Erstellt am: 19. 11. 2010 - 12:17 Uhr
Go And Find Sweet Gabriel
All jene die gemeint haben, der erneute Singer/Songwriter Hype Anfang der Jahrtausendwende würde nicht lange halten, die hätten definitiv ihr gesamtes Hab und Gut im Popwettbüro verspielt. Denn auch hierzulande haben seit der neuen Dekade vermehrt Musiker zur sechssaitigen Akustikgitarre gegriffen. Und die dazugehörigen Stimmen können sich nicht nur hören lassen, sondern betten sich auch perfekt in das organische Soundkonzept des alljährlichen Blue Bird Festivals der Vienna Songwriting Association im Wiener Porgy & Bess ein, bei dem diesmal wieder renommierte, internationale Künstler und "Legenden" auftreten werden. Hier eine Empfehlung für die "großen Kleinen" oder "kleinen Größen" zwischen Singer/Songwritertum und reduziertem Indiepop.
Donnerstag 25.11.: Die verlorene Geige von Matthias Frey
Traurigkeit und schelmische Belustigung mischen sich in die brüchige Stimme von Matthias Frey alias Sweet Sweet Moon, als er davon erzählt, dass er auf dem Weg zu einem Konzert seine Geige im Zug vergessen hat. Sein Lachen setzt genau dort ein, wo die Geschichte eine unerwartete Wendung erhält: Nach mehreren Wochen findet Matthias sein über alles geliebte, wunderschöne Streichinstrument zufällig in Prag wieder.

Christian Pitschl
Nicht zuletzt deshalb eröffnet der filigrane Song "Lost and Found" seine Debüt-EP, die letztes Jahr auf Siluh Records erschienen ist. Doch sollte man den jungen Niederösterreicher deshalb nicht gleich ausschließlich vors knisternde Lagerfeuer setzen, schließlich ist Sweet Sweet Moon eine "Ein-Mann-Band", die auch lautere Töne anklingen lassen kann. Matthias spielt neben besagter Geige und Gitarre auch Schlagzeug, Bass oder bedient galant das Glockenspiel. Bei dem cleveren Stück "I See" wird nach einem gemächlichen Einswingen einer schönen Akkordfolge plötzlich das Tempo angezogen und entwickelt sich mit enthusiastischer Stimme sowie elektrischer Gitarre zum fast schon hymnischen Indiepopsong.
Dass Matthias verschiedene Seiten in seiner Musik zum Vorschein bringt, beweisen das Uptempo-Stück "Bees", ein Sommersong, der in nur dreißig Minuten entstanden ist, dem das tiefmelancholische "Running Fast" mit all seinen wundervollen Streichern gegenübersteht. Bei seinem letzten Streich hat Herr Frey sich übrigens das Hemd von Herrn Condon übergestreift, um eine Nacht mit einer Prostituierten in Marseille zu verbringen.
Auch hier erklingen die melancholisch gestrichenen und heiter gezupften Geigen, unterlegt mit trockenem Drummachineloop, veredelt mit Matthias' mehrstimmigen Gesang, der damit richtig Lust auf ein Live-Erlebnis macht.
Freitag 26.11.: Das poppige Fotoalbum von Dieter Sermeus
Zwar nicht aus Österreich, aber dafür nicht minder charmant ist Dieter Sermeus alias The Go Find aus Antwerpen.

Katleen Clé
Sein ursprünglich recht elektronisches Popprojekt ist mittlerweile zu einer richtigen, akustischen Band angewachsen, was man der letzten Platte "Everybody Knows It's Gonna Happen Only Not Tonight" deutlich anhört. Sanft schlängeln sich im Klangkosmos von The Go Find zarte Gitarrenlinien durch swingende Rhythmen, rollende Percussions, engelsgleiche Backgroundgesänge, warme Analogsynthies und melancholische Refrains, die einen ganz unmittelbar berühren. Dabei wirkt der sechsunddreißigjährige Songwriter alles andere als trübsinnig. Es sind vielmehr die Texte, die eine melancholische Stimmung erzeugen, erzählen sie doch von Dieters Erinnerungen an seine Jugend, die erste Liebe oder beziehungstechnischen Herzensangelegenheiten. Mein großer Favorit dieses musikalischen Fotoalbums ist die samtige, balladeske Nummer "Neighbourhood", die mit ihrem Glöckchensound gepaart mit dezenten Synthieflächen mich jedes Mal verzaubert.
Das Schöne an den Songs von The Go Find ist, dass egal in welcher Form sie vorgetragen werden - also unabhängig vom aktuellen Lineup der Liveband - sie perfekt funktionieren. Dafür hat Dieter Sermeus auch beim letzten Werk "Everybody Knows..." hart kämpfen müssen, war es doch sehr verlockend immer mehr Melodien und Gesangslinien übereinander zu stapeln. Doch bevor er drohte in dem ausuferndem Harmoniemeer unterzugehen, wurden die Stücke filetiert und eine Schicht nach der anderen wieder abgetragen, bis nur mehr das Notwendigste übriggeblieben ist, um die Popsongs zum Klingen zu bringen. Das Video zu "It's Atomatic" ist eine schöne Analogie dazu, besteht es doch nur aus simplen Attrappen und dem Musiker selbst, wobei am Schluss sogar alles abmontiert wird.
Demnach ist darauf Verlass, dass The Go Find einen Auftritt hinlegen werden, der einen nicht unberührt zurücklassen wird.
Samstag 27.11.: Die dunkle Stadt des Pieter Gabriel
Es ist nur ein Buchstabe, der den Wiener Musiker Pieter Gabriel vom Popaltmeister trennt. Eine leidige Verwechslungsgeschichte, denn der junge Sänger und Songschreiber mit "i" heißt wirklich so.

Pieter Gabriel
Auch sein vorangegangener Versuch, sich durch das Pseudonym "1981" (dem Geburtsjahr von Pieter) nicht nur die permanenten Fragen nach dem Künstlernamen zu ersparen, sondern auch die referenzielle Nähe zu Namensvettern im Vorhinein auszuhebeln, scheiterte. Ganz im Gegensatz zu seiner musikalischen Arbeit. Beständig, geduldig und höchst reflektiert dürfte der Wiener an seinen Songs gearbeitet haben, die auf dem Debüt "City Of Last Things" veröffentlicht wurden. Anders lässt es nicht erklären, dass Pieter Gabriel ein derart in die Tiefe gehendes Album geschaffen hat, dass sich weder an trendigen Produktionen, noch an allzu klassischem Akustikpop anlehnt. Infiziert von den akustischen Helden seiner Jugend klingt etwa der Song "Fishes" wie ein im Fieberwahn entstandenes Tribut an Nick Drake, Radiohead, Smog und Jeff Buckley. Demgegenüber begeistert Pieter Gabriel mit der Single "Voices" durch eine gewisse poppige Leichtigkeit, die zwar von Melancholie durchzogen ist, sich jedoch nie in den Straßen der Verzweiflung verirrt.
Auch wenn die Songs von "City Of Last Things" schon über ein Jahr am Buckel haben, gibt es einige zeitlose Momente wie bei "When I See You", wenn Pieters gefühlvolle Gesang sich mit Klavier, klatschenden Händen und einem düsteren Chor sich tief in den Gehörgang brennt.
Wir dürfen also gespannt sein, wie und was uns der Wiener Sänger beim Blue Bird Festival 2010 präsentiert wird. Klar ist, es wird sich eher auf der dunklen Seite der Singer/Songwritermacht befinden.
Gewinnspiel:
Unter allen Einsendungen verloren 3x2 Festivalpässe für das Blue Bird Festival 2010. Dafür müsst ihr nur folgende Frage beantworten:
Wieviele unterschiedliche Nationen sind dieses Jahr beim Blue Bird vertreten?
Die richtige Antwort: 8
Die GewinnerInnen wurden bereits via E-Mail verständigt