Erstellt am: 27. 11. 2010 - 14:16 Uhr
Genau so war es.
Der zweite Tag vom Bluebird Festival hat schon früh angefangen, R. meint wir brauchen ein Fender Amp Reverb, und in meiner Aufwachphase übersetzt sich das mit "Aha!", und einmal umdrehen und weiter über Fender sinnieren, und was es heißen könnte, wenn wir statt einem Reverb ein Noverb auftreiben. Bis das Telefonklingeln nicht mehr aufhört und nach kurzem SMS-Rundversuch hör ich schon von Taxi und Boten, und als ich aus der Horizontalen hochkomme, ist das Studio überhaupt fix und fertig vorbereitet. Vorbereitet für Joel Gibb, der schon gestern aus Berlin angereist ist und für die heutige Liveperformance noch ein "paar Stunden" proben wollte. Die Aufnahme für unsere Acoustic Session klingt hervorragend und Gänsehautvielversprechend. Cello, Oboe, Geige, Klavier und Joel Gibbs perfekter Gesang.

ondrusova
Am Gang vor dem Studio2 folgt die kurze Probenunterbrechung als Elva Snow ihr Bandlogo-bemaltes Mobil einparken, und das zweite Cello auf Skateboard Rädern im Studio ausgepackt wird. Der Nachmittag im Funkhaus wird sich mit gutem Gehör dem Ende zuneigen, Files werden abgespeichert, Pizzaschachteln weggeräumt, Videomaterial eingespielt und Mikroausrüstung eingepackt für die Fahrt zum Porgy&Bess. Die ersten Schneeflocken des Jahres sind am fallen und ausbreiten, als wir am Porgy ankommen, so tauschen wir wissende Blicke mit Scott Matthew aus. Der sitzt mit seinem Hoodie im Bandmobil und starrt verwundert in die Riemergasse. Yep. Elva Snow in Vienna.

ondrusova

ondrusova
The Go Find haben ihr Set schon angefangen, als ich meine Jacke an einem Ort parke, den ich sofort wieder vergesse und auch nicht mehr wiederfinde. K. sagt etwas sehr lustiges über Go Find, dem ich zustimmen muss.

hanna pribitzer
Die elegischen Gitarrensounds ergreifen mich nicht; ein wenig wie ein Film bei dem man den Anfang versäumt und das Ende ein offenes ist, das man nicht mehr entziffern wird können. Als sanften Start in den Abend, als Einstimmung auf eine lyrisch gehaltvolle Konzertnacht, plappere ich so viel es geht, und höre zu so viel ich verstehen kann. S. wird versuchen Getränkegutscheine von einer Handydame einzusammeln, und es wird ihm auch mit Fremdhandyausborgung nicht gelingen, weil sich ebendiese verstecken wird. K. wird mir wieder ein wenig beibringen, das man auch sagen kann "Interessiert mich nicht!" und "Ist mir wurscht!" und D., der fast so heißt wie Salvador nur serbisch, wird versuchen zu erzählen, dass jeder weiße Stuhl im Porgy ein Designerteil für 120€ aufwärts ist. Wir werden nachdenken ob und wie wir uns mit B. fotografieren sollen, werden aber nur in Gedanken aktiv. J. und C. werden mich auslachen, als ich sie bitte dem Großen J nicht zu erzählen, dass ich am heutigen Bluebird-Samstag eigentlich nicht mehr in der Stadt bin, weil die Arbeit und eine andere kanadische Großformation nach München ruft. Meine Jacke werde ich nicht vermissen aber Chris Garneau wird warten und mit ihm der Record-Knopf.

hanna pribitzer
Mit seinem Album "Music For Tourists" (2008) war der New Yorker Klavierspieler & Sänger Chris Garneau schon im Vorprogramm von Xiu Xiu in der Wiener Brut zu Gast. Er erzählt, dass er dieser Tage eigentlich mit Band spielt, so richtig mit Drums und Bass und Gitarre. Auf "El Radio" erklingen jedenfalls weitaus mehr Instrumentarien und Gefühlslagen als nur seine eigene vom Piano begleitete Stimme. "I think at the end of the day it comes down to making a piece of work that you love and that you´re proud of!" wird er sagen. Allgemeingütigkeit na klar, aber weiter meint Chris Garneau "I guess for me all I can really relate to is my own experience. To me, what changed when I went from not feeling positive about the work I was making to actually starting a collection of my first songs – it was this shift in how I wrote about things. And that really came down to honesty and the more honest I became in my writing the better my writing became." Mit Jeff Buckley und Eliott Smith hat Chris Garneau natürlich die höchsten Vorbilder und Referenzen.
Das Konzert selber war ein konzentriertes Unterfangen, mit Band wäre es eventuell bombastisch geworden. Ein gutes Kennenlernen auf jeden Fall. Garneau meint, dass er gerade in einer Phase ist, wo er versucht sein Songwriting auf ein anderes Level zu heben, nämlich der Honesty-Regel treu bleiben, aber ein wenig von der Ich-Perspektive weg. Die Zerbrechlichkeit wird ihm bleiben, Jeff Buckley´s sanftes "I´m not afraid to die" wird er jeden Tag, bei jedem Konzert und jeder Aufnahme im Ohr haben. Me too. D. vielleicht auch, aber er musste kurz am Stuhl Platz nehmen und seine Spiegeltoilettenbeule an der Stirn betasten.
Das mit der Zerbrechlichkeit kann Scott Matthew, einer der umgänglichsten Menschen die wohl je im Funkhausflur durch geschlurft sind, besonders gut transportieren. Ohne introvertiert und unnahbar zu sein, so dass man sich bei einem seiner Konzerte im schwarz tapezierten Schneckenhaus verstecken möchte. Beweise? Klar "Pavement Kisses" das Opener Manifest vom Elva Snow Album und seinem unglaublich ergreifendem "something is better than nothing"-Mantra. Wieder mal ein Herzenskonzert gesehen.

hanna pribitzer
Die eigene Unrast nach so viel aufwühlenden Performances, die sich bei mir meist in zuckenden Beinen (Tanzphantomschmerzen!) auswirkt, wird von Nina Nastasia gestillt. Ich beobachte das Publikum und Bühnengeschehen vom Balkon aus. Ab jetzt ist jeder Ton nur mehr schön, weil ich das Konzert mit den leuchtenden Augen von Scott Matthew sehe, der vor mir sitzt und sicher ein tausendfaches Glück empfindet. Mit F. und P. und Z. und J. muss ich noch über das Generalthema Liebe sprechen, der ganze Abend war doch darauf ausgelegt, dass wir soweit kommen. Um uns zu artikulieren, oder?

hanna pribitzer