Erstellt am: 5. 1. 2011 - 20:21 Uhr
Zwischen den Fronten
Die Allahyaris arbeiten als Familienbetrieb. Wenn gedreht wird, ist die ganze Familie involviert – vor und hinter der Kamera. Und das ist schon seit vielen Jahren so.
Tom Dariusch ist zum gleichwertigen Partner seines Vaters herangewachsen. Die beiden ergänzen sich, streiten aus, was zu klären ist und haben in dieser Vater-Sohn-Arbeitsgemeinschaft letzten Herbst ihren aktuellen Film in die Kinos gebracht. Nach einem Dokumentarfilm über Ute Bock und ihren ausufernden Arbeitseinsatz kam nun ein Spielfilm, der all die Geschichten erzählt, die man dokumentrisch nicht zeigen kann: zum Beispiel Polizisten, die zwischen die Fronten von Theorie und Praxis harter Asylgesetze geraten. Wenn Karl Markovics in der Rolle eines Fremdenpolizisten den Abzug seiner Kollegen befielt, nachdem ein siebenjähriger die Abschiebung seiner eigenen Familie mit einem Küchenmesser in der Hand verhindern will, sieht man einen Aspekt der Asyldebatte, der bisher weitgehend ausgespart blieb: Was ist mit denen, die Gesetze exekutieren müssen, die sie nicht vertreten können oder wollen? Markovics zieht mit dem Satz ab: „Dafür bin ich nicht zur Polizei gegangen.“ Auf der anderen Seite führt uns der Film „Die verrückte Welt der Ute Bock“ in österreichische Amtsstuben, in denen sich der Zynismus breit gemacht hat.
Man möchte den handelnden Personen auf der Leinwand einen geänderten Text in die Hand drücken, um nicht mehr anhören zu müssen, was sie mit ihrer Ignoranz anrichten. Aber der Film nimmt seinen Lauf, wie auch die realen Geschichten draußen vor der Tür, auf denen er basiert.

Radio FM4
Houchang Allahyari ist als Jugendlicher nach Österreich gekommen. Ein junger Perser, der in Wien Film studieren wollte, und dann, um seine Eltern zu befrieden, Mediziner geworden ist. Er hat geheiratet, Kinder aufgezogen, eine Ausbildung zum Psychiater abgeschlossen – und er hat Filme gemacht. Erfolgreiche Filme. 1991 ist „I love Vienna“ in den österreichischen Kinos gelaufen, der erfolgreichste heimische Streifen in diesem Jahr. Die Ausstrahlung über einen amerikanischen Kabelsender hat dem Film international zu einer großen Bekanntheit und Fangemeinde verholfen. Der Hauptdarsteller Fereydoun Farokhzad, ein im Iran bis heute sehr beliebter Dichter, Sänger und Schauspieler, der sich nach 1979 politisch für eine Trennung des Staates von Religion einsetzte, wurde 1992 in seinem Haus in Bonn von Agenten des iranischen Geheimdienstes ermordet. Houchang Allahyari erzählt darüber am Ende unseres Gesprächs.
Auch wenn wir mitten in Europa sitzen ist ein offenes Gespräch im Radio über die politischen Verhältnisse im Iran und die Einschätzung der Lage für einen gebürtigen Perser nicht möglich; spürbare Angst vor einer allgegenwärtigen Bedrohung. Tom Dariusch respektiert die Vorsicht seines Vaters, aber er wehrt sich dagegen, dass radikale Vertreter einer Religion, mit der er nur am Rande aufgewachsen ist, seinen Lebensraum einschränken, indem sie Angst säen.
Hier schließt sich der Kreis unseres Gespräch, der bei den Geschichten von Menschen begonnen hat, die nach Österreich kommen, weil sie sich hier ein besseres, ein sicheres Leben erhoffen.

Radio FM4
Doppelzimmer Spezial zum Nachhören
mit Houchang und Tom Dariusch Allahyari vom 6.Jänner zum Nachhören.
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Filmempfehlungen:
Die verrückte Welt der Ute Bock, 2010
Bock for President, 2009
Geboren in Absurdistan, 1999
I love Vienna, 1991
Fleischwolf, 1990