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David Pfister

Rasierklingen, Schokolade, Zentralnervensystem, Ananas, Narzissmus und Ausgehen.

8. 12. 2010 - 12:24

Come And Get It

Im Zuge der Beatles- und John Lennon-Festspiele wurden auch eine Reihe Alben der Beatlesplattenfirma Apple neu aufgelegt.

1968 wackelt es im Inneren des Beatlesuniversum heftig. John hatte schon seine Yoko. George hatte sein Indien. Ringo schien kreativ unbefriedigt und Paul McCartney hatte seine Beatles.

Die Beatles sind reich und berühmt und die Herrscher der Welt. Die Beatlesmaschine arbeitet mit Hochdruck. Der Kollaps ist ahnbar, aber noch ist der gigantomanische Zenith noch nicht überschritten. Den nicht nachvollziehbaren Druck der Welt und ihrer Plattenfirma EMI sowie die persönlichen Identitätskrisen versuchten die Beatles musikalisch durch immer komplexere Arbeiten auszugleichen.

Apple Records

Apple Records

Gleichzeitig wächst der Wunsch auch andere Künstler zu unterstützen und zu fördern. Ein Jahr zuvor ist Brian Epstein der Manager der Beatles gestorben. Das sollte in Sachen Erfolg keinerlei Auswirkungen haben, sich allerdings in finanzieller Hinsicht verheerend auswirken. Und gleichzeitig ein Projekt ermöglichen, dass von Anfang bis zu seinem Ende wie eine Phantasterei aus dem Yellow Submarine-Film wirkt. Die Plattenfirma Apple Records.

Fresh From Apple Records

Apple Records wurde 1968 von den Beatles gegründet und war eine Unterabteilung der Apple Corps. Mit Apple Corps. verfolgte man verschiedene Wege von Film bis zum Buchhandel. Eine berühmte Baustelle der Apple Corps. war zum Beispiel die Apple-Hippie-Boutique in London.

The Radha Krsna Temple

Apple Records

Finanziell schlecht beraten ging also das große Apple-Schiff auf Fahrt und ging 1975 auch wieder in Konkurs. Aber der naive Umgang mit Geld hatte zur Folge, dass Apple in kurzer Zeit eine Reihe spannender und inzwischen weitestgehend vergessene Artisten veröffentlichte.

Besonders George Harrison tobte sich mit Apple aus und verwendete die Plattenfirma als kreative Masturbation, die mit seiner Band wohl nur bedingt gewährleistet war. Harrison produzierte neben seiner Arbeit als Beatle eine Vielzahl von Platten für Apple. Spielte wie selbstverständlich auf einem Grossteil der Produktionen mit und hielt sich auch mit dem Songwriting für seine Schützlinge nicht zurück.

Ende 1969 marschiert zum Beispiel eine Gruppe Hare Krishnas mit ihrem Guru Swami Prabhupada zum Büro von Apple und verlangt George Harrison zu sprechen. Nur ein paar Gespräche genügten und der für seine Hinduismus-Begeisterung berühmte George Harrison produzierte schon eine Platte für den Radha Krsna Temple. Jahrhunderte alte Mantras in Sanskrit.

Apple Records

Apple Records

Das Album das Harrison nicht nur produzierte, sondern bei dem er auch selbstverständlich mitspielte, feierte durchaus internationale Erfolge, wurde dann aber schnell vergessen. Niemals von Erfolg gesegnet aber immer spannend war auch die Musik von Jackie Lomax, ein junger Britrocker, der sich jahrelang als Kumpel der Beatles durch die Welt schlug und dann mit Apple endlich einen Plattenvertrag bekam. Das Album Is This What You Want aus dem Jahr 1969 ist eine Sammlung wundervoll räudiger Bluesrock-Gospels inklusive dem Harrison-Lied Sour Milk Sea, das eigentlich als Beatlessong geplant war und dann dem alten Freund aus Liverpool geschenkt wurde.

Speaking Words Of Wisdom, Let It Be

Neben George Harrison, engagierte sich auch Paul McCartney mit Eifer für das Plattenfirmenprojekt und konnte beispielsweise die Modpopper Badfinger mit massivem Support in den Hitparaden etablieren.

Apple Records

Apple Records

John Lennon wird auch in der Apple-Geschichte seinem faulen Image gerecht und taucht nur manchmal als Studiomusiker oder Drahtzieher bei obskuren Humorprojekten wie der Hot Chocolate Band auf.

Der Output der Plattenfirma Apple Records wirkt in seiner Vielseitigkeit ähnlich wie die späten Alben der Beatles. Ein Sammelsurium an Interessen und Vorlieben. Experimentelle Klassik, neben fernöstlicher Musik und wasserdichten Projekten für das Popmusikradio. So etwas wie ein roter Faden ist vielleicht das Übermaß an Soul und frühen R ‚n’ B, den der Backkatalog von Apple an den Tag legt. Billy Preston und Doris Troy machen Apple mit ihren Arbeiten auch musikhistorisch neben dem Beatlesaspekt wichtig. Billy Preston knackt und funkt aus seinem Album Encouraging Words so modern daher, wie es erst in den Achtzigern Prince wieder tun sollte.

Soeben ist ein Großteil des Apple-Backkatalogs erstmals auf CD veröffentlicht worden. Natürlich remastered, schön designt und mit opulentem Booklet. Nicht alles davon muss man haben, aber vieles verdient eine Entdeckung.