Standort: fm4.ORF.at / Meldung: "Geburtstagskuchen mit Pavement und Co."

Andreas Gstettner-Brugger

Vertieft sich gern in elektronische Popmusik, Indiegeschrammel, gute Bücher und österreichische Musik.

9. 12. 2010 - 12:14

Geburtstagskuchen mit Pavement und Co.

Ein österreichisches Kollektiv zwischen Gitarrenpop und Noise-Eskapaden. Destroy, Munich und ihr erfrischendes Debüt "don't forget the birthday cake".

"Wir haben ihn alle vergessen", gibt Gabriel zögernd zu. Die Rede ist vom Kuchen zum fünfzigsten Geburtstag seiner Mutter. Auch wenn das jetzt schon fünf Jahre her ist, scheint es dem Mastermind des Musikerkollektivs Destroy, Munich ein Bedürfnis gewesen zu sein, dieses Versäumnis wieder gut zu machen. Zumindest liegt diese Interpretation nahe, wie sonst würde sich der Albumtitel "don't forget the birthday cake" erklären?

Gar nicht. Wobei Destroy, Munich ohne böswilligen Hintergedanken mit verschmitztem Schmunzeln sichtlich Spaß daran haben, das Gegenüber - in diesem Fall mich - teils verwundert, teils verwirrt im Rätselraten verharren zu lassen. Denn was bitte schön hat ihre Indiegitarrenplatte mit Fußballerinnen und Fußballern zu tun? Oder woher generiert sich der leicht als terroristischer Aufruf misszuverstehende Bandname? Und was in aller Welt haben all die Kinder auf dem Albumartwork zu suchen?

Bandfoto Destroy, Munich

Daniel Eberharter

Das Musikerkollektiv Destroy, Munich: Gabriel Nachbagauer, Matthias Frey, Valerie Rott, Philipp Zahlbruckner, Patrick Strasser, Sebastian Harnacker und Toni Traubensaft.

don't forget the ninties

Einige dieser Fragen, die ich mir stelle, beantworten sich durch genaueres Hinhören und -sehen. Schließlich gibt schon der Titeltrack "Woyzuck: don't forget the birthday cake" mit dem rauen Schlagzeugbeat, bei dem die Becken so herrlich räudig am oberen Ende des Frequenzbandes dahinzischeln, und dem von Glockenspiel begleiteten "schlendernden" Gitarren Aufschluss über den kleinsten gemeinsamen, inspirativen Nenner der sieben Bandmitglieder: Gitarrenmusik der neunziger Jahre. Alleine der kurze und groovige Partysong "Weninger: whitney always knew" lässt sofort an alte Indiehelden wie Pavement oder Sebadoh denken. Auch den Mut zum schrägen, wackeligen Kurz-Solo oder die Freude an lapidarem Gesang, der immer emotionsgeladen und etwas schief daherkommt und dadurch einen unglaublichen Charme entwickelt, hat der um den Alten Schlachthof in Hollabrunn entstandene, bunte Musikerhaufen mit seinen Vorbildern gemeinsam.

Albumcover Destroy, Munich

Destroy, Munich

Das Debüt von Destroy, Munich "don't forget the brithday cake" erscheint am 10. Dezember 2010 auf Schönwetter Schallplatten.

Auch die Produktion ruft Erinnerungen an die Hochzeit des Indierocks wach. "don't forget the birthday cake" ist nicht zu Tode produziert und komprimiert. Hier spürt man förmlich den Jamsession-Charakter, in dem die Songs meist entstehen. Kein Ton zu viel, keine Melodie überdeckt die andere. Wolfgang Möstl, der Sänger der Killed By 9V Batteries, hat cleverer Weise bei den Aufnahmen auf Transparenz gesetzt und auch beim Knöpfchendrehen ein gutes Händchen bewiesen, denn die Songs klingen derart erdig und spontan, dass ich beim häuslichen Abspielen den Eindruck habe, die siebenköpfige Band spiele vierzig Minuten lang in meinem Wohnzimmer.

Ausschlaggebend dafür ist sicherlich auch der Ort des Studios und die Stimmung, in der Destroy, Munich das Album eingespielt haben. Vier Wochen lang haben sie sich auf einen vierhundert Jahre alten Bauernhof zurückgezogen, fernab von jeglichem Trubel und Technologie. Man war richtig abgeschottet und laut Gabriel hört man das auch auf dem Album.

don't forget your fireinds

Die Frische ihres Debüts scheint tief aus der kindlichen Seele zu kommen, die sich die Musiker bewahrt haben. Passend dazu zeigt das großartige Coverartwork eine Collage aus Kinderfotos der Musiker. Dazwischen handgeschriebene Notizen und Texte. Eine Ästhetik, die auch an die neunziger Jahre erinnert, als manchen Musikern die eigene Geschichte vielleicht noch etwas mehr bewusst und wichtiger war, als sich eine medial ausschlachtbare Identität zu erfinden.

"don't forget the birthday cake" nimmt jedoch nicht nur auf die Kindheit Bezug, sondern es wird auch dem jugendlichen Leichtsinn gefrönt. Zwar ist der Bandkern dem Teenageralter entwachsen, trotzdem erinnert die Herangehensweise an Musik an die eines unerschrockenen Kindes, das sich nicht darum schert, eventuell Fehler zu machen oder gar Gedanken hegt, zu irgendeiner Gruppe oder Szene dazugehören zu wollen.

Bandfoto Destroy, Munich

Daniel Eberharter

Eigentlich sind Destroy, Munich ja fast schon wie eine große Familie mit ausuferndem Freundeskreis. Denn auf dem Album sind neben Gabriel Nachbagauer, Matthias Frey alias Sweet Sweet Moon, Valerie Rott, Philipp Zahlbruckner, Patrick Strasser, Sebastian Harnacker und Toni Traubensaft bei dem stampfenden und gleichzeitig leichtfüßigen "Løkin: it's you" auch Anna Kohlweis aka Paper Bird zu hören. Ebenfalls im stimmkräftigen Destroy, Munich Chor dabei sind Christian Hölzel der famosen Francis International Airport und Georg Tran alias Landscape Izuma. Insofern kann ich nachvollziehen, dass bei dem melancholischen Stück "Loder: Goatkid" eine einzige Textzeile ausreicht, um sich über dunkle Zeiten hinwegzuhelfen: at least we have our pretty selves.

don't forget the fun

Destroy, Munich feiern ihren Albumrelease heute Donnerstag 09. Dezember mit einem Live-Konzert im Wiener B72 bei freiem Eintritt!

Eine Listening Session durch das Destroy, Munich Debüt könnt ihr heute zwischen ab 16:00 Uhr in FM4 Connected hören.

Einige Fragen werden wohl immer unbeantwortet bleiben, oder zumindest unbefriedigend beantwortet. Wie sich Destroy, Munich erklären, dass vor jedem englischen Songtitel der Name einer Fußballerin beziehungsweise Fußballers steht? Ein Verwandter von einem Bandmitglied sei Trainer bei Admira Wacker Mödling und viele der auf dem Album genannten SpielerInnen sein Bekannte. Aha. Das erklärt zwar nicht unbedingt das "Konzept" dahinter, aber vielleicht schlägt auch hier der "kindliche Zugang" durch, Dinge einfach zu machen und nicht unbedingt gleich eine Erklärung für sich und andere parat haben zu müssen. So wird mir auch immer verborgen bleiben, warum beim balladesken Abschlussstück "Feiersinger: my mother said" mit zarter Geige ein Michael Jackson Stück angespielt wird.

Spaß scheint der zentrale Punkt zu sein, der bei allen Songs, bei der sorgfältig gepflegten Do-It-Youself Attitüde und beim Videodreh zur Single "Woyzuck: don't forget the birthday cake" mitschwingt. Spaß an Musik, Spaß an Konzerten, Spaß mit seinen Freunden zu haben und nicht zuletzt Spaß am Leben selbst. Eine schöne Botschaft zum Jahresabschluss.