau zu halten. Auch die Wahlforschung analysiert das Gezwitscher um ein politisches Stimmungsbild der Nutzer zu zeichnen.
Doch hat sich nicht auch die Marketingwelt Twitter schon längst als bequemes Werbeinstrument unter den Nagel gerissen? Selbst diese Tweets seien für die Nachwelt interessant, meint Martha Anderson, könnten sie doch etwas über das Konsumverhalten ihrer Zeit aussagen. Historiker und Sozialwissenschaftler reagierten demnach auch sehr positiv auf das neue Twitterarchiv der Library of Congress.

Was hat meine Oma damals getwittert?

Doch was halten die Urheber davon, dass ihre Nachrichten für die interessierte Nachwelt konserviert werden? Die User seien ziemlich gespalten, so Anderson. An dem Tag, an dem die Bibliothek die Twitter Archivierung bekannt gab, richtete das Team von Anderson im Büro eine Twitterwall ein, auf der man alle eintreffenden Kommentare zu den Plänen sehen konnte. Ungefähr die Hälfte der User fanden die Vorstellung großartig, dass ihre Enkelkinder ihre Tweets in der Library of Congress nachlesen können. Die andere Hälfte war nicht sehr begeistert von der Idee, dass eine staatliche Organisation ihre Meldungen speichert, so Anderson.

Das Twitter Archiv wird erst in ein paar Monaten in die Library of Congress transferiert, wo die Tweets dann für jeden über ein spezielles Webinterface zugänglich sein sollen. Zum Schutz der Privatsphäre allerdings erst sechs Monate nach ihrer Publikation.