Erstellt am: 9. 11. 2010 - 16:09 Uhr
EU-Parlament skeptisch gegenüber Nacktscannern
Im Verkehrsausschuss des EU-Parlaments stand am Dienstag die erste Aussprache zum Thema "Erhöhung der Flugsicherheit" auf der Tagesordnung. In Anbetracht der jüngsten Bombenfunde unter Luftfrachtpaketen wurde das ursprüngliche Thema "Körperscanner" auf weitere relevante Sicherheitsaspekte erweitert.
Angesichts der Tatsache, dass 60 Prozent aller Luftfrachten, deren Kontrollen sich als ziemlich lückenhaft erwiesen hatten, über Passagierflugzeuge abgewickelt werden, hat sich das Bedrohungsszenario verändert. "Wir gehen mittlerweile davon aus, dass nicht explodierende Körper sondern schon eher Frachtstücke die größte Bedrohung darstellen", sagte der österreichische Abgeordnete Jörg Leichtfried (SPE) nach der Sitzung.
"Keine Mehrheit für Verpflichtung"
Leichtfried, "Schattenberichterstatter" im Verkehrsausschuss für seine Parlamentsfraktion in dieser Angelegenheit, sieht nach der Aussprache keine Mehrheit für einen verpflichtenden Einsatz von Körperscannern auf Europas Flughäfen. Wer diese Geräte einsetzen wolle, könne dies ja tun, allerdings nur unter harmonisierten Bedingungen, also europaweit einheitlich. Ebenso müssten die Aspekte Gesundheit bzw. Privatsphäre davor geklärt sein: Bilder auѕ dem Nacktscanner dürften zum Beispiel nicht gespeichert und schon gar nicht weitergegeben werden.
Tage bevor die Paketbomben aus dem Jemen abgefangen wurden, traten an US-Flughäfen der Ostküste verschärfte Sicherheitsbestimmungen in Kraft. US-Passagiere berichten von entwürdigenden Genitalabtastungen
am Körper verborgener Plastiksprengstoff wird nämlich auch von den neuen Nacktscannern nicht entdeckt.
An dieser Aussprache sei deutlich zu bemerken gewesen, dass sich ein Teil der Abgeordneten bereits auf Flughäfen informiert habe, aber andere nicht, sagte die Abgeordnete Hella Ranner (EVP). "Reden wir doch zuerst mit Praktikern. Körperscanner können höchstens Teil eines umfassenden Sicherrheitskonzepts sein, das auf den jeweiligen Flughafen abgestimmt sei." Der Flughafen Graz zum Beispiel müsste für Body-Scanner völlig umgebaut werden, sagte Ranner, dasselbe gelte auch für Wien und andere Flughäfen im Land.
Falsche Flugkapitäne
Wer sich mit Sicherheitsverantwortlichen der Flughäfen unterhalte, bemerke schnell, dass es "erstens keine hundertprozentige Sicherheit gibt." Des weiteren erfahre man dabei auch wirklich haarsträubende Geschichten, was in puncto "Social Engineering" bereits passiert sei, so Ranner weiter: Falsche Flugkapitäne oder als Mechaniker verkleidete Personen, die unkontrolliert in den Sicherheitsbereich gelangten, kämen immer wieder vor.
Ein umfassendes Sicherheitskonzept müsse sozusagen bereits vor dem Flughafen einsetzen und eben auch solche Faktoren einschließen, sagte Ranner und warnte: Angesichts dervöllig unterschiedlichen Bauweisen und Flugverbindungen der einzelnen europäischen Flughäfen, allen identische sicherheitstechnische Auflagen zu erteilen.
Gefahr im Bauch des Fliegers
Eva Lichtenberger, Schattenberichterstatterin der Grünen Fraktion, fand folgenden Vergleich: "Im ersten Stock, also im Passagierraum, werden alle Gepäckstücke sowie die Passagiere nach allen Regeln der Sicherheit durchleuchtet, gescannt und sonstwie überprüft."
Im Bauch der Maschine aber fliege eine ganze Anzahl von Paketen mit, die als Luftfracht nur stichprobenartig untersucht werde. Es sei absurd, für eine eventuell mögliche, weitere Erhöhung der Sicherheit im ersten Stock Unsummen für Flughafenumbauten auszugeben, wenn von zehn Luftfrachtpaketen acht oder neun nahezu unkontrolliert an Bord desselben Fliegers gelangen, so Lichtenberger abschließend: "Verhältnismäßigkeit sieht anders aus."