Erstellt am: 17. 1. 2011 - 06:00 Uhr
Netznachrichten holen TV-News ein
Nachdem das Internet die Tageszeitungen schon 2008 als Nachrichtenquelle in den USA überflügelt hatte, rückt es nun dem führenden Medium TV immer näher. Laut der aktuellen Jahresstudie des Marktforschungsinstituts Pew Research hat das Netz TV als bevorzugter Nachrichtenlieferant in der Gruppe der 18-29 Jährigen 2010 überholt.
Waren beide Medien in dieser Altersgruppe 2009 noch gleichauf gelegen, so zog das Netz im abgelaufenen Jahr vorbei. 65 Prozent der Befragten nannten es als Nachrichtenquelle Nummer eins, Fernsehnachrichten kamen noch auf 52, Tageszeitungen sind 2010 auf 21 Prozent abgesackt. Diese Zahlen, die in Summe mehr als 100 Prozent ergeben, kommen deshalb zustande, weil die Befragung die Nennung von jeweils zwei Primärmedien erlaubt.
Erosion der Tageszeitungen
In der nächsten Altersklasse (30-49) steht es zwar noch 63 zu 48 fürs TV, doch auch hier ist die Tendenz eindeutig: Die Kurven streben aufeinander zu, es ist nur noch eine Frage der Zeit bis das Netz auch hier vorne liegt.
Die Erosion der Tageszeitungen aber schreitet auch im siebten Jahr in Folge ungebrochen weiter. 2010 ist man auf den bisherigen Tiefstwert von 31 im Schnitt aller Altersklassen gefallen, doch bei den Jüngeren sieht es für Printmedien nachgerade deprimierend aus.
In Österreich hat sich das Match unter den eingesessenen Medien um den Hoffnungsmarkt Internet recht deutlich im neuen ORF-Gesetz niedergeschlagen. Es sieht zahlreiche Einschränkungen der Online-Berichterstattung für das öffentlich-rechtliche Medium vor und - das ist wohl einmalig in der Geschichte europäischer Mediengesetze - ordnete die Einstellung eines Nachrichtenkanals sowie eine begrenzte Berichterstattung für andere ORF-Kanäle an.
Radio stabil
Nur noch ein Fünftel (21-22 Prozent) der Amerikaner von 18 bis 49 nennen die Tageszeitung als primären Nachrichtenlieferanten, während das Radio in dieser Altersgruppe nur (15-19 Prozent) noch knapp dahinter liegt. Allein bei den über 50-Jährigen können sich die Tageszeitungen noch halten, wenngleich auch hier die Erosion sichtbar ist. Auch in der Gruppe der 50-64-Jährigen holt das Netz rasant auf und liegt gerade noch vier Prozente hinter Print.
Im Schnitt aller Gruppen ist Print seit 2003 von 50 auf 31 Prozent der Nennungen zurückgefallen, während es im Fernsehen "nur" einen Rückgang von 82 auf 66 Prozent gegeben hat. Das viertplatzierte Medium Radio hat sich vergleichsweise stabil gehalten und gegenüber 2001 gerade einmal zwei Prozente eingebüßt.
Verlust an Nachrichtenkompetenz
Dass die elektronischen Nachrichtenmedien sich als deutlich widerstandsfähiger erweisen als Tageszeitungen, kommt nicht ganz überraschend. Die Analysten von eMarketer berichten seit 2008 über einen stetig steigenden Konsum von Online-Videos in allen Altersgruppen bis 64 Jahre.
Nun hat TV-Konsum mit dem von Online-Videos mehr gemein, als etwa mit der Lektüre von Tageszeitungen, die von der Aktualität ohnhin nur noch mithalten können, wenn sie ihre Nachrichten vorab im Netz veröffentlichen. Ihr eigentlicher Umsatzträger aber ist das Printprodukt, das als Nachrichtenträger selbst immer mehr an Bedeutung verliert.
Mit neuen Regeln für digitale Zeitungsabonnements hat Apple belgische und niederländische Verleger verärgert. Bisher können die Verleger zahlenden Kunden der Printausgabe die iPad-Version über eine kostenlose App zur Verfügung stellen. Apple will nun auch hier mit 30 Prozent beteiligt werden.
HDTV und Bleisatz
Und während die Tageszeitungen in ihrem ureigenen Medienformat kein Steigerungspotenzial durch neue Technologien mehr zur Verfügung haben, skaliert das Fernsehen gerade eben zum zweiten Mal binnen weniger Jahre. Die Einführung von Digital-TV war der erste, hochauflösende Bilder (HDTV) der zweite Schritt.
Ein ähnlichen Paradigmenwechsel durch neue Technologien erlebte Print zuletzt Ende der 70er Jahre, als mit der Ablöse von Blei- durch Lichtsatz ein ganzer Berufsstand - die Setzer - obsolet wurde.
Stabile Einschaltzeiten
Auf Europa sind diese Zahlen aus den USA nicht so einfach umzulegen, allein schon deshalb, weil es keine vergleichbare Untersuchung gibt. Die aus dem EU-Raum vorhandenen Zahlen betreffen die Dauer des TV-Kosums bzw. der im Netz verbrachten Zeit.
Hier liegen Fernsehen und Internet mittlerweile gleichauf, allerdings ohne dass TV dabei nennenswert Federn lassen muss. Laut einer EU-weiten Studie von IP Networks, das zum RTL-Konzern gehört, bleiben die vor dem TV durchschnittlich verbrachten Minuten stabil bzw. steigen sogar leicht an. Im Schnitt verbringen die Europäer pro Tag fast vier Stunden (232 Minuten) vor dem TV-Gerät, während es in den USA immer noch fünf Stunden sind.
Ob die Hoffnung der Verleger auf Erlöse aus dem kostenpflichtigen Vertrieb ihrer Produkte über iPad und Co realistisch ist, wird sich noch zeigen. Im Magazinbereich hat sich nach wenigen Monaten bereits Ernüchterung eingestellt, denn die anfänglich guten Verkaufszahlen waren kurz danach schon wieder im Sinkflug.
Machtvolle Konvergenz
Natürlich sagt die Studie nichts über den inhaltlichen Umgang aus, die Frage zum Nachrichtenkonsum wird nicht gestellt. Was hier wiederum fürs Fernsehen spricht, ist der Umstand, dass TV und Netz zunehmend auf ein-und derselben Hardware laufen, immer mehr neue TV-Geräte, Set-Top-Boxen und Sat-Receiver haben WLAN-Zugang bzw. Festplattenrekorder integriert.
Die in den späten 90er Jahren vielbeschworene "Konvergenz" der elektronischen Medien hat mit der Digitalisierung von TV machtvoll eingesetzt, das Potenzial zeigt nach oben.
Den Printverlegern bleibt weltweit hingegen nur die Hoffnung auf Tablet-PCs, die Herren über diesen elektronischen Vertriebsweg sind sie hingegen nicht. Jene Apps, über die das jeweilige Produkt "Tageszeitung" kostenpflichtig vertrieben wird, benötigen die Infrastruktur eines Internet-Providers, im Falle iPad schneidet auch noch Apple mit.
Desaster Myspace
Was passieren kann, wenn sich ein traditionelles Medienhaus auf Geschäfte mit Web-2.0-Modellen einlässt, zeigt sich gerade im Fall von Rupert Murdochs News Corp. Die digitale Sparte Fox Interactive Media verlor im vergangen Jahr 225 Millionen Dollar, 100 davon setzte alleine MySpace in den Sand.
Am vergangen Dienstag gab das Unternehmen bekannt, die Hälfte seiner Angestellten zu feuern, 500 Mitarbeiter müssen gehen. Nach 2009 ist dies der zweite Aderlass für ein Unternehmen, das seit der Übernahme nur Verluste schreibt. Das wesentlich modernere Konzept von Facebook zeigte sich schon damals in enormen, ersten Wachstumsraten, während MySpace, das im Grunde nur eine modernisierte Version des Konzepts von Geocities.com aus den 90er Jahren darstellt, immer langsamer wuchs.
Seit einem Jahrzehnt veröffentlicht das Pew Internet & American Life Project laufend Berichte zum Thema Mediennutzung in den USA. Das Projekt ist Teil des Pew Research Center, hinter dem die Privaststiftung Pew Trust steht.
Die Summe von 580 Millionen Dollar galt damals als Schnäppchenpreis für Myspace, das nun restrukturiert wird, will heißen, aufgeputzt zum Verkauf, der laut Bloomberg für Juni zu erwarten ist. Facebook war 2008/9 an Myspace vorbeigezogen, der Wert des Unternehmens soll aktuell bei 50 Milliarden Dollar liegen.
Seit Mitte 2010 sind die Online-Angebote der London Times und andere Printprodukte aus Murdochs News Group hinter einer kostenpflichtigen "Paywall" verschwunden. Ob acht britische Pfund im Monat pro Abonnent das Kraut fett machen, besonders wenn man, wie der Times attestiert wird, mehr als 90 Prozent des bisherigen Online-Publikums verloren hat, ist einigermaßen fraglich.