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Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

20. 1. 2011 - 19:54

Finally These Kids Are Allright

Die Welt der Cold War Kids hat sich umgedreht, die Ambitionen sind gewachsen. Das Quartett aus Kalifornien bietet uns sein bislang bestes Album an: "Mine is yours"!

Bei dem Namen Cold War Kids taucht bei mir sofort das Bild einer zerstreuten, mit sich und ihrem Schicksal hadernden Band auf. Schwere Klavierakkorde, die sich bleiern auf das Gemüt legen, sich in die Höhe schraubende Gesangslinien der Verzweiflung und selbst die energiegeladenen Stücke haben für mich immer eine gewisse Trostlosigkeit in sich getragen.

Klar, ein Song wie "Hang Me Up To Dry", der die Tanzflächen jeder Indie-Disco gefüllt hat, passte perfekt in einen hedonistischen Partyabend, aber trotzdem. Nathan Willetts Stimme schien mehr von seinen Dämonen der Vergangenheit gequält, als von den Freuden der Gegenwart beflügelt zu werden. Das mag melodramatisch klingen, aber nach dem Erfolg von "Robbers & Cowards" hat sich die Band aus dem sonnigen Long Beach/Kalifornien mit "Loyalty To Loyalty" definitiv weiter in die dunkleren Gefilde des poetischen Songwritings begeben. Nicht umsonst zierte beim Konzert ein "grinsendes Skelett" die Bühne der Wiener Arena vor zweieinhalb Jahren.

Mit dem neuesten Werk präsentieren sich Sänger Nathan Willett und seine Musiker in vollkommen anderen Gewändern. Bunter, frischer und "lockerer" sitzen die selbst umgelegten Textilien, fast so, als hätte die vierköpfige Band ihre Sicht der Welt auf den Kopf gestellt und eine wichtige Entscheidungen getroffen.

Bandfoto Cold War Kids

Lucy Hamblin

Finally...

... open my arms
Finally I let you inside
Finally made it past the end, to finally begin again

So erklingt der Refrain des wahrscheinlich "kommerziellsten" Songs von "Mine is yours". Von den anfänglich funkigen Gitarrenriffs aus erhebt sich "Finally begin" zu einer strahlenden Hymne mit eingängigem Mitsing-Refrain und positiver Grundstimmung. Nathan Willett hat sich diesmal dazu durchgerungen, in seinen Texten mehr von sich Preis zu geben. Und dies beschert uns in keinster Weise den Abstieg in die Dunkelheit. Ganz im Gegenteil.

Nathan: "Im Nachhinein haben wir bei 'Loyalty to Loyalty' gedacht: Wow! Das Album ist auf vielen Ebenen wirklich düster und sehr melancholisch geworden. Und dann ist mir bewusst geworden, so fühle ich mich überhaupt nicht mehr. Songs wie 'Mine is yours' oder 'Flying upside down' repräsentieren vielmehr wie ich fühle, nämlich fröhlicher und leichter. Es ist eine Seite von uns, die wir bei unserem letzten Album überhaupt nicht zum Ausdruck gebracht haben, nämlich die lustige und unbeschwerte Seite."

Cold War Kids Albumcover

Cold War Kids

Obwohl "Flying upside down" mit einem drückenden Synthie-Bass anfängt, hebt dieser - für mich sehr zentrale Song dieser Platte - nach wenigen Sekunden richtig ab. Er vermittelt eine derart beglückende Atmosphäre, dass man - hört man ihn mit Kopfhörer bei einem Spaziergang - nicht den Kopf zu Boden senken kann, um seinem inneren Monolog nachzuhängen, sondern sich unweigerlich aufrichten muss, um sich und seine Umgebung aufgeweckter wahrzunehmen. Auch das große Finale, das mit flirrenden Gitarren, treibendem, dahin schnarrenden Bass und furiosen Schlagzeugfills in eine höher Sphären hinaufzusteigen scheint, sprüht voller Energie und Lebensfreude. Aber woher kommt dieser Paradigmenwechsel?

Louder than ever

Die Cold War Kids haben mehr als die Hälfte ihres Bestehens on the road verbracht und in ihrer eigenen Welt gelebt, abgeschnitten von Freunden und Familie. Als Nathan Willett, Matt Aveiro, Matt Maust und Jonnie Bo Russell nach der letzten Tour nachhause zurückgekehrt sind, fiel es den vier Musikern schwer, sich in das "normale Leben" wieder einzugliedern. Darüber hinaus hatten sich ihre Freunde und Bekannten maßgeblich verändert. Die Leichtigkeit und Unbeschwertheit der jugendlichen Phase sind dem Kampf um Verantwortung, Bekenntnis und Engagement gewichen. Einem Kernthema von "Mine is yours".

Nathan: "Es war schwierig für uns zurückzukommen und zu sehen, wie viele Freund sich verändert hatten, ohne dass man es miterlebt hat. Mein Eindruck war, dass es den meisten darum ging, sich zu etwas zu bekennen. Viele von meinen Freunden nahmen Beziehungen auf die leichte Schulter, verpflichteten sich zu nichts und wollten keine Verantwortung übernehmen. Es war spannend zu beobachten, wie jetzt jeder auf seine Art versucht, mit der neuen, anstehenden Lebensphase umzugehen, nämlich sich zu entscheiden und zu etwas zu bekennen."

Cold War Kids Bandfoto

Lucy Hamblin

Auch für Nathan uns seine Band selbst stand zu dieser Zeit eine Veränderung an. Die Band hat sich vor den Aufnahmen vorgenommen, ein großes und großartiges Album zu produzieren. Damit dieser Wille nicht gleich wieder durch sich einschleichenden, selbst auferlegten Erwartungsdruck gebrochen wird, musste Nathan sich folgende, für ihn in sämtlichen Kunstformen wichtige Frage stellen.

Nathan: "Was befreit mich in dieser kreativen Zeit? Diese Frage zu beantworten was ziemlich schwierig, da ich das Gefühl hatte nicht zu wissen, wo ich da überhaupt anfangen soll. Jeder entwickelt mit der Zeit viele bewusste und unbewusste Muster. Deshalb war es so wichtig, dass wir uns permanent selbst herausfordern und dass vor allem ich mich intensiv mit dem Textschreiben auseinandersetzte. Das alles hat mich sehr befreit. Aber es ging auch darum, dass wir lernen uns zu Viert freier zu fühlen und Spaß an der Sache zu haben. Das war einerseits schwierig, aber andererseits auch ganz einfach, da es nur darauf ankam, dass wir uns selbst davon überzeugten."

So kann man auch die erste Single, die witzigerweise als letzte Nummer den Weg auf das Album fand, als Antwort auf die Frage, wie man sich selbst befreit, verstehen. Geht es doch darum, neben all den Stimmen von Freunden, Managern, Kritikern und Fans auf seine eigene, innere Stimme zu hören. Und die spricht zu den vier Musikern aus Kalifornien eben louder than ever.

Cut the routine

Prägend für den stilistischen und atmosphärischen Veränderungsprozess der Cold War Kids war die Zusammenarbeit mit Produzent Jacquire King. So klingen die Gitarren bei "Skip the Charades" derart druckvoll und doch präzise, wie es wohl zurzeit kaum ein Anderer zustande bringt. Das Schlagzeug nimmt polternd den ganzen Raum ein, ohne andere sanften Klanglanschaften zuzudecken. Scheinbar unmerklich schleichen sich Synthie-Flächen zwischen den Backgroundgesang, während allein einzelne Gitarrenlinien und glitzernde Akkordzerlegungen den Refrain wie die Sonne aufgehen lassen, selbst wenn die Instrumentierung und Dynamik zuerst einmal zurückgenommen wird. King ist wirklich der König gegenwärtiger Pop- und Indieproduktionen, schließlich stehen auf seiner ausufernden Referenzliste Platten der Kings Of Leon und Modest Mouse neben Produktionen für Jorah Jones und Tom Waits. Seinen reichen Erfahrungsschatz hat Jacquire King den Cold War Kids jedoch nicht aufgezwungen oder gar diktatorisch übergestülpt. Vielmehr ließ er die Band selbst ihre Probleme lösen, wie Nathan meint, und gab "nur" den Rahmen und die Sicherheit dafür.

Bandfoto Cold War Kids

Lucy Hamblin

Im Großen und Ganzen ging es bei diesem Album laut Bassist Matt Maust darum, die Routinen zu durchbrechen und es einmal anders zu machen. So ging man zum ersten Mal mit unfertigen Songs ins Studio, ließ sich ganze zwei Monate Zeit, am Arrangement, den Lyrics und Details zu feilen und wurden die beiden ersten Alben noch in wilder Euphorie eingespielt, regierte bei "Mine is yours" die Sorgfalt.

Das Schöne jedoch ist, dass dabei die Emotionalität nicht auf der Strecke geblieben ist. "Out of the Wilderness" zum Beispiel wärmt mit seinen klassischen Gesangslinien und seinem extravagant rhythmischen Aufbau das Herz, "Royal Blue" hüpft sonnengebräunt am Strand von Long Beach durch die Surf-Popwelt und das experimentell angehauchte "Sensitive Kid" regt durch seine sprechgesangsartige Erzählung und den reduzierten Funk-Groove mit glasklaren Gitarren und mehrstimmigen Chor zum Tanzen an.

"Mine is yours" ist ein Angebot der Band, in ihre positive Welt einzutauchen und sich von aufbauenden pep talkes und der hoffnungsvollen Grundstimmung mitreißen zu lassen. Und dieses Angebot sollte man unbedingt wahrnehmen.