Erstellt am: 4. 11. 2010 - 17:02 Uhr
Girl(s) Interrupted: Warpaint
Waren es X-Ray Spex oder waren es The Slits? Auf jenem Foto, in der Wiese sitzend, irgendwann in den späten 70er Jahren. Körper und Gesicht bemalt. War paint sozusagen, Kriegsbemalung. Als Ari Up von den Londoner Punk-Reggae-Pionierinnen The Slits vor kurzem frühzeitig starb, sagte Emily Kokal von Warpaint über sie:
"I heard the Slits a lot when I was growing up, through my parents and my friends, but I only became aware of them in highschool. A friend had a copy of "Cut" and I just remember seeing the art work of them standing topless, covered in mud and thinking, wow they don´t give a fuck. When I think of her in that big jacket and that crazy hair, she was such a force."
Warpaint spielten vor ein paar Jahren dann einmal auch vor den Slits, als Ari Up ihre Band nach all den Jahren wieder zusammengetrommelt hatte. Sie spielten auch vor den New Yorker Bands School Of Seven Bells und Yeasayer, den Kaliforniern Blackheart Procession oder den LondonerInnen The XX. Düstere Psychedelic-Balladen, Shoegazing, Electronics, Post-Punk-Soundscapes, ein Hauch Folk, Dream Pop, Samt und Brokat aus dem Second Hand Geschäft, Hippietücher von eben dort.

WArpaint

warp
"The Fool" von Warpaint, erschienen bei Rough Trade
If If you like this, try these:
Electrelane - "The Power Out"
Cat Power "Moon Pix"
Vor zwei Jahren veröffentlichten sie ein Mini-Album, in Eigenregie, bevor "Exquisite Corpse" dann letztes Jahr neuaufgelegt wurde. Im Studio gemischt wurde die EP übrigens von keinem Geringeren als John Frusciante, Ex-Gitarrist der L.A. Dinos Red Hot Chili Peppers und hypersensibler Solo-Künstler. Auf dem Debutalbum von Warpaint, "The Fool", ist er nicht mehr vertreten. Die Warpaint-Sängerin und Gitarristin Emily Kokal und John Frusciante waren ein paar Jahre lang ein Paar, und wenn Frusciante solo - aber auch als Teil der Konzerte der Chili Peppers - seine entrückte Version von Simon & Garfunkels "For Emily, Whenver I My Find Her" spielte, dann war der Song natürlich für Emily Kokal.
"I kissed your honey hair" heißt es in "For Emily" etwa, und auch wenn John Frusciante das honiggelbe Haar von Emily jetzt nicht mehr küsst, die Chili Peppers Connection von Warpaint ist weiter da, über Josh Klinghoffer, den aktuellen Gitarristen der Band. Dieser pretty boy rocker ist wiederum der Boyfriend von Jenny Lee Lindberg, Bassistin und ebenfalls Sängerin bei Warpaint. Und weil das noch nicht genug an Verbindungen und Verstrickungen ist - hey, it´s L.A.! - ist Jenny wiederum die Schwester der Schauspielerin Shannyn Sossamon, die, bevor sie dem Schauspiel den Vorzug gab, die Drummerin von Warpaint war. Die ultracoole Darstellerin hat in vielen Filmen und Fernsehserien mitgewirkt, etwa neben Heath Ledger in "Ritter aus Leidenschaft" ("A Knight´s Tale", 2001) oder als Vampirin Coraline in der US-Serie "Moonlight". Dennoch hat die ex-Warpaint-Musikerin den größeren Durchbruch in Hollywood noch nicht geschafft.

Sossamon
"Shannyn fehlt mir, sie fehlte nach ihrem Ausstieg in der Band doch ziemlich", sagt Jenny Lee Lindberg über ihre Schwester und ehemalige Rhythm-Section-Partnerin bei Warpaint. Sie sagt es via ein knacksendes Mobiltelefon unterwegs irgendwo in den Südstaaten der USA. Soviel zum L.A.-Glamour und der noch nicht ganz so glamourösen Band-Realität von Warpaint. Es rauscht am anderen Ende der Leitung, der Tourbus fährt, die Stimme der Bassistin ist weg. Drummerin Stella Mozgawa ist plötzlich dran. Sie hat das Frauen-Quartett letztes Jahr endlich komplett gemacht, nachdem nach dem Ausstieg von Shannyn Sossamon erst Josh Klinghoffer an den Drums übernommen hatte. Aber Shannyn Sossamon ist natürlich weiter im Band-Umfeld präsent, etwa wenn man eine Video-Macherin braucht.
Theresa Wayman ist die vierte der Warpaint-Musikerinnen. Sie singt und spielt Gitarre. Das Gender-Issue, die Frauen-Frage, ist aber nicht wirklich ein Thema bei ihnen: "I don´t care, it doesn´t bother me, I´m not a feminist", sagt Jenny Lee Lindberg, inklusive nervösem Lachen am Ende von diesem Satz. I´m not a feminist. Das sitzt erst einmal, will hier aber letztlich einfach soviel bedeuten wie, dass sie kein outspoken feminist ist wie etwa Kathleen Hanna (Bikini Kill, Le Tigre) oder keine Carrie Brownstein (Sleater Kinney), sondern eher eine Stevie Nicks. Oder eine Hope Sandoval. "Yeah, that´s a great comparison", sagt Jenny Lee. Aufatmen also am anderen Ende der Leitung. Aufatmen auch bei mir, schließlich wollen wir uns doch nicht in einer großen women in music Diskussion verheddern, samt der ewigen Fragen, wie es bestellt ist um die female power im (Alternative-)Rock.

roughtr
Eines ist jedenfalls wie immer gewiss: wo Licht, da ist auch Schatten. Soviel die Musik von Warpaint mit Begeisterung überhäuft wird, für manche ist dieses L.A. Quartett bloß "just another forgettable four-piece on the same forlorn sea-to-sky beach as Best Coast", wie etwa eine Frau im World Web Web postet. Den Vergleich mit Bethany Cosentino und ihrer Band Best Coast sehe ich nicht wirklich, und den mit den Dum Dum Girls auch nicht. Außer die Tourmanagerin und die Stadt in der sie wohnen, haben Warpaint und Dum Dum Girls nichts gemeinsam. Letztere sind viel stärker auf das 60s Girl Group Ding fixiert als es Warpaint je sein könnten. Warpaint knüpfen viel mehr dort
an, wo Kendra Smith - Opal - und Hope Sandoval - Mazzy Star - einmal waren, an den Paisley Underground von Los Angeles, aus dem dann kommerziell höchst erfolgreich die Bangles hervorgingen. Und so ist "Shadows" letztlich doch ein L.A.-Song, wie er Los Angeles-iger nicht sein
könnte, auch wenn Jenny Lee Lindberg sagt, "Shadows" könne überall spielen: "I´m drunk and I´m tired and the city I walk in, it feels like it swallows me, my hands in my pockets, I feel like a shadow."
Die Standout-Tracks am Album, neben dem poppigen "Undertow":
Das hypnotische "Bees", das an Mazzy Star erinnernde "Baby", das John Frusciante inspirierte "Majesty", und das Dream-Pop-Meisterstück "Lissie´s Heart Murmur".