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Susi Ondrušová

Preview / Review

19. 1. 2011 - 21:52

Tu Fawning

Was für eine unglaublich komische Band!

Wenn am 21.Jänner auf dem amerikanischen Sender IFC die neue TV Serie Portlandia startet, wird das in Portland sicher keine solchen Fremdschäm-Ausmaße annehmen, wie hierzulande, wenn man einen ehemaligen Schulkollegen im Zapping-Verfahren in einer "Helden von Morgen"-Folge wiedersieht. „Portlandia“ ist eine scatch-comedy-Serie die jene mythenumwobene Stadt auf die Schippe nimmt, die man hierzulande (im Land, das mit leichter Legasthenie auch als Känguruh-Geburtsstädte verwechselt werden kann) als Indie-Hochburg versteht.

Fred Armisen ist hauptberuflich lustig und Carrie Brownstein ist Riot Grrl-Heldin. Vor kurzem hat die Gitarristin der besten Band von Welt nämlich Sleater Kinney noch diesen Blog hier geführt, hat u.a. einen der besten Songs von Welt gesungen, schreibt zur Zeit an einem Buch, konzentriert sich auf ihre neue Band Wild Flag und eben auf „Portlandia“. Achja. Sleater Kinney ist die beste Band auf der Welt.

In Portland ist das Gras wirklich grün und die Gitarren nie verstimmt. „It´s a city where young people go to retire!“ um es mit Fred Armisen zu sagen. Oder um Carrie Brownsteins Charakter aus Portlandia zu zitieren, ist Portland wie ein „alternative universe, where the Bush administration never happened!”
Bands, die in Portland arbeiten und wohnen heißen Modest Mouse, Shins, Gossip, Thermals, Yacht, Sleater Kinney natürlich und massig andere. Es ist die Stadt der passenden Geschichte, der passenden Infrastruktur, es ist eine Insel der Seligen. Und es ist mythenumwoben, das gibt auch Joe Haege zu. In Realität ist es natürlich nicht lustig, wahlweise von Anwälten oder MusikerInnen in einer Bar bedient zu werden.
Man muss also der Korrektheit halber sagen, Joe Haege ist eben - nebenberuflich Musiker. Dafür ein ziemlich irrer und guter. Bei Menomena, 31 Knots und nun aktuell bei Tu Fawning, die dieser Tage auf City Slang ihr Debütalbum „Hearts on Hold“ veröffentlicht haben.

tu fawning

Wer über dieses Albumcover stolpert, sollte sich festhalten!

Als ich Joe Haege im Backstage Raum vom Admiralspalast, wo Menomena anlässlich des City Slang Geburtstages letzten Novmeber gespielt haben, zum Interview treffe, bin ich mir nicht sicher, was ich vom Album seiner Band halten soll. Ich bin mir auch nicht sicher, wieviel von meiner Skepsis ich ihm mitteilen soll.

„Hearts On Hold“ klingt wahlweise übereifrig, ehrgeizig, verkopft, alt und neu und unentschlossen. Sehr viele Ideen in zehn Songs! Die Pro-Liste überwiegt dann am Schluss, beziehungsweise macht genau das, was ein jedes gutes Album am Ende des Tages bieten sollte: vereinnahmen. Nicht mehr wegzuhören oder wegzudenken. Es ist „haunting“ um ein Fremdwort zu verwenden und auszuschreiben. Es ist komisch, irre aber ergreifend. Es klingt nach nichts, was ich kenne. Die einzelnen Molekülteilchen dieser Musik hat es schon alle mal gegeben, es klingt trotzdem - neu! Der Übereifer der perfekten Produktion - für die eben auch Joe Haege verantwortlich war – die Lieblingsmusiken denen man allen gemeinsam Tribut zollen wollte - hat Tu Fawning zu einem Monsteralbum verholfen, das sich – ähm – hören lassen kann. „Hearts On Hold“ ist eine Zeitreise. Ein Urlaub. Meiner. Deiner.

tu fawning

Tu Fawning aus Portland, Oregon!

Das auffälligste an „Hearts On Hold“ ist zuallererst der Bandname, der wie ein Tippfehler wirkt und doch diese Gedanken unterstreicht, die die Musik provoziert: erfundenes, aber so noch nichts gehörtes. Der Name ist erfunden, die Musik ist homogen zusammengewürfelt. Joe Haege zählt auf: Gamelan Musik, Crooner, Phil Spectorsche Gitarrenwände, Soulmusik und Gospelchöre, Jazz (natürlich!), field recordings und so weiter. Songstrukturen, die auf einem perkussiven Hauptelement aufgebaut sind. Als Joe Haege kurz Luft holt, um seinen Aufsatz der unterschiedlichsten Einflüsse zu Ende zu rechtzufertigen, sage ich „that was a bold move?“ Bold im Sinne von „riskant“ und aus Verunsicherung ob „bold“ nicht einfach auch „dumm“ heißt, lachen wir eine Runde über dies und jenes nämlich, dass zum Beispiel kein deutsches Vokabel das Wort „crooner“ zusammenfassen kann.

„Hearts On Hold“ könnte als Soundtrack für die neue Staffel von "Boardwalk Empire" fungieren. Ich sehe die Sängerin Corinna Repp im Gehaltsnotizbuch von Nucky. Auf jeden Fall. „Sad Story“ empfiehlt sich hierfür zum Start. Mit „Just Too Much“ folgt die Emanzipation in weltlichem Ausmass. Wem das Namedropping wichtig ist: Fever Ray und The Knife auf Analog-Hungerkur würden so klingen wie Tu Fawning. Aber häkelt eure eigenen Assoziationsbändchen und Kettchen, die euch durch unterschiedlichste musikalische Epochen führen werden mit dieser Band und ihrem Debüt. Pardon, entführen. Genau: ENTFÜHREN!