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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

6. 1. 2011 - 11:00

Patentschlacht um den Smartphone-Markt

Microsoft-Mitgründer Paul Allen rittert mit Trivialpatenten gegen Google, IBM lässt sich das Patentieren patentieren. Die IT-Megakonzerne laden zum Watschentanz.

Das Jahr der "Patenttrolle" 2011 hatte bereits angefangen, bevor es noch so richtig begonnen hatte. Drei Tage vor der Jahreswende läutete eine erweiterte Patentklage des Multimilliardärs Paul Allen das "Shoot-out" 2011 auf dem globalen Markt für Smartphones ein.

Die schon im August eingereichte Klage war Anfang Dezember mit der Auflage zur Präzisierung vorerst zurückgewiesen worden, einen Tag vor Fristablauf hatte Microsoft-Mitbegründer Allen dann diese Auflage erfüllt.

Während der ersten Version nicht zu entnehmen war, welche auf dem Markt befindlichen Produkte da eigentlich diverse von Allens Firma Interval Licensing gehaltenen Softwarepatente verletzen sollen, ist nunmehr klar, worauf der Angriff zielt. Wohl sind auch Branchengrößen wie eBay und Facebook betroffen, die Hauptstoßrichtung zielt jedoch auf den Smartphone-Markt.

"Patenttrolle"

Dieser Begriff hat sich für Unternehmen eingebürgert, die Patente vor allem aus dem IT-Sektor aufkaufen, um sie dann zu "verwerten". Die Verwertung besteht darin, erfolgreiche Firmen gerichtlich anzugreifen, um rückwirkend "entgangene Lizenzgebühren" zu kassieren. Hier gibt es Hintergrundinformationen dazu

Angriffsziel: Android

Und da wiederum scheint Googles Mobilbetriebssystem Android das primäre Ziel zu sein. Apple wird zwar ebenfalls angegriffen, aber die Klage betrifft nur einzelne Anwendungen wie etwa iTunes, nicht aber Apples Betriebssystem iOS. Android wird in der Klageschrift hingegen direkt angegangen.

Herstellung, Vertrieb usw. des Android-Betriebssystems zusammen mit Google-Anwendungen wie Google Talk oder Calendar verstießen gegen das US-Patent No. 6,034,652, heißt es da. Der "Patentverstoß" besteht darin, dass für den Benutzer eines Mobiltelefons eine kurze Nachricht eingeblendet wird, dass eine Nachricht eingetroffen ist.

Trivialpatente

Darauf aber hält Interval Licensing seit den 90er Jahren ebenso ein Patent, wie man sich die Idee für einen Browser, der auch Audio- und Videodateien sortieren und abspielen kann, im Jahre 1996 patentieren ließ (US-Patent 6,263,507). Während der Dotcom-Blase hatten Angestellte des amerikanischen Patentamts zigtausende Trivialpatente akzeptiert, wobei es sich in erster Linie um Softwarelösungen handelte.

Wenn diese Klage durchgehe, dann seien nicht nur alle Smartphone-Hersteller bedroht, die das Google'sche Betriebssystem benutzten, meinte Patentexperte Florian Mueller. Da sich die Klage direkt auf das Betriebssystem beziehe, treffe dasselbe auch für die Entwickler der "Apps", also der Anwendungsprogramme, zu.

Weil mit diesen aber der Erfolg eines jeden Betriebssystems für Smartphones steht oder fällt, liefern einander Weltmarktführer Apple und Google gerade ein hartes Match um die Vorherrschaft bei "Apps".

Florian Mueller beschäftigt sich vor allem mit den Auswirkungen der herrschenden Patentwirtschaft auf Freie Software und offene Source Codes

Android jagt iOS

Am Montag gaben die Marktforscher von Nielsen die neuesten Zahlen für den Smartphone-Markt der USA bekannt. Noch liegt Apples iPhone mit 28,6 Prozent des Markts an erster Stelle, gefolgt von RIMs BlackBerry (26,1). Doch Googles Android-Betriebssystem hatte laut Nielsen in den letzten Monaten des Jahres 2010 doppelt so hohe Zuwächse zu verzeichnen, wie jeder der beiden Konkurrenten. Es ist also nur noch eine Frage weniger Monate, dass Android-Systeme jene mit iOS überholen.

Für Apples iOS stehen mittlerweile Hunderttausende Progrämmchen zur Verfügung, noch etwas mehr, als Android bisher aufweisen kann. Bei den gebräuchlichsten Anwendungen aber liegen beide Systeme in allen Tests ziemlich gleichauf. Nicht ganz überraschend dabei ist, dass etwa die Hälfte aller Android-Apps frei zum Download sind, während es bei Apple nur ein Viertel davon gratis gibt.

Die aktuellen Zahlen vom Smartphone-Markt bei Nielsen Research

Bedrohte "Apps"-Entwickler

Im Match um diesen lukrativen Markt, auf dem die Claims noch längst nicht abgesteckt sind, mischen so gut wie alle großen Player mit. Seit sechs Monaten läuft eine Klage Oracles gegen Google wegen Verstoßes gegen eine ganze Reihe von Patenten betreffend die Programmiersprache Java im Android-Betriebssystem. Sie betrifft Rechte, die Oracle erst jüngst mit der Übernahme von Sun Microsystems erworben hatte. Der Ausgang dieses Streits könnte ebenso Folgeklagen gegen Hersteller der Hardware wie Produzenten von "Apps" zur Folge haben, meint Florian Mueller.

Ebenfalls noch im Dezember hatte Nokia Apple in mehreren europäischen Staaten geklagt, weil Apple angeblich 24 Nokia-Patente nutze, ohne Lizenzgebühren dafür zu zahlen. Diese Klage beruht wie viele andere unter den Branchengrößen selbst auf dem Prinzip des gegenseitigen Einschenkens.

Dieses Diagramm bis Mitte Oktober 2010 zeigt die Anfänge der Entwicklung. Der Link stammt aus dem Forum.

Patente auf Patente

Die Rolle von Patenten in der Informationsgesellschaft wird an diesem Beispiel klar ersichtlich. Mit technischem Fortschritt haben Patente auf Software nur insofern zu tun, als sie auf einem neuen Markt als Waffen eingesetzt werden, um dort möglichst viele Anteile zu sichern. Sei es, um den Mitbewerber durch Patentverfahren zu schwächen, sei es, um sich gegen ebensolche Angriffe zu verteidigen, wie es Nokia gerade gegen Apple versucht.

Den Vogel bei der gesamten Patentiererei rund um die Jahreswende aber hat die IT-Supermacht IBM abgeschossen, indem man ein Patent auf Patente beantragte. Genauer gesagt: IBM will sich den gesamten, ziemlich komplexen Prozess von der Einreichung bis zur Verwertungsstrategie von Patenten patentieren lassen. "Big Blue" verfügt hier über reichlich Erfahrung, werden doch von IBM-Ingenieuren weltweit etwa hundert Patentschriften pro Woche eingereicht.

Das Portfolio von IBM umfasst mittlerweile an die 50.000 Patente, darunter auch viele auf Softwarelösungen. Das Patent auf Patentierung wurde am 30. Dezember eingereicht. Es korrespondiert mit einem bereits 2007 eingetragenen IBM-Patent zum selben Thema.

Waffen gegen Waffen

Was dieses "Patent auf Patentierung" für IBM nun tatsächlich bedeutet, muss dahingestellt bleiben. Zum einen ist IBM gut zehn Jahre nie durch Patentaggressionen vor Gericht gegen Mitbewerber aufgefallen, vielmehr hat "Big Blue" seine mächtige Hand stets schützend über Linux gehalten, wenn es um solche Angriffe auf das freie Betriebssystem ging.

Zum anderen wäre ein Patent auf Patentverwertungsprozesse natürlich ideal geeignet, um Patenttrolle anzugreifen, deren gesamte Geschäftspraxis als Patentverwertungsprozess darzustellen ist.