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Erich Möchel

Netzpolitik, Datenschutz - und Spaß am Gerät.

14. 11. 2010 - 19:43

Gmail: EU will Google Mitlesen verbieten

"Die Kommission wird aufgefordert, das Mitlesen privater E-Mails zu Werbezwecken durch Dritte zu verbieten" heißt es in einem aktuellen Bericht des EU-Parlaments zur Onlinewerbung. Er soll noch heuer im Plenum verabschiedet werden.

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet, hat ein Bericht mit dem wenig aufregenden Titel "Über den Einfluss der Werbung auf das Verhalten der Konsumenten" den Binnemarktausschuss des europäischen Parlaments passiert.

Dieser Bericht des französischen Abgeordneten Philippe Juvin (EVP, Konѕervative) beschäftigt sich ausschließlich mit Werbung im Internet bzw. in neuen Medien und birgt enorme Sprengkraft in sich. Im Kampf gegen unfaire Praktiken in der Onlinewerbung empfiehlt Juvin nämlich ein ganzes Bündel von Maßnahmen, die frontal auf "Web 2.0"-Geschäftsmodelle wie jene von Google oder Facebook abzielen.

Tracking, Verhaltensanalysen

Der französische EU-Abgeordnete Philippe Juvin von der EVP.

www.europarl.europa.eu

Philippe Juvin

Um dem Konsumenten klarzumachen, dass er auf einer Website verfolgt ("getrackt") wird, sollten nicht nur die Betreiber darauf hinweisen müssen. Auch Werbebanner, die gezielt eingespielt werden, müssten einen Hinweis tragen, dass diese Einschaltung auf Basis einer Verhaltensanalyse zustande gekommen sei. Zusätzlich soll sich ein Browserfenster öffnen, in dem die Grundzüge verhaltensbasierter Werbung erläutert werden.

Noch weniger Freude als mit diesem Paragrafen dürften Facebook, Google und Co mit der geplanten Regelung für Daten haben, die über Werbebanner geschaltet werden. Der Bericht betone "die Risiken bei Unternehmen, die sowohl Content-Provider wie auch im Werbegeschäft tätig seien" - so heißt es in Punkt 13. An einer anderen Stelle wird klargemacht, dass für das Anbieten von Services wie E-Mail-Accounts die gleiche Regelung gilt.

Ausweispflicht für Cookies

Der Bericht von MEP Philippe Juvin ist auf dieser Übersichtsseite des EU-Parlaments als PDF verfügbar.

In Hinkunft soll es daher verboten werden, die aus dem Tracking durch den Site-Betreiber gewonnenen Daten mit jenen aus dem Werbetracking zu verknüpfen. Ebenso müssen Cookies in Hinkunft getrennt werden. Werden diese dazu benutzt, den User zu Werbezwecken quer durch das Netz zu verfolgen, müssen sie deutlich als solche ausgewiesen werden.

All das richtet sich direkt gegen die Geschäftsmodelle der großen Web-2.0-Unternehmen, der dritte Absatz in Punkt 16 der vorgeschlagenen Maßnahmen lautet gar: "Die Kommission wird aufgefordert, das Mitlesen privater E-Mails zu Werbezwecken durch Dritte zu verbieten." In den Erläuterungen heißt es dazu: "Diese Praxis basiert zwar auf einer mit Spam-Filtern vergleichbarer Technik, dient aber einem anderen Zweck."

Spamfilter, Maschinenleser

Mit diesem Argument, dass alle Gmail-Accounts ja nicht von Menschen sondern maschinell eingelesen würden, was technisch ident mit der Funktionsweise eines Spamfilters sei, hatte sich Google in der Vergangenheit stets gegen Kritik an der Mitleserei gewehrt. Den Zweck hatte man mit mehr "Convenience für die Benutzer" umschrieben.

Daten, die aus Webservices wie E-Mail-Accounts gewonnen werden, sollen in Zukunft strikt von Werbedaten getrennt werden. Auf genau solch einer Verknüpfung dieser Datensätzen aber basiert das Geschäftsmodell von Google. Zudem ist Google der haushohe Weltmarktführer in suchebezogener Werbung und über Zukäufe auch einer der größten Player in der Vermarktung von Bannerwerbung.

Das Logo von "Google Mail" mit einem glühenden Stern im Hintergrund.

Google

Spam von Plakaten

Neben längst überfälligen Maßnahmen wie der Forderung nach datenschutzkonformen Grundeinstellungen bei allen Internet-Services enthält dieser Bericht auch merkwürdige Forderungen. Angesichts der zunehmenden Zahl versteckter Werbeformen in Sozialen Netzen sollten die Mitgliedsstaaten Forumbeobachter bzw. Moderatoren zum Aufspüren der Schleichwerbung anheuern.

Das mutete schon reichlich nach einer Art Werbeblockwartwesen an. Wie Herr Juvin darauf kommt, an die Spitze seiner Maßnahmen ausgerechnet die Regulierung von Handywerbung zu setzen, die via Bluetooth oder auch Nearfield-Communication von Werbeplakaten kommt, wird wohl sein Geheimnis bleiben.

Lex Vuitton

Außerdem dürften die Suchmaschinenbetreiber - allen voran Google - bei suchebezogener Werbung keine Markennamen mehr als Stichwort verkaufen. Will heißen: Google darf einem Re-Importeur von "Vuitton"-Produkten zum Beispiel das Suchstichwort "Vuitton" nicht mehr verkaufen, auf dass seine Werbeschaltung erscheine. Ein BMW-Händler wiederum kann keine Werbung bei Google schalten, die bei jeder Eingabe des Suchstichworts "Mercedes" erscheint.

Der Bericht von MEP Juvin ist nach Passieren des Binnenmarktausschusses schon auf dem Weg ins Plenum des EU-Parlaments, wo er noch im Dezember diskutiert und vielleicht auch direkt nach erster Lesung verabschiedet wird.